Am 12. Februar wählt Berlin wieder, aber nicht neu. Die Unterscheidung zwischen „wieder‟ und „neu‟ ist wichtig, denn aus ihr ergeben sich für den Bezirk unerwartete Folgen.
Da ist er wieder. Für die Bezirksstimme wird den Wählern am 12. Februar der gleiche Wahlzettel wie 2021 vorgelegt. Wobei das links oben abgedruckte Jahr vermutlich angepasst wird. Doch im Bezirk wird das Setzen des Wahlkreuzes lediglich kleine politische Folgen haben:
Überraschung Nummer 1: Auf Bezirksebene kann die Wahl zwar das Kräfteverhältnis in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) verändern, nicht aber die Zusammensetzung der sechs Stadträte. Zur Erklärung: Bildlich gesprochen ist die BVV eine Art Bezirksparlament und die sechs Stadträte bilden in diesem vereinfachenden Vergleich die Regierung. Unerwartete Folge der Wahlwiederholung ist nun, dass die neu zusammengesetzte BVV keine neuen sechs Stadträte bestimmen wird. Bildlich gesprochen: Die alte Regierung bleibt trotz Wahlwiederholung im Amt. Das liegt daran, dass gemäß dem Urteil des Berliner Verfassungsgerichtshofes die Legislatur weiterlaufen soll. “Die Wahlperiode beginnt nach der Wiederholungswahl nicht neu”, heißt es auf der letzten von 150 Seiten des Urteils vom 16. November. Trotz “einzigartiger” Pannen am Wahltag, müsse auch das “Bestandsrecht” berücksichtigt werden, so die Richter. Mit der Wahl der Formulierung “Korrektur” im Wortlaut des Urteils drückt das Gericht aus, dass mit der Wahlwiederholung kleinere Änderungen der Machtverhältnisse “korrigiert” werden sollen.
Übrigens hätte der Bezirk im Herbst 2021 auch nicht vorausschauend handeln können, indem er die Stadträte unter Vorbehalt bestellt hätte. “Eine Befristung der Verbeamtung für den Fall der Wahlwiederholung ist gesetzlich nicht vorgesehen”, sagt Vanessa Kränzke, Pressesprecherin in Mitte.
Überraschung Nummer 2: Die Wahl im Februar heilt nicht die Machtverschiebungen durch Parteiübertritte. Die Parteien müssen im Bezirk ihre Listen vom September 2021 verwenden. So tritt Ingrid Bertermann auf Platz 17 der Grünen-Liste an, obwohl sie mittlerweile in die Fraktion der Linken gewechselt ist. Und die ehemalige Stadträtin Ramona Reiser steht bei den Linken auf Listenplatz 7, obwohl sie heute fraktionslose Einzelverordnete ist. Weit oben auf der Liste der Grünen steht der Name Stephan von Dassel. Der von der BVV abgesetzte Bezirksbürgermeister ist derzeit nicht Mitglied der Grünen-Fraktion. Weniger gravierend ist, dass Mandy Rogler jetzt Mandy Losse (CDU) heißt.
Eine echte Neuwahl nach Fehlern bei der Kandidatenaufstellung gab es dagegen 1993 in Hamburg. Nach Klagen hatte ein Gericht die Bürgerschaftswahl von 1991 für ungültig erklärt.
Der Text erschien zuerst in der Weddinger Allgemeinen Zeitung (–> E‑Paper), der gedruckten Zeitung für den Wedding. Autor ist Andrei Schnell. Wir danken dem RAZ-Verlag!
In Hamburg hat sich damals aber die Bürgerschaft nach dem Urteil aufgelöst und damit reguläre Neuwahlen erzwungen, Auch in Berlin könnte sich das Abgeordnetenhaus auflösen, erforderlich wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Leider wird das aber nicht mal debattiert.
Interessante Ergänzung.