Es tut sich etwas für die älteren Menschen auf dieser Welt! Seit dem Beginn der 2010er Jahre gibt es Bestrebungen bei der UNO (Vereinte Nationen, United Nations (UN)), die Rechte der Alten in eine global gültige UN-Altenrechtskonvention zu fassen. Dazu tagte die Offene Arbeitsgruppe Alter (Open Ended Working Group Age, OEWG‑A) mehrfach im vergangenen Jahrzehnt.
Nach mehr als 10 Jahren der internationalen Auseinandersetzung zu diesem thematischen Komplex bei der UN gibt es einen Meilenstein zu verzeichnen, wie Elke Schilling, Weddingerin und Gründerin von Silbernetz e.V., der Hotline und dem Netzwerk gegen Einsamkeit in Deutschland, in einem Interview erzählt.
Elke Schilling (2. von links) in der 14. Sitzung der OEWG der UN im Mai 24 – Foto: Hira Meta/Indien
Frau Schilling, Sie gründeten Silbernetz e.V. und haben mittlerweile die Erfahrungen eingebracht in die großen Diskussionen unserer Zeit. Was ist das Resümee für Sie?
Elke Schilling Eine der ganz großen Errungenschaften des vergangenen Jahrhunderts ist, dass mehr Menschen als je zuvor die Chance haben, weitgehend gesund und aktiv ein hohes Alter zu erreichen. Gesehen wird diese wunderbare Entwicklung nahezu einzig als Kostenproblem und „Alterslast“. Das ist höchst bedauerlich, werden doch damit vielfältige Potenziale einer sowohl die Vielfalt neuer Entwicklungen als auch den Schatz des Wissens und der lebendigen Erfahrungen vieler Jahrzehnte nutzenden Gesellschaft vergeudet.
Silbernetz e.V. widmet sich in Berlin und Deutschland der Vorbeugung und Beseitigung von Einsamkeit und der Uninformiertheit bei älteren Menschen. Was sind wichtige internationalem Erfahrungen dazu?
Elke Schilling Mit GILC – der Global Initiative on Loneliness and Connection – stehen wir international im Kontakt mit Organisationen aus aller Welt, die sich dem Kampf gegen Einsamkeit und ihre Folgen widmen. Andernorts ist man besser vernetzt, hat schon seit langem Studien und wirksame Aktionen in Gang gesetzt. Dennoch ist es ein einsames Thema und die Initiativen sind weltweit intensiv damit beschäftigt, Einsamkeit in allen Altersklassen zu thematisieren und nachhaltige Maßnahmen zu entwickeln.
Leitendes Schild zur Sitzung des Workshop der NGOs und NHRI der 14. Session der OEWG14 zum Thema Altern
Wie kam es zur Mitwirkung bei BAGSO und der Einladung nach New Yorck zu den Vereinten Nationen, um an den seit 2010 aktiven Diskussionen zum Recht der älteren Menschen teilzunehmen?
Elke Schilling Als deutschlandweit arbeitende Organisation war es für Silbernetz logisch, vor zwei Jahren den Mitgliedsantrag bei der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen, also BAGSO, zu stellen. Die jedoch ist schon seit langem als Nichtregierungsorganisation an diesem UN-Prozess zur Entwicklung einer Altenrechtskonvention beteiligt und auch Mitglied der GAROP, der Global Association for the Rights of Older Persons. GAROP unterstützt als internationales Netzwerk von Beginn an diesen Prozess. Als die GAROP anfragte, ob seitens der BAGSO eine Seniorenorganisation aus Deutschland in diesem Jahr einen Kurzbeitrag zur sozialen Inklusion Älterer in Deutschland leisten könne, wurde Silbernetz angefragt. Ich habe sehr gern zugesagt, da wir und als Ohr und Stimme der unsichtbaren Älteren in unserem Land sehen.
Das 3‑Minuten-Statement (Englisch) von Elke Schilling auf der 14. OEWG
Die Arbeitsgruppe OEWG‑A wurde im Jahr 2012 von der UN durch Res 67⁄139 beauftragt, ein rechtlich verbindliches Dokument über Rechte der Älteren zu erstellen. Inwieweit hat Deutschland daran mitgewirkt? Was waren die kulturellen Unterschiede und nationentypischen Forderungen, die dabei in den Vordergrund rückten? A
Elke Schilling Auf Regierungsebene hat Deutschland diesen Prozess beobachtend begleitet. Es besteht ja durchaus die Haltung auf offizieller politischer Seite, dass in Deutschland mit unserem Grundgesetz die Menschenrechte für alle umgesetzt sind. Alter kommt jedoch im Artikel 3 nicht explizit als Benachteiligungsverbot vor. Schon dies lässt darauf schließen, dass dort Lücken und Grauzonen existieren.
