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Rattenplage in der Soldiner Straße:
Ein Rattenschwanz an Problemen

23. Juli 2025
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Im Hof der Soldiner Straße 102/103 leben – mindestens gefühlt – genauso viele Ratten wie Menschen. Vor allem für letztere ist das ein Problem. „Letztens gehe ich auf den Balkon, es waren überall Ratten“, erzählt Hamza Aslan (Name geändert), der hier wohnt. „Die kommen bis vor die Tür. Das ist unerträglich“, sagt er.

Im November vergangenen Jahres veranstaltete der Müll Museum Berlin e.V. den Müllgipfel mit allen wichtigen Akteuren, inklusive Bezirksamt und Senatsverwaltung. Seitdem gibt es die „AG Ratten und Getier“, die sich damit beschäftigt, dass Menschen und Ratten sich im Soldiner Kiez zu oft begegnen. Der Befall der Soldiner Straße 102/103 ist ein krasses Beispiel. An manchen Abenden kann man von den Balkonen bis zu 20 Tiere gleichzeitig beobachten. Hamza Aslan hat die großen Rattenlöcher vor seiner Wohnung selbst mit Schlamm aufgefüllt. Keine nachhaltige Lösung, aber besser, als nichts zu tun.

Nicht nur Aslan arbeitet daran: Das Müll Museum hat Mieterinnen und Mieter, die Degewo, das Bezirksamt und das Gesundheitsamt in einem Pilotprojekt zusammengebracht. Finanziert wird das über das Aktionsprogramm „Saubere Stadt“ des Senats. Das Problem muss eingedämmt werden, darin sind sich alle einig. Nur wie?

Seit das Rattenproblem im Hof explodiert ist, trauen sich viele nicht mehr auf den Müllplatz. „Du kannst ein 2-Meter-Typ sein, 130 Kilo schwer, trotzdem hat man jedes Mal Bedenken“, sagt Aslan. Neulich seien ihm beim Müll rausbringen 20 Ratten entgegengekommen. „Aus Angst vor den Ratten schmeißen viele Leute den Müll einfach über die Absperrung“, sagt Aslan. Doch Müll, der auf dem Boden herumliegt, ist für die Ratten besonders attraktiv.

Die Ratten bleiben nicht beim Müll. Sie klettern in Fahrradanhänger und Lastenradkörbe, huschen in den Flur. Im Erdgeschoss trauen sich die Bewohnerinnen und Bewohner nicht, die Fenster zu öffnen. Nachts hört man sie, wenn sie streiten oder im Müll klappern. Man riecht sie.

Neulich tagte die „AG Ratten und Getier“, dabei waren die Degewo und das Bezirksamt. Mieterinnen und Mieter sind besonders mit der Degewo nicht zufrieden, bislang habe sie auf Hinweise nicht reagiert. Dass sie bei der AG-Sitzung vertreten waren, gibt Anwohnern aber Hoffnung auf Besserung.

Im Rahmen der Kampagne „Mitte macht sauber“ soll das Rattenproblem im Hof der Soldiner Straße 102/103 möglichst nachhaltig bekämpft werden. Die Mieterinnen und Mieter haben Vorschläge: mehr Mülltonnen, einen abschließbaren Müllplatz, einen Rückschnitt der Kletterpflanzen, und, nicht zuletzt, eine Umgrabung des Hofes.

Vieles liegt in der Verantwortung der Degewo. Sie ist dafür zuständig, Schädlingsbekämpfer zu beauftragen und weitergehende Maßnahmen zu koordinieren. Ein abschließbarer Müllplatz zum Beispiel wirkt angesichts eines dann notwendigen Austauschs der gesamten Schließanlage zumindest nicht schnell umsetzbar. Eine Umgestaltung samt Umgrabung wäre denkbar, dann muss das Müllproblem aber nachhaltig angegangen werden. Die Mieterinnen und Mieter wären in der Pflicht, den Müll ordnungsgemäß zu entsorgen. Mehr Mülltonnen könnten schneller umgesetzt werden.

Dr. Lukas Murajda ist Leiter des Gesundheitsamts im Bezirksamt Mitte. Während des AG-Treffens erklärte er, dass das Gesundheitsamt die Ratten selbst nicht bekämpfen darf. Dabei habe er die Leute dafür, die, die wüssten, wie es gelingen kann, ohne zum Beispiel stärkeres Gift einzusetzen. Er sagte es nicht explizit, aber er wäre wohl einverstanden, wenn sein Amt mehr Befugnisse bekäme. Damit, so die Hoffnung, könnte die Bekämpfung des stadtweiten Rattenproblems besser koordiniert werden.

Während er erzählt, sieht man hinter ihm zwei Ratten durch den Hof jagen, sie quietschen. Murajda sagt, dass das Rattenproblem in diesem Hof besonders groß sei. Sie kommen nicht nur, um den Müll zu durchforsten, sie wohnen in diesem Hof. Trotzdem sei eine richtige Müllentsorgung unerlässlich, um die Ratten zu reduzieren. Sein Amt könne die von der Degewo beauftragten Schädlingsbekämpfer durch Expertise unterstützen. Immerhin.

Keine Ratten, das wissen auch die Anwohner, sind eine Utopie. Weniger Ratten aber wären möglich. Ein paar Tage nach dem zweiten Treffen der „AG Ratten und Getier“ wird es im Hof laut. Die Schrottfahrräder, die von den Ratten als Schutz genutzt wurden, werden entsorgt. Es tut sich was im Soldiner Kiez.

