Kunst- und Kulturschaffende sind wohl bekannt dafür, nicht immer den gewöhnlichsten Weg einzuschlagen. Es ist eben eine Lebensweise – viel mehr als nur ein Beruf. In seiner Weddinger Galerie verkörpert ein Künstler dieses Bild, als hätte er nie etwas anderes gemacht – und das trifft es ziemlich genau.
Für die Kunst in den Wedding
Vor über 30 Jahren zog Wolfgang Oberle nach Berlin. Als gebürtiger Schwarzwälder hat er sich im Leben der bildenen Kunst verschworen. Anfang der 80er Jahre studierte der heute 67-Jährige Malerei an der Fachhochschule Kiel, bevor er 1987 sein eigenes Atelier in den Weddinger Gerichtshöfen bezog. Zusammen mit zwei befreundeten Künstlern renovierte er mit viel Herzblut die ruinenartigen Räume, um in der Gerichtstraße 23 ein neues Zuhause zu finden. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Kunst. Doch der 10-Jahres-Vertrag zwang ihn letztendlich dazu, weiterzuziehen. Der damalige Aufkauf der Gewerbehöfe hätte einige Kunstschaffende um ihre Räumlichkeiten in den Höfen gebracht, so der Künstler. Spätestens mit der Gründung des Vereins “Kunst in den Gerichtshöfen e.V.” 2004 gilt das Kunstquartier mit über 70 Ateliers als eines der größten in ganz Deutschland. Aber ohne Wolfgang. Nach weiteren Umzügen im Wedding zog es ihn in den Gesundbrunnen, wo er vor über 15 Jahren das Ladengeschäft eines befreundeten Pärchens übernahm, welches darin zuvor Holzspielsachen anfertigte.
Die kleinste Produzentengalerie der Stadt
Wolfgang interessiert sich für viele verschiedene Praktiken. Abstrakte Bilder, bunt und aufgeregt, alle ohne Titel. Sie schmücken liebevoll eingerahmt die weißen Wände, sodass von diesen kaum noch was zu erkennen ist. Von der Decke hängt ein sonnengelbes, 2 x 2 Meter großes Drehbild – in der Mitte des Kunstwerks scheint eine Stereoanlage ihren Platz gefunden zu haben. “Ich mag es einfach gerne, etwas mit den Händen zu gestalten”, erzählt er und gestikuliert mit imaginären Schnitzwerkzeug in der Luft herum. In seinem kleinen Atelier in der Bellermannstraße 15 wird einem schnell bewusst, dass dieser Ort nicht nur Arbeits‑, sondern auch Wohnort ist.
Alles kombiniert – und das auf geschätzten 13 qm. Exklusive Küche, Bad und einem Hinterzimmer. Mehr als eines der Drehbilder kann Wolfgang auf dem begrenzten Raum nicht aufhängen, sie stapeln sich in einer Ecke des Ateliers. Dafür entdecke ich bei meinem Besuch noch Holzskulpturen und verstehe nun die Gestik mit dem Schnitzmesser. Die “7 Schwaben” dürfen momentan aber nicht im Schaufenster stehen, hier wird gerade Ecke für Ecke ein wenig renoviert.
Künstler durch und durch
Jeden Tag malt der Künstler an seinen Bildern. Mit Öl, Acryl oder Dispensionsfarben erhalten seine intuitiven Werke Haptik, Dimensionalität und Vielfältigkeit. Er möchte mir keine große Geschichte hinter den einzelnen Bildern erzählen. Entweder gibt es sie nicht, oder das bleibt sein Künstler-Geheimnis. Aber in den Bildern erkenne ich dennoch seine persönliche Geschichte wieder. Ich sehe einen Mann, der sich immer voll und ganz auf sein malerisches Talent konzentriert hat. Jemanden, der damit nie großes Geld gemacht hat. Auch seine letzte Ausstellung ist fast 20 Jahre her – in der Bibliothek am Luisenbad. Dafür ist er sich treu geblieben und dem nachgegangen, wofür er lebt. Kunst entsteht durch Verzicht und Anstrengung: alles andere wären dann Produkte. Das wird in den Bildern, den Skulpturen und den quadratischen Dreh-Objekten erkennbar. Wolfgang verkauft die Bilder ab 40 €, mit Größe der Leinwand steigen die Preise. Für die Drehbilder nennt er mir keinen Preis – der persönliche Wert ist wohl höher, als jemand dafür zahlen würde – er selbst beschreibt seine Arbeit als brotlose Kunst. Aber vielleicht gibt es dieses Jahr für Wolfgang ein frisch gebackenes Weihnachtsbrot, wenn die Eine oder der Andere in den Bildern ein passendes Geschenk sieht, das noch Platz unter dem Weihnachtsbaum findet. Öffnungszeiten gibt es bei der kleinsten Produzentengalerie der Stadt nicht. Eintritt: einfach Anklopfen.
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