Säen, gießen, ernten – in jedem Garten ist dieser Ablauf gleich. Das ist in New York so, in Paris und natürlich auch hier in Berlin. Trotzdem gibt es Unterschiede und vieles, was man daraus lernen kann. Vor kurzem war eine Gruppe französischer Gärtner:innen zu einem Austausch in der deutschen Hauptstadt zu Gast. Eingeladen hatte unter anderem das Centre Francais de Berlin in der Müllerstraße. Auch in Weddinger Beeten haben ich die Gemeinschaftsgärtner:innen aus Paris umgeschaut.
Der Austausch unter dem Titel „Paris-Berlin: gleicher Kampf“ war bereits der zweite Teil einer gärtnerischen Begegnung über Ländergrenzen hinweg. Im Mai waren die Berliner:innen in Paris, Ende September erfolgte der Gegenbesuch. „Es war absolut grandios“, fasst Kerstin Stelmacher ihre Begeisterung für die Begegnung zusammen. Das Programm sei intensiv gewesen, voller überraschender Erkenntnisse für beide Seiten. Kerstin Stelmacher war in Doppelfunktion dabei: für das Netzwerk „Urbane Gärten Berlin“ und als Vertreterin des Kiezgartens Schliemannstraße.
Das Umfeld ist wichtig für die Gemeinschaftsgärten
Der Programm in Berlin war abwechslungsreich und einerseits darauf ausgerichtet, ausgewählte Gemeinschaftsgärten in der ganzen Stadt zu besuchen. Es gab einen Wedding-Tag, einen Pankow-Tag, einen Neukölln-Tag und einen Tag in Kreuzberg. Im Wedding waren die Garten-Stationen der Gemeinschaftsgarten Rote Beete am Centre Francais und die Wilde 17 in der Böttgerstraße. Andererseits wurde auch das unmittelbare Umfeld betrachtet. „Gemeinschaftsgärten sind ja keine Inseln, die einfach so entstehen“, sagt Kerstin Stelmacher. Und so gehörte zum Programm das gemeinsame Essen bei lokalen Gastonomien in der Nachbarschaft (im Wedding: Imren in der Böttgerstraße und Uferlos in der Uferstraße) und der Besuch anderer wichtiger Orte in den Kiezen. „Im Wedding haben wir zum Beispiel einen Besuch des Roggenfelds in der Bernauer Straße angeboten, mit Abstecher in den Garten Niemandsland nebenan“, sagt Kerstin Stelmacher. Auf dem Flakturm im Humboldthain hat die Gruppe sich dann einen Überblick ganz anderer Art verschafft und auf diesen Tag der deutsch-französischen Gartenverständigung angestoßen.
Berliner Gärten und eine Entwicklung von unten
Erkenntnisse zu gewinnen gab es viele. Dieses Mal war es an den Pariser:innen, die Berliner Verhältnisse besser zu verstehen. „Ein Unterschied ist die Organisation der Gärten“, berichtet Kerstin Stelmacher. „Die Berliner Gärten sind viel loser organisiert, es sind oft auch Initiativen und nicht immer Vereine wie in Paris. Diese Selbstorganisation wurde als sehr spannend empfunden“, sagt die Gartenaktivistin. Bei den Pariser:innen sei der Eindruck entstanden, dass man in Berlin oft einfach macht ohne lange zu fragen. Das liege auch an der unterschiedlichen Entwicklung der Gemeinschaftsgärten in Berlin und Paris, so Kerstin Stelmacher.
Unterschiedliche Entstehungsgeschichten
In Paris habe es erst ein paar wenige Gärten gegeben, dann kam schnell ein Förderprogramm und „dann sind die Gärten aus dem Boden geschossen“. In Berlin gab es eher eine Entwicklung wie in New York: es sind in den vergangenen Jahren viele Gärten ohne staatliche Unterstützung oder Lenkung gewachsen. Derzeit sollen es derzeit in Berlin 200 sein. „In Paris gibt es schon sehr lange ein Förderprogramm und Unterstützung für jeden neuen Garten. Berlin hat vor zweieinhalb Jahren erst angefangen, eine Strategie zu entwickeln. Dass heißt: erst kamen die Gärten und jetzt folgt das Programm“, so Kerstin Stelmacher. Während ein Förderprogramm gut wäre, habe auch eine Entwicklung von unten ohne Steuerung ihre Vorteile, wie die Pariser:innen feststellten.
