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Rückblick mit Wehmut:
Untergegangene Geschäfte: Eisenwaren Mehler

11. September 2024
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Vie­le Men­schen im Afri­ka­ni­schen Vier­tel erin­nern sich noch an die­sem ein­zig­ar­ti­gen Laden, wo man von der ein­zel­nen Schrau­be bis zum Gar­ten­stuhl (fast) alles bekom­men konn­te. 2013 haben wir Eisen­wa­ren Mehl­er besucht. Der Laden ist seit vie­len Jah­ren geschlos­sen und hat einem Pfle­ge­dienst Platz gemacht. 

Text aus dem Jahr 2013

„Gehen Sie doch zu Eisen-Karl“, so warb frü­her eine Bau­markt­ket­te (die mit den drei Buch­sta­ben). Nur dass es eben wegen sol­cher Bau­märk­te den Eisen­wa­ren­händ­ler an der Ecke gar nicht mehr gibt. Gar nicht mehr? Stimmt nicht, denn an der Ota­wi­st­ra­ße 13/ Ecke Lüde­ritz­str. hat ein beson­ders schö­nes Exem­plar über­lebt: Otto Mehl­er. „Wir sind bil­li­ger als der Bau­markt, der mit 20 % Rabatt wirbt“, sagt Inha­be­rin Yvonne Hanusch, wäh­rend sie gedul­dig in einem dicken Kata­log nach einem sehr spe­zi­el­len Arti­kel sucht, nach dem sich ein 9jähriger Jun­ge erkundigt. 

Aber so hat man beim War­ten genü­gend Zeit, den Blick schwei­fen zu las­sen: wun­der­schö­ne alte brau­ne Holz­schub­fä­cher, aus denen sich Schrau­ben und Nägel noch ein­zeln erwer­ben las­sen, zie­ren die hin­te­re Wand des Eck­la­dens. Die sind noch aus der Zeit um die Jahr­hun­dert­wen­de und Dut­zen­de Male über­malt wor­den. Und was es sonst noch alles gibt: Geschirr und Haus­halts­wa­ren, Klein­elek­tro­ge­rä­te, alles für den Gar­ten und natür­lich auch Far­ben und Lacke. Wie ein Relikt aus der gar nicht so lan­ge zurück­lie­gen­den Ver­gan­gen­heit hat die­ser Laden sei­ne Nische bewahrt.  Allein vom Ver­kauf ein­zel­ner Schrau­ben kann der Laden heu­te kei­nen Pro­fit mehr abwer­fen, statt des­sen betrei­ben die Besit­zer noch einen Groß­han­del. Das min­dert nicht die Freu­de an die­sem wun­der­bar kra­mi­gen alt­mo­di­schen Geschäft mit einer Beratungsgarantie. 

Für die Zeit­schrift “Ecke Mül­lerstra­ße” hat sich Chris­tof Schaf­fel­der im Früh­jahr 2013 mit der Inha­be­rin Yvonne Hanisch unterhalten:

“In die­sem Jahr fei­ern wir 120jähriges Jubi­lä­um. Im Jahr 1893 grün­de­te Otto Mehl­er die Eisen­wa­ren­hand­lung, ursprüng­lich in Schö­ne­berg am Win­ter­feldt­platz. Mein Vater hat sie spä­ter über­nom­men. In den 80er Jah­ren wur­de die Gegend, in der zuvor vie­le Haus­be­set­zer und Punks wohn­ten, luxus­sa­niert. Wir woll­ten die hohen Mie­ten aber nicht zah­len und haben dann den Laden hier in der Ota­wi­st­ra­ße gefun­den. Der hat­te auch den Vor­teil, dass hier Klein­gär­ten in der Nähe sind, wir ver­kau­fen ja auch Gar­ten­ge­rä­te, vor allem jetzt im Früh­ling. Außer­dem füh­ren wir auch Haus­halts­ge­rä­te, im Win­ter gehen Schnee­räum­ge­rä­te, Schlit­ten und Ofen­zu­be­hör gut.

