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1. Berliner Mietermesse: Großes Thema – kleine Resonanz

24. Juni 2015
Podium auf der 1. Berliner Mietermesse
Podi­um auf der 1. Ber­li­ner Mietermesse

Gera­de ein­mal 60 bis 70 Men­schen fan­den am ver­gan­ge­nen Wochen­en­de den Weg ins Brun­nen­vier­tel, um sich auf der 1. Ber­li­ner Mie­ter­mes­se über Mie­ter, Mie­ter­initia­ti­ven und Mie­ter­ver­net­zung zu infor­mie­ren. Wahr­schein­lich ist das For­mat Mes­se noch unge­wohnt. Dabei wäre gera­de jetzt wich­tig zu dis­ku­tie­ren, wo sich die Mie­ter­inter­es­sen lang­sam zu poli­ti­sche For­de­run­gen fin­den, wel­ches eigent­lich das zu errei­chen­de Ziel der Mie­ter ist.Eine Mes­se der Mieter?

Publikum auf der 1. Berliner Mietermesse
Publi­kum auf der 1. Ber­li­ner Mietermesse

„Es gibt vie­le Mie­ter­ini­ta­ti­ven in Ber­lin, es wäre schön, wenn die­se nicht nur digi­tal in Kon­takt tre­ten, son­dern auch per­sön­lich“, beschreibt die Orga­ni­sa­to­rin Bian­ca Lim­bach ihre Idee zu einer Mie­ter­mes­se. Des­halb woll­te sie vor allem Mie­ter­initia­ti­ven zur Mes­se ein­la­den. Lei­der waren nur zwei Stän­de die­ser Kate­go­rie wirk­lich zuzuordnen.

Gelun­gen war hin­ge­gen die Podi­ums­dis­kus­si­on. Dr. Andrej Holm, Stadt­for­scher an der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät, kann man als den intel­lek­tu­el­len Kopf der Gen­tri­fi­zie­rungs­geg­ner bezeich­nen. Kat­rin Rothe hat sich mit ihrem Film „Beton­gold“ einen Namen nicht nur in Ber­lin gemacht. Wer sich mit den Mie­ter­initia­ti­ven in Ber­lin beschäf­tigt, kennt auch Sven Fischer von der Initia­ti­ve Kopen­ha­ge­ner 46. Außer­dem dis­ku­tier­te mit auf dem Podi­um die Rechts­an­wäl­tin Caro­la Hand­werg. Die Lei­tung hat­te Dia­ne Ara­po­vic, die gera­de das Radio-Pro­jekt „Suche Woh­nung am Gör­lit­zer Park” betreibt.

Soweit zum Rück­blick auf die Mietermesse.

Ab hier Kommentar:

Der Preis einer Wohnung

Mieterinitiative Kopenhagener 46
Mie­ter­initia­ti­ve Kopen­ha­ge­ner 46

Eine Wir­kung der Mie­ter­mes­se ist, dass auch an die­ser Stel­le auf die­sem Blog über Mie­ten nach­ge­dacht wird. Zumeist wird bei die­sem The­ma über Staats­zu­schüs­se gestrit­ten – in Form von bil­li­gem Bau­land (Ver­mie­ter) oder Woh­nun­gen im Besitz von öffent­lich recht­li­chen Anstal­ten (Mie­ter­initia­ti­ven). Bevor man in eine sol­che Dis­kus­si­on ein­steigt, soll­te man erst ein­mal ver­ste­hen, dass Woh­nun­gen teu­er sind. Wer für 2.000 Euro pro Qua­drat­me­ter eine Woh­nung kauft oder baut, muss 20 Jah­re 10 Euro pro Qua­drat­me­ter zurück­zah­len, bevor er Geld für Repa­ra­tu­ren, Aus­bes­se­run­gen oder Neue­run­gen zurück­le­gen kann. (Wer mit 40 Jah­ren Rück­zah­lung rech­net, hat nach die­ser Zeit eine ziem­lich run­ter­ge­kom­me­ne Wohnung.)

Ver­drän­gung oder Eigenverantwortung?
Die Mie­ter­mes­se ist Anlass, ein­mal über die aktu­el­le Dis­kus­si­on nach­zu­den­ken. Eben weil Woh­nun­gen und Häu­ser teu­er sind, wer­den in der Debat­te Staats­zu­schüs­se gefor­dert. Begrün­det wird dies gern mit dem Argu­ment, Ver­drän­gung ist nicht hin­nehm­bar. Die Fra­ge ist aller­dings, ob wirk­lich Ver­drän­gung  das Pro­blem ist oder ob Ver­drän­gung wie Regen zum Leben dazu­ge­hört. Im Brun­nen­vier­tel (wo der Autor wohnt) tausch­ten die Bewoh­ner sich auf­grund des Mas­sen­ab­ris­ses in den 60er und 70er Jah­ren aus. In den 90er Jah­ren wur­den Nor­mal­ver­die­ner über die Fehl­be­le­gungs­ab­ga­be aus dem Brun­nen­vier­tel ver­grault (danach galt das Brun­nen­vier­tel als sozi­al abge­stürzt). Manch­mal kommt es sogar so vor, dass die eins­ti­gen Ver­drän­ger nach eini­ger Zeit von ande­ren ver­drängt wer­den. Nur: Will man in einer leben­di­gen Stadt den Still­stand einer Reihenhaussiedlung?

Wor­auf es doch in einer Mie­ter­stadt ankom­men soll­te, das ist nicht das Woh­nen auf Lebens­zeit, son­dern die Fra­ge, wie es gelin­gen kann, dass auch ein­kom­mens­schwa­che Haus­hal­te sich von den kurz­at­mi­gen Zie­len wech­seln­der poli­ti­scher Moden einer­seits und den Zie­len von Woh­nungs­ei­gen­tü­mern befrei­en kön­nen. Wie gelingt es, dass die Nach­fra­ge nach Woh­nun­gen der Men­schen in den unte­ren Gehalts­grup­pen – denen der freie Woh­nungs­markt wenig Ange­bo­te machen kann – auf ein Sor­ti­ment trifft?

Statt um Ver­drän­gung soll­te es um Fra­gen gehen, wie: Braucht es nach dem Vor­bild der Kran­ken­ver­si­che­rung viel­leicht eine Woh­nungs­ver­si­che­rung? Oder braucht es ana­log zum Bau­spa­ren ein Genossenschaftssparen?

Was fehlt in Ber­lin sind nicht Sozi­al­woh­nun­gen und natür­lich auch nicht Woh­nun­gen des frei­en Mark­tes, son­dern Mie­ter­woh­nun­gen. Und inso­fern noch jede Men­ge wei­te­rer Mietermessen.

Hin­ter­grund­in­fos
Die 1. Ber­li­ner Mie­ter­mes­se wur­de orga­ni­siert von Bian­ca Lim­bach vom Ver­ein Cle­ver e.V. Finan­zi­ell unter­stütz­te die Mes­se die IKEA-Stif­tung.

Text und Fotos: And­rei Schnell

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

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