Gastautor

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7 Comments Schreibe einen Kommentar

  1. Empört euch! Was mich so sehr belastet bei der Frage der Taubenexkremente und Rattenplagen ist, dass niemand darüber nachdenkt, was Lauflernkinder und alte Menschen, die kaum noch beweglich sind, machen können, um sich vor Ansteckung und Ausbreitung zu schützen.
    Dort, wo überhaupt Menschen leben und kleine Kinder, alte Menschen oder auch Bewegungseingeschränkte sind und überhaupt in Zeiten der Pandemie, müsste allgemeine Vernunft walten und das Vorrecht der menschlichen Bewohnerschaften vor Überpopulationen und übermäßige Schädigungen durch Tiere Vorrang haben.
    Offenbar ist dies umsichtige aber tatkräftige beherzte Handeln in den lokalen Verwaltung derzeit auf irgendeine komplizierte Art,
    die man aus den Veraltungsvorschriften heraus erst einmal tiefschürfend eruieren muss, blockiert.

  2. ich bin immer wieder fassungslos, wie untätig die Behördens sind. Wenn jemand die Möglichkeit hat, seuchenverhinderte Maßnahmen gegenüber Eigentümer und Mietern zu ergreifen, dann sind das doch die staatlichen Behörden! Gesetze und Handlungsermächtigungen gibt es doch!
    Manchmal entsteht der Eindruck, dass diese Organisationen - bezahlt von unserm Steuergeld und denen wir kraft unserer demokratisch strukturierten Staatsaufbau die Exekutivgewalt übertragen haben - einfach zu uninteressiert, zu konfliktscheu, vll sogar zu unqualifiziert sind, um hieb- und stichkräftige Verwaltungsakte zu erlassen.
    Gesundheitsgefährdung und Seuchengefahr sind ernsthafte Vorfälle. Es ist ja schön, wenn da mit Arbeitskreisen und ähnlich partizipativen Konzepten gearbeitet wird. Aber solche Situationen sind Gefahr im Verzug und da ist die Zeit für Diskussion sehr begrenzt.
    Das ist schlicht Amtsversagen und -verweigerung. vll. sollte mal über Amtshaftungsverfahren gegenüber den zuständigen Ämtern nachgedacht werden.

  3. In so einem Haus habe ich vor einigen Jahren auch einmal gewohnt. Das war in der Utrechter Straße 34. Da hatte sich ebenfalls das Bezirksamt eingeschaltet, vor allem weil einige steinalte Mieter mit den Ratten in ihrer Wohnung überfordert waren und wirkliche Gesundheits- und sogar Lebensgefahr bestand.
    Der Vermieter hat sehr klare Verpflichtungen! Dafür zahlen die Mieter ihre Miete! Es geht dabei auch um bauliche Mängel, zum Beispiel Sperren in die Abwasserrohre einbauen, Gestänge oder alte Kabel an Hauswänden so entrümpeln, dass Ratten nicht daran hochklettern können, Keller vergittern; die Kammerjäger so lange einsetzen, bis die Lage erträglich wird, Rattengänge und -löcher in den Wänden professionell füllen, mehrmals die Woche für eine penible Reinigung des Müllplatzes sorgen usw.
    In vielen Häusern ist das schon vor Jahrzehnten geschehen; aber in manchen haben die Vermieter 120 Jahre lang nur kassiert. In diesem Fall hatte eine Investgesellschaft einer britischen Steueroase (Isle of Man) für einen der reichsten Männer der Welt (https://de.wikipedia.org/wiki/James_Mellon) dieses Weddinger Mietshaus gekauft, als nach dem Mauerfall die Miete unter 4€/qm lag. Bei 12€/qm hat sie es wieder verkauft…
    Trotzdem wurde die Hausverwaltung dieses Immo-Hais verpflichtet, aus den Mieteinnahmen die schlimmsten Baumängel zu beseitigen und einzelne Wohnungen rattenfest zu machen (Instandsetzung: Dielenbehandlung bei Mieterwechsel).
    Inzwischen ist es besser geworden, wie ich höre. Ich wohne da auch nicht mehr.

  4. Guten Morgen.
    Auch bei uns im Sprengelkiez ist das Ratten-Problem präsent. Im Treppenhaus habe ich es gestern Abend im 1. OG in einer dieser alten Flur-Toiletten (auf den Zwischenebenen im Treppenhaus) quieken gehört, die Tür vorsichtig geöffnet und tatsächlich saß dort eine Ratte. Vermutlich haben die zuletzt heftigen Regenfälle mit steigendem Wasser (??) die arme Ratte durch eine der Fallstrangleitungen nach oben gedrängt.
    Dennoch absolut nicht cool! Mir war bisher nicht bewusst, dass Ratten es durch Rohre bis über das 1. OG schaffen.

  5. Es wundert mich nicht. Ich sehe sehr viel überfüllte Mülltonnen und Abfälle auf den Gehwegen/ Strassen und Innenhöfen. Wenn man das nicht wegmacht, kommen Ratten. Leute werfen Müll auf die Strasse, bzw. lassen Müll auf der Strasse liegen. Selber schuld…

    • Guten Morgen.
      Korrekt!
      Auch bei uns im Innenhof sieht es aus wie auf einer Müllkippe.
      Die Mülltonnen-Situation ist für die hohe Anzahl an Mietparteien (drei Häuser) deutlich unzureichend.
      Wenn ich mir allerdings ansehe, wie die gelben und schwarzen Tonnen befüllt werden, dann ist es a) kein Wunder, dass die Tonnen kurz nach Leerung wieder voll sind und b) dann zweifel ich erheblich an der sozialen Intelligenz meiner Nachbar*innen.

      Und ja, leider erlebe ich, welch enormen Unterschied es macht, ob es im Haus einen Hausmeister gibt oder nicht. DIESE Zustände gab es in dem Haus in dem ich vorher gewohnt habe NICHT ANSATZWEISE. Warum? Dort war/ ist ein sehr engagierter Hausmeister am Werke.

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