Am 16. November baut die Gleichstellungsbeauftragte des Bezirkes Mitte im Gesundbrunnen-Center ihren Stand auf. Sie will Werbung machen für das bundesweite Hilfetelefon 08000 116 016. Dieser Tag ist ein Ausschnitt aus der Arbeit von Kerstin Drobick, die große Themen wie Lohngleichheit, Teilzeitfalle oder Cybermobbing angeht, aber nur wenig Einfluss und kein Budget hat. Sie kann nur aufklären und netzwerken.
In gewisser Weise war früher – wieder einmal – alles einfacher. Da durften die Frauen nicht wählen, keine Verträge unterzeichnen und keinen Männerbesuch empfangen. Da damit war allen klar: Das ist ungerecht (auch wenn damals viele ausgetüftelte Argumente zum Erhalt dieser Normen gefunden wurden). Heute sind Frauen rechtlich gleichgestellt und auch der große Schwung der Frauenbewegung passé. Meinen viele. Kerstin Drobick sieht das anders: “Die Frauen glauben immer, was sie erleben sei individuelles Schicksal. Aber die Studien zeigen: Es sind frauentypische Lebenswege.” Wenn wegen der Kinder eben doch die Frauen länger zu Hause bleiben, wenn Frauen sich für Teilzeit entscheiden, wenn Frauen weniger gutbezahlten Berufe wählen. Auch wenn es Biographien wie die von Angela Merkel gibt, die der Statistik widersprechen.
Die Gleichstellungsbeauftragte hat ihr Büro im Rathaus Tiergarten sehr nahe am Büro des Bezirksbürgermeisters. Aber hat sie auch viel Einfluss? In ihrer täglichen Arbeit investiere sie viel Zeit in das Projekt Kiezmütter. Und sie sieht es als einen ihrer größten Erfolge, dass das Projekt Kiezmütter in Mitte nicht nach Ablauf der Förderperioden eingestellt wurde, sondern durch den Senat nun finanziert wird. “Gerettet”, sagt sie. Das sind kleine Erfolge gemessen an den großen Worten in der Einleitung der Webseite der Gleichstellungsbeauftragten, die beginnt mit: “Der Verfassungsauftrag der Gleichstellung und der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen … ”
Der Gleichstellungsbericht der Bundesregierung nimmt Lebensläufe unter die Lupe und zeigt in seiner großen Studie, dass im geltenden Recht noch alte Frauenbilder nachwirken, dass die Ausbildungswege soziale Berufe benachteiligen, dass im Erwerbsleben Frauen zu oft Teilzeit arbeiten und Zeit wird nach wie aufgeteilt in Zeit für den Job (Mann) und Zeit für den Haushalt (Frau). Auf bezirklicher Ebene lässt sich an diesen großen Themen wenig drehen. Frustrierend, Frau Drobick? “Nein, mir macht mein Beruf seit 17 Jahren Spaß. Ich habe viel Kontakt mit Menschen und ich habe mit vielen verschiedenen Themen zu tun.” Auch eine frauentypische Antwort? Eine Antwort, die nicht herausstellt, welchen Einfluss ihre Position bietet?
Auf Diskussionen, zum Beispiel ob das Binnen‑I den Frauen hilft, lässt Kerstin Drobick am 16. November im Gesundbrunnen Center gern ein. Auch wenn es ihr an diesem Tag vor allem um die Telefonnummer 08000 116 016 geht.
Text und Foto: Andrei Schnell