Ich gestehe, dass ich zu kurz dabei bin, um Genaues zu den nationalen Unterschieden und Schwerpunkten bei Diskriminierungen aufgrund des Lebensalters zu benennen. Jedoch war schon bei dieser einen Beratung durchaus sichtbar, dass solche weltweit und in sehr unterschiedlicher Art vorkommen, was nach einer solchen Konvention verlangt. Auch um politisches Handeln daran zu orientieren, wie es ja inzwischen z.B. mit der CEDAW-Konvention für die Menschenrechte von Frauen festgeschrieben ist.
Frau Schilling, vom 20. bis 24. Mai tagte die OEWG‑A bei den UN an der East Side New Yorcks. Sie haben vorgetragen. Was war Ihr Anliegen? Wie ordnete sich dies ein in die Vorträge der anderen drei deutschen Delegiertengruppen? Und gab es eine EU-europäische Absprache zu dieser Aufgabe?
Elke Schilling Ich hatte ein Dreiminuten-Statement zur sozialen Inklusion Älterer abzugeben. Er ist nun Teil des offiziellen Protokolls der Sitzung dieser UN-Arbeitsgruppe. Abgestimmt war das in der GAROP-Gruppe, der auch die indische Kollegin aus Mumbai und die afrikanische Kollegin aus Nigeria angehörten, die ebenfalls Statements zu der Situation Älterer in ihrem Land abgaben.
Eingang zu den UN in New York – Foto Elke Schilling
Wie und warum kam es dann zur Abstimmung und zur Annahme des Antrags auf eine internationale Altenrechtskonvention bei der UN?
Elke Schilling Das war für uns alle überraschend, dieser Entschluss in der Mittagspause, der da am Nachmittag verkündet wurde! Niemand von den zu GAROP gehörenden Nichtregierungsorganisationen (NGOs) hatte damit gerechnet und auch unsere deutsche Gruppe war erfreut und überrascht. Allerdings – die Empfehlung an die Generalversammlung, eine Konvention zu den Menschenrechten der Älteren zu verabschieden – , war nur eine von insgesamt acht Empfehlungen, die verabschiedet wurden. Die anderen blieben hinter dieser Forderung zurück, und es bleibt abzuwarten wofür die Generalversammlung sich entscheiden wird.
Frau Schilling, was ist der Vorteil einer Altenrechtskonvention? Sind Rechte der Alten nun einklagbar?Wenn ja, wie, inwieweit und wo?
Elke Schilling Hoffentlich wird sich die Generalversammlung für eine Konvention entscheiden, denn nur eine solche hat eine international verbindliche Vereinbarung zur Folge, die letztlich auch einklagbar wäre. Selbst das bliebe ein noch lange andauernder Prozess, der durch NGOs unterstützt und eingefordert werden muss. Und vorhergegangen Konventionen, wie CEDAW und Behindertenrechtskonvention zeigen ja, wie lange es dauern kann, eine solche Konvention in nationales Recht um- und durchzusetzen.
Manhattan, ein Spaziergang – Foto: Elke Schilling
Wenn man in eine solch pulsierende Millionenstadt wie New Yorck reist, muss man eine Stadtrundfahrt machen, wenigstens eine. Man muss sich die Stadt anschauen. Wie hat Ihnen Manhattan gefallen?
Frau Schilling So richtig Zeit blieb nicht für Stadtrundfahrten – jeder Tag war gefüllt, entweder direkt im UN-Hauptquartier mit Anhören der nationalen Mitglieder der OEWG‑A, der nationalen Menschenrechtsorganisationen und der NGOs, die ihre Standpunkte und nationalen Sichten darlegten. Darüber hinaus gab es Side-Events, organisiert von unterschiedlichen Gruppierungen zu Einzelthemen im Rahmen dieser Menschenrechtsdebatte, Treffen der Mitgliedsorganisationen, einen Besuch und Gespräch bei der deutschen Vertretung bei der UN, Zwischenauswertungen, kurz jeder Tag war voll.
Ich habe eine Stadtrundfahrt nach Downtown Manhattan und einen Spaziergang zum Central Park schaffen können. Das war’s, überwältigend und ziemlich anstrengend. Straßenschluchten und Plätze, von denen ich schon mal gehört hatte, ohne ein Bild davon zu haben. Sehr anders als Berlin, für das man ja auch viel Zeit braucht, um einen runden Eindruck zu erhalten.
Wie werden Sie die Ergebnisse und diesen großen Erfolg für alle – natürlicherweise alternden Menschen dieser Welt – bei uns im Wedding, Ihrer heutigen Wohn- und Lebenswelt, und in unserer Hauptstadt kommunizieren?
Frau Schilling Einfach mal reden, bei jeder möglichen Gelegenheit, das ist ja unser Motto, über das Erlebte, über das, was international geschieht und worüber hierzulande eher wenig gesprochen wird.
https://de.wikipedia.org/wiki/Elke_Schilling
https://social.un.org/ageing-working-group/fourteenthsession.shtml