Ich über­nahm dann im Janu­ar 1996 den Laden von mei­nem Vater. Da muss­te ich erst mal ein paar Mona­te hier im Laden blei­ben und ler­nen. Ich woll­te nicht auf den Bau­stel­len aus­lie­fern und wir­ken wie Püp­pi, die von nichts eine Ahnung hat und nicht mal weiß, wie die Werk­zeu­ge rich­tig hei­ßen. Inzwi­schen lie­fe­re ich aber sehr ger­ne aus. Damals lief das Geschäft aber noch bes­ser als jetzt. Wir lie­fern ja auch an Bau­stel­len und an Kun­den aus dem Hand­werk, an Haus­ver­wal­tun­gen und Behör­den, etc. In der Bau­bran­che sind die Zei­ten inzwi­schen deut­lich här­ter gewor­den: lau­ter Sub­un­ter­neh­mer von Sub­un­ter­neh­mern. Eini­ge unse­rer bes­ten Kun­den aus die­sem Bereich sind in die Insol­venz gegan­gen oder wur­den auf­ge­kauft und anschlie­ßend abge­wi­ckelt. Die per­sön­li­chen Kon­tak­te las­sen sich dann nicht wie­der so ein­fach herstellen.

Aber bekannt sind wir nach wie vor: “Fahr zu Mehl­er, da kriegs­te alles!” Den Tipp, so hat es mir gera­de ein Kun­de erzählt, hat er von einem alten Polier bekom­men. “Mehl­er, unse­re letz­te Ret­tung!” – auch sol­che Sprü­che hören wir öfter. Wir haben tat­säch­lich vie­les vor­rä­tig und wenn nicht, dann kön­nen wir es besor­gen. Und auch preis­lich kön­nen wir mit­hal­ten, wir wer­den ja bei unse­ren Lie­fe­ran­ten als lang­jäh­ri­ge gute Kun­den geführt und bekom­men des­halb ordent­li­che Rabat­te. Nicht nur bei Klein­tei­len sind wir oft sogar deut­lich bil­li­ger als die Bau­märk­te. Wir ver­kau­fen Klein­tei­le ja auch ein­zeln und zudem schla­gen die Bau­märk­te oft auch rich­tig unver­schäm­te Gewinn­span­nen auf.

In Ber­lin gibt es nur noch sehr weni­ge Eisen­wa­ren­hand­lun­gen wie unse­re, im Nor­den weit und breit über­haupt kei­ne ande­re. Auf Mes­sen wie bei­spiels­wei­se von unse­rem Ein­kaufs­ver­band haben die Ber­li­ner frü­her immer gleich einen gan­zen Tisch gebil­det – heu­te bin ich da allein. Stei­gen­de Mie­ten, feh­len­de Nach­fol­ger im Geschäft, die Kon­kur­renz durch die Bau­märk­te: Die meis­ten haben inzwi­schen auf­ge­ge­ben. Ich glau­be aber, dass sich die Zei­ten wie­der ändern und der Fach­han­del wie­der eine Chan­ce bekommt. Wir kön­nen ja nicht nur fach­lich gut bera­ten, was das Inter­net eben nicht kann. Son­dern wir haben auch Ange­bo­te, die sonst kaum noch einer macht: So kann man bei uns auch Mes­ser und Werk­zeu­ge schlei­fen las­sen. Das machen nicht wir, son­dern ein Schlei­fer­meis­ter, der sie bei uns abholt und geschlif­fen wie­der zurück­bringt. Die sind dann wie­der wie neu!

auf­ge­zeich­net von Chris­tof Schaf­fel­der, erschie­nen in der “Ecke Mül­lerstra­ße” April/Mai 2013

Wer erin­nert sich noch an die­sen (und viel­leicht auch an ande­re ) Läden im Wed­ding, die Eisen­wa­ren verkauften?

weddingweiserredaktion

Die ehrenamtliche Redaktion besteht aus mehreren Mitgliedern. Wir als Weddingerinnen oder Weddinger schreiben für unseren Kiez.

3 Comments Leave a Reply

  1. Zwi­schen Mül­ler &Lüderitzstr.gab es in der Otaistr.gab es vie­le Geschäfte,zB.die Eis­die­le Rother,Tabakwaren Reitermeier,Kohlenhandel Lietzau,Bäckerei, Obst/Gemüsegarten Keiler,& noch eini­ge mehr.

  2. Ich erin­ne­re mich an einen Eisen­wa­ren­la­den in der Frie­del­stras­se in Neu­kölln zwi­schen Weser – und Len­au­stras­se! Ein alter Inha­ber fühl­te sich ver­pflich­tet dahin­ge­hend zu bera­ten, dass jeder Asch­ei­mer einen Deckel haben muss, weil nicht sicher sei, dass nicht doch noch Glut in der Ofen­asche nach­glim­me …fuer Tage … und sogar wie­der auf­flam­men koenne.
    Und wie wich­tig die­ser Rat­schlag war!!!!

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