Fünf Tage lang hat der rote Teppich vor dem City Kino Wedding gelegen. Filmfans aus der ganzen Stadt, Filmemacher:innen verschiedener Nationalitäten liefen darüber, alle unterwegs für das besondere Kinoerlebnis. Zum 11. Mal hat das Favourites Film Festival sehr besondere Filme in den Wedding gebracht. Möglicherweise war es die letzte Gelegenheit, die Publikumsgewinner internationaler Festivals an der Müllerstraße zu sehen…
Wer braucht schon ein Filmfestival? Die Frage ist provokativ und nicht ganz ernst gemeint. Und die Antwort ist einfach: Ein Filmfestival wie das Favourites Film Festival brauchen alle, die gern besondere Filme sehen. Filme, die man nicht streamen und oft auch nicht außerhalb des Festivals im Kino sehen kann. Es sind besondere Geschichten, von engagierten Filmteams auf der ganzen Welt mit oft kleinem Budget gedreht. Sie sind nicht weniger spannend als die ganz großen Blockbuster, oft sind sie sogar interessanter, innovativer und kreativer als mancher Hit aus dem regulären Kinoprogramm. Dass es nur wenige in den regulären Verleih schaffen, ist schade und hängt nicht unbedingt mit der Qualität des Films zusammen.
Bewegende Geschichten am Puls der Zeit
Auf die Leinwand kommen beim Favourites Film Festival Filme in Originalsprache, meist mit Untertiteln. Kamerafrauen, Regisseur:innen oder Darsteller:innen stehen oft für Fragen des Publikums auf der Bühne. Beim diesjährigen Favourites Film Festival, das vom 21. bis 25. September stattgefunden hat, gab es diese Gelegenheiten, besondere Lieblingsfilme zu sehen. Paula Syniawa und Anna Jurzik haben die Filme ausgewählt, das Festival organisiert, die Menschen eingeladen. Es gab Liebesgeschichten aus den Pariser Vororten, einen Film über eine junge Liebe im Schatten des Kampfes um Klimagerechtigkeit, eine animierten Film über einen Geflüchteten aus Afghanistan in Dänemark, einen Film aus dem kolumbianischen Dschungel, eine Geschichte über die Begegnung eines Straßenkindes in Panama City mit einer Mutter, die ihr Kind verloren hat. Es gab auch viele Kurzfilme aus allen Teilen der Welt. Ein buntes, abwechslungsreiches Programm haben die beiden Festivalleiterinnen wieder zusammengestellt.
Auch bei diesem Festival gab es einen Publikumsgewinner. Der Preis ging an den Film „Olga“. Er erzählt die Geschichte einer jungen ukrainischen Turnerin, die in einem Schweizer Trainingslager die Proteste auf dem Euromaidan über Social Media erlebt. Regisseur Elie Grappe war im City Kino zu Gast und beantwortete nach der Vorführung viele Fragen aus dem Publikum. Antrieb für seinen bewegenden Spielfilm war für ihn die Frage, wie ein jeder Mensch seine persönliche Lebensgestaltung mit den gesellschaftlichen und politischen Ereignissen in der Welt vereinbaren kann. „Olga“ ist ein gutes Beispiel für diese bewegenden Geschichten, die seit elf Jahren im Rahmen des Festivals gezeigt werden.
Fortsetzung: ungewiss
Ein Sektempfang zum Festivalbeginn, Kuchen zum Abschluss, dazwischen einen Festivalparty im Foyer – auch das ist das Favourites Film Festival. Wie die beiden Festivalleiterinnen berichten, ist das Filmprogramm in diesem Jahr vom Publikum besonders gut angenommen worden. Mit den Abstimmungskarten wurde wie immer abgestimmt – und zwar wurde im Durchschnitt so gut bewertet wie nie zuvor. Dennoch ist die Fortführung des Festivals im nächsten Jahr ungewiss. Dennn das aktuelle Weltgeschehen geht auch an einem solchen Projekt nicht spurlos vorbei. Wegen der Coronakrise hatten Sponsoren ihre Unterstützung reduziert. „Für die Durchführung des Festivals stand in diesem Jahr im Vergleich zu vergangenen Ausgaben nur die Hälfte des Budgets zur Verfügung, so dass die komplette Arbeit des Festivalteams in diesem Jahr rein ehrenamtlich erfolgte“, heißt es von Paula Syniawa und Anna Jurzik. „Da auch nach elf Festivaljahren in Berlin die Finanzierung des Festivals nicht gesichert ist und es ohne strukturelle Förderung keinerlei Planungssicherheit gibt, ist es nicht klar, ob es eine weitere Festivalausgabe in Berlin geben wird“, so das Team weiter. Für alle, die ein solches Filmfestival brauchen, ist das sicherlich keine gute Nachricht. Für das City Kino ist es ebenfalls keine gute Nachricht und für den Wedding wäre es ein Verlust.
Auf Nachfrage erklärte Paula Syniawa, dass die Arbeit an einer nächsten Ausgabe Ende Januar 2023 beginnen müsste – falls eine Finanzierung für das Favourites Film Festival im City Kino Wedding gefunden werden sollte.