Kein Biomüll in Paris, dafür viele Kompostprojekte
Auch ganz konkrete Unterschiede stellte die zweisprachige Gruppe fest. So gebe es zum Beispiel beim Kompostieren stark verschiedene Herangehensweise. „Die Pariser sind da viel weiter als wir, aber das wird auch massiv von der Stadt unterstützt“, sagt Kerstin Stelmacher. Weil es in Paris keinen Biomüll gebe wie in Berlin, wurde in den Gärten ein Kompostsystem aufgebaut. Die Nachbarschaft kann in den Gärten ihren Biomüll kompostieren. Auch wenn es in Berlin erste Kompostprojekte gebe, sieht Kerstin Stelmacher hier noch ein großes Entwicklungspotential und sie glaubt, dass die teilnehmenden Berliner Gärten gerade bei dem Thema viele Impulse aus Frankreich bekommen haben: „Ich wette, wenn wir uns in fünf Jahren wiedertreffen, dann gibt es das in Berlin auch“.
Offenen Grünflächen und Gartencafés
Ein ganz anderer Punkt brachte die Gäste aus Paris zum Staunen: „In Paris werden nachts alle Grünflächen geschlossen. Es war für die Pariser:innen verblüffend, wie das hier in Berlin funktioniert“. Viele Berliner Gärten sind auch nachts zugänglich und werden nicht mit Zäunen umgeben. Das funktioniert im und am Stadtteil unter anderem im Mauergarten, in den Roten Beeten, im Bellermanngarten-Hochbeetgarten und im Diesterbeet. Ein weiterer Punkt spricht für die Offenheit der Berliner Gärten. „In Paris dürfen das keine kommerziellen oder teilkommerziellen Projekte sein. Ein Café im Himmelbeet oder eine Bar wie in den Roten Beeten wären in Paris nicht erlaubt. Es war spannend, das zu diskutieren“, sagt Kerstin Stelmacher.
Viele weitere Themen kamen bei dem Austausch der Gemeinschaftsgärtner:innen zur Sprache. So wurde beispielsweise über eine gemeinsame Saatguttauschbörse nachgedacht. Erste Samentütchen wurden schon verteilt. „Es gäbe noch so viel zu sagen, so viel zu besprechen! Eins ist klar: Wir wollen uns in jedem Fall wiedersehen“, sagt Kerstin Stelmacher, auch wenn das vielleicht erstmal digital sein werde – oder auf der Leinwand. Die Begegnungen der Gemeinschaftsgärtner:innen hat nämlich ein Filmteam begleitet. Der entstandene Film soll dann auch in Berlin laufen, vermutlich in den beteiligten Gärten.
Über den Austausch der Gemeinschaftsgärten
Der deutsch-französische Gartenaustausch fand im Rahmen des 35. Jahrestags der Städtepartnerschaft Berlin-Paris statt. Organisiert wurde er von Graine de Jardins Paris, dem Centre Francais de Berlin und dem Netzwerk Urbane Gärten Berlin. Finanziert wurde die Begegnung vom Deutsch-französischen Bürgerfonds und EdiCitNet. Auf französischer Seite waren folgende Gärten beteiligt: Le Poireau agile, Jardins du Ruisseau, Le 56, Bois Dormoy, Nid de l’Ortolan, Les Moufettes. Beteiligte Gärten in Berlin waren Wilde 17, Rote Beete, TonSteineGärten, Allmende-Kontor-Gemeinschaftsgarten, Prinzessinnengarten-Kollektiv, Kiezgarten Schliemannstraße und der KuBiZ-Garten. Über den ersten Teil des Austauschs wurde im Beitrag Zu Besuch in fremden Gärten berichtet.
Hallo:)
Gibt es eine Möglichkeit, den Film nochmal zu sehen? Kann ich ihn irgendwo ausleihen oder streamen?
WÜrde mich über weitere Infos freuen.
LG Jan