Gesundbrunnen würde ohne Quelle – wenige Meter von der Badstraße entfernt – womöglich nicht Gesundbrunnen heißen. Heute pulsiert das Leben, wo um 1748 heilendes Wasser aus dem Boden kam und die Errichtung von Pavillons und Wellness-Angeboten anregte. Eine der Nebenstraßen zwischen Amtsgericht und Badstraße ist seit dem 2. April 1891 die Gropiusstraße, wo uns die Spurensuche nach jüdischem Leben im Wedding diesmal hinführt.
Blick zur Badstraße und Gropiusstraße
Gropiusstraße: Leben an der Panke zwischen Badstraße und Amtsgericht Wedding
Die Geschichte der Straße begann mit der Namensgebung als Gropiusstraße und sollte innerhalb weniger Jahre eigentlich bereits damit beendet sein, dass die Straße mit großen Wohnhäusern bebaut war. Die ersten Mietshäuser an der Gropiusstraße entstanden um 1890⁄91. Besonderes Merkmal der heute als Einbahnstraße konzipierten Verkehrsführung ist die nur einseitige Bebauung, denn zur anderen Seite sind es nur wenige Meter zur Panke. Diese besondere städteräumliche Situation führt dazu, dass die Bewohner der Vorderhaus-Wohnungen einen angenehmen Weitblick genießen.
Amtsgericht Wedding
Wohnen entlang der Gropiusstraße
Heute noch schön zu kennen, handelt es sich um eine geschlossene Blockrandbebauung mit nahezu identischen Mietshäusern – bestehend aus Vorderhaus, Seitenflügel und Hinterhaus. Dabei bilden zwei Vorderhäuser den Rahmen für einen gemeinsamen Hof, womit die Wohnungen angenehm hell sind. Während die Wohnungen in den Seitenflügeln und Hinterhäusern den typischen Berliner Charme besitzen, bot sich von den großen Wohnungen in den Vorderhäusern der Blick über die Panke zum Pferde- bzw. Straßenbahnbetriebshof. Laut dem Jüdischen Adressbuch Groß-Berlin von 1931 wohnten zwei jüdische Personen in der Gropiusstraße: Emil Lasnitzki in der Gropiusstraße 3 und Ernestine Treumann in der Gropiusstraße 6. Damit ist die Geschichte jedoch nicht zu Ende.
Panke mit Blick in Richtung Badstraße
Soziale Not im Wedding in den frühen 1930er Jahren
Im Wedding und Gesundbrunnen waren 1925 von 351.798 Einwohnern circa 3.695 Juden. Der Wedding war ein raues Pflaster, denn es gab viele Fabriken. Die soziale Situation spitzte sich in den frühen 1930er Jahren nochmals zu.
Im Winter 1930⁄31 initiierte die Jüdische Gemeinde eine Winterhilfe, damit Menschen mit Kohlen versorgt werden konnten. Auch das kostenlose Kleiderangebot für Kinder und Erwachsene wurde erhöht und es gab Lebensmittelrationen. Besonders im Wedding gab es einen erhöhten Fürsorge-Bedarf. Die Winterhilfe blieb bis zur Mitte der 1930er Jahre mit tausenden ehrenamtlichen Helfern für die Versorgung der jüdischen Bevölkerung zentral.
„Öffne deine Gärten den Kindern vom Wedding!“, so lautete im Juni 1931 eine Fürsorge-Kampagne vom „Berliner Tageblatt“ dem sich auch die „Jüdische-Liberale Zeitung“ anschloss. „Die Kinder vom Wedding! Heiß, staubig und finster sind die Straßen, laut und übervoll die Freibäder. Zudem fehlen Fahrgeld und Eintrittsobolus“. Vor diesem Hintergrund wurde zur „Ferien-Garten-Hilfe“ aufgerufen. Berliner, die ihren Garten im Sommer nicht brauchten, sollten diesen den Kindern zur Verfügung stellen.
Badstraße vis-à-vis Gropiusstraße
Jugend-und Fürsorgeangebot in der Gropiusstraße
Für einige Jahre war die Gropiusstraße Anlaufstelle für jüdische Jugendliche, denn in der Hausnummer 4 befand sich ab eine Stelle des Wohlfahrts- und Jugendamt der Jüdischen Gemeinde Berlin. Es handelte sich um eine Fürsorgestelle und einen Treffpunkt mit Notspeisung.
In der zeitgenössischen jüdischen Tagespresse finden sich unterschiedliche Bezeichnungen für die Adresse Gropiusstraße 4: Jugendheim Wedding und Abendheim für Jugendliche. Ob es ein Übernachtungsangebot für Jugendliche gab, ist unklar. Fest steht, dass warmes Essen ausgegeben wurde. Wöchentliche Beratung für Jugendliche boten Rabbiner Dr. Siegfried Alexander, Michaelis Leschnik und Ernst Rosenbach an. Rabbiner Dr. Alexander wirkte seit 1924 in der Synagogen-Gemeinde Gesundbrunnen und betreute das Altersheim, das Krankenhaus und die Jugendeinrichtung. In der Gropiusstraße 4 muss es auch einen größeren Raum als Vortragssaal gegeben haben, denn am 11. Mai 1931 veranstaltete der Jüdischer Frauenbund Bezirksgruppe Wedding-Gesundbrunnen einen Vortragsabend mit Dr. Reinhold Jablonowski. Sein Thema an diesem Abend war „Körperbau und Charakter“.
Unter der wirtschaftlichen Not der Zeit und den Sorgen über die Zukunft litten besonders die Mütter. Doppelt schwer hatten es die Frauen, die ein Kind zur Welt brachten. Aus diesem Grund gab es in der nahegelegenen Badstraße 10 eine Säuglings-Fürsorgestelle der Jüdischen Gemeinde mit täglichem Beratungsangebot. Dora Silbermann und Else Cohn berieten von 13 bis 14 Uhr junge Mütter.
Wie die Geschichte endete, bleibt allerdings im Unklaren. Denn leider konnte nicht herausgefunden werden, welche Räume in der Gropiusstraße 4 angemietet wurden und wie lange das Fürsorge-Angebot für Jugendliche bestand. Ebenfalls unklar blieben die konkreten Umstände der Auflösung.
Wir freuen uns über Hinweise und Anregungen! Wohin soll es beim nächsten Mal gehen?