Punktgenau um 14:30 Uhr finde ich das art.endart in der Drontheimer Straße 22, parke mein Rad davor und treffe auf viele bunte Bilder im Innenraum und die polnische Projektraumleiterin Lucyna Viale und einen Mitarbeiter. So beginnt eine Kunstführung durch die Ateliers der “Kolonie Wedding”.
Die ausgestellten, sehr abstrakten Bilder sind von einer jungen polnischen Künstlerin namens Justyna Dominika Rybska, die eine Förderung durch den polnischen Sozialrat erhalten hatte. Lucyna erwähnt: wer unter 35 Jahren ist, kann sich eben dort gerne um eine Förderung bewerben. Wie das genau läuft, müsst ihr euch dann bei Interesse von den Expertinnen erklären lassen.
Mittlerweile trudeln auch die anderen Gäste, drei an der Zahl, sowie die “Herumführerin” (ich weiß leider ihren Namen nicht) ein und nach einem kurzen “Bilder auf sich einwirken lassen” tappeln wir los Richtung Zechliner Straße zum Studio Santa Tosta, das erst zum zweiten Mal an der Kolonie Wedding teilnimmt und sich sehr über Besuch freut. Die aus Ecuador stammende Malerin, Daniela Bustamante, ist auch anwesend. figurativ und farbkräftig würde ich ihre Bilder beschreiben. Eigentlich wird das Studio genutzt, um Fliesen mit den kunstvollsten Motiven zu bedrucken. Jede Fliese ist ein Augenschmaus für mich. Die Inhaber, Tim O. Schintlholzer und Cristina Artola, haben vom Studio aus einen guten Ausblick zum Harald-Juhnke-Denkmal, bei dem sich wohl oft gleichgesinnte Fans zum Zuprosten einzufinden scheinen.
Unsere dritte Station ist die TOOLBOX in der Biesentaler Straße. Bekannt dafür, dass sie meist finnische Künstler ausstellt. Mitunter gibt es aber auch Ausnahmen, wie dieses Mal. Seit dem 26. April kann man hier Kunstwerke serbischer Künstlerinnen betrachten. Vorrangig Linolschnitte, Kohlezeichnungen, alles sehr formal, strukturell. Beruhigend nach den vorherigen farbigen Eindrücken.
Unseren letzten Besuch machen wir im Kulturpalast Wedding, in der Freienwalder Straße. Drei der jungen Kunststudenten erwarten uns – nicht im eigentlichen Sinne – gemütlich auf einer Couch sitzend. Es ist eine multimediale, multidisziplinäre Ausstellung – bezugnehmend zum Sachverhalt der Ohnmacht, wie auch der Titel der Ausstellung lautet. Hier sprechen mich vor allen die Installationen an: rotierende Ventilatoren, eingesperrt unter einer Plastikfolie mit dem Werksnamen “Asphyxia (Tod durch Ersticken)” von Jinran Ha. Das ist nicht schön, auch nicht gefällig, aber es vermittelt sich mir direkt. Beklemmend.
Und dann überzeugt mich noch das Arrangement “Ungeplante Obsoleszenz” von Léni Chons, das aus drei am Boden des Raumes verteilten Kaffeemaschinen besteht und beim Näherkommen zu vibrieren beginnt. Die Kaffeemaschine als Symbol, der von der Gesellschaft geforderten, gesteigerten Leistungskraft, erläuert die Künstlerin dazu. Auf Knopfdruck ein Powergetränk. Und nun in überzogener Weise, gehen die Maschinen schon in den Betriebsmodus, wenn man sich ihnen nähert. Doch ohne das gewünschte Lebenselixier zu bereiten. Eine gute Metapher der westlichen Jetztzeit, wie ich finde
Ein paar Infos zu den Kunstrundgängen
Immer am letzten Freitag und Sonntag im Monat gibt es eine Führung zu ausgewählten Projekträumen und Galerien im Soldiner Kiez. An diesen Freitagen finden auch oft die Ausstellungseröffnungen statt. Im Sommer gibt es allerdings eine Pause und zu Weihnachten auch.
Treffpunkt und genau Zeit wird jeweils im Netz und Flyer bekannt gegeben.
In den 1,5 Stunden werden ca. 4–5 Kunstorte besucht. Meist hat man die Möglichkeit mit den Künstlern vor Ort zu sprechen. Die Führungen sind kostenlos.
Vorteil:
- man muss sich keine Gedanken machen, welcher Ausstellungsraum geöffnet hat
- man muss keinen Stadtplan studieren
- es ist ein bisschen wie eine Wundertüte
- man lernt neue Leute kennen
Dennoch würde ich nochmal alleine losziehen, um mir das eine oder andere in Ruhe ansehen zu können.
Autorin/Fotos: Sulamith Sallmann