In der Müllerstraße 150, ehemals Standort einer Bankfiliale, soll im Herbst ein „Haus der Hilfe“ entstehen. In einem Gastbeitrag schreibt der Bezirkspolitiker Taylan Kurt (Bündnis 90/Die Grünen), warum er das berlinweite Modellprojekt am Leopoldplatz so wichtig findet und warum es Probleme lösen könnte.
Probleme am Leo haben massiv zugenommen
Seit geraumer Zeit halten sich auf und rund um den Leopoldplatz vermehrt Obdachlose und Suchtkranke auf, die nicht zu den „bekannten Gesichtern“ aus dem Aufenthaltsbereich hinter der neuen Nazarethkirche gehören, sondern erst seit ein paar Monaten auf dem Leopoldplatz unter freiem Himmel leben. Meist wurden sie vom Kotti und aus dem Gebiet rund um den Görlitzer Park von der Polizei verdrängt und halten sich nun am Leopoldplatz auf. Der Drogenhandel am Leopoldplatz hat in der Folge massiv zugenommen und es finden sich im ganzen Kiez rund um den Leo vermehrt benutzte Spritzen oder benutzte Alufolie in Hauseingängen, auf die das Bezirksamt mit der Aufstellung von Spritzenmülleimern reagiert, mit denen man benutzte Spritzen sicher entsorgen kann, da eingeworfene Spritzen nicht aus diesen heraus entwendet werden können.
Dies reicht aber als Antwort nicht aus, um der Situation vor Ort Herr zu werden. Der Senat schätzt, dass von den zirka 2500 Obdachlosen in Berlin 1600 suchtkrank sind. Hierdurch gestalten sich die Bemühungen, obdachlose Suchtkranke zum Beispiel im betreuten Wohnen unterzubringen äußerst schwierig, da sie sowohl obdachlos, als auch suchtkrank sind und für beide Probleme Hilfe benötigen. Die Trennung zwischen Hilfsangeboten nur für Obdachlose durch die Wohnungslosenhilfe und Suchtkranke nur durch die Suchthilfe im Hilfesystem muss deshalb überwunden werden. Denn das Hilfesystem muss sich dem Menschen anpassen anstatt dass wir darauf warten, dass sich die Betroffenen irgendwann und irgendwie dem Hilfesystem anpassen.
Wohnungslosen- und Suchthilfe unter einem Dach
Um den Suchtkranken und Obdachlosen vom Leopoldplatz zu helfen, müssen wir anerkennen, dass sie Hilfe benötigen, denn kein Mensch wird freiwillig suchtkrank oder obdachlos. Auch ist Verdrängung der falsche Weg, denn die Menschen sind ja da und lösen sich nicht in Luft auf. Unser Vorschlag ist deshalb ein „Haus der Hilfe“. Die Bezirksverordnetenversammlung (das ist das Bezirksparlament von Mitte) hat das Bezirksamt aufgefordert, ein solches Haus der Hilfe im Bezirk zu errichten und hierfür eine geeignete Immobilie zu suchen. In diesem sollen Angebote aus der Wohnungslosenhilfe und der Suchthilfe unter einem Dach vorzufinden sein und miteinander arbeiten, um passgenaue individuelle Hilfen für obdachlose Suchtkranke zu ermöglichen, statt diese wie bisher von einem Hilfsangebot zum anderen Hilfsangebot durch die Stadt zu schicken, weil sie immer nur ein Teilproblem der Betroffenen lösen. Wir wissen, dass Betroffene meist beim zweiten Hilfsangebot gar nicht mehr ankommen. Mit dem Haus der Hilfe sollen Betroffene an die Hand genommen werden und alle Angebote, die sie benötigen, um von der Straße wegzukommen, erhalten. Das Bezirksamt ist nun aufgefordert, hierfür ein geeignetes Konzept zu entwickeln.
Mitte könnte Neuland betreten
Schließlich gibt es Überlegungen seitens des Eigentümers des Gebäudes, das Gebäude um zwei Etagen aufzustocken. Dies wäre sehr begrüßenswert, denn hierdurch könnten Wohnungen geschaffen werden, in welche die Obdachlosen vermittelt und dort durch geschultes Personal betreut werden könnten. Denn Wohnraum ist in Berlin knapp und häufig scheitern Hilfen für Obdachlose daran, dass sie die Menschen zwar im Moment versorgen, aber anschließend zurück auf die Straße schicken. Die Kältehilfe ist hierfür ein Beispiel, in der die Obdachlosen jeden Morgen um 8 Uhr Richtung Straße wieder verlassen müssen. Abschließend gibt es seitens des Bezirksamts Überlegungen im Gebäude auch die Sozialarbeiter*innen des Sozialamts anzusiedeln, um direkt Obdachlose und Suchtkranke im Kiez aufsuchen zu können anstatt darauf zu warten, dass die Betroffenen ihren Weg zu den Hilfsangeboten schon allein finden werden.
Mit dem Haus der Hilfe betreten wir Neuland in Berlin, denn ein solches Angebot, das mehrere Hilfsangebote unter einem Dach vereinigt und miteinander vernetzt, gibt es noch nicht. Ich bin zuversichtlich, dass wir es damit schaffen können, den Obdachlosen und Suchtkranken vom Leopoldplatz nachhaltig zu helfen ihre prekäre Lebenssituation zu überwinden. Lasst uns mutig voran gehen!
Text und Fotos: Taylan Kurt, (Bündnis 90/Die Grünen)
Das Haus der Hilfe ist sicherlich ein Schritt nach vorne, um Menschen zu helfen.
Dennoch müssen hierbei auch andere Faktoren mit berücksichtigt werden, bei denen die betroffenen Menschen nicht nur Hilfe bekommen, sondern tatsächlich auch Aufgaben, damit eine Resozialisierung stattfinden kann.
Seit einigen Jahren gibt es die Tendenz, dass Menschen aus der Substitutionsbehandlung entlang der Müllerstraße massiv drängelnd Passanten anbetteln. Es sind meistens bettelnde deutsche Männer.
Weibliche Passantinnen werden dabei von der Mitte des Gehwegs abgedrängt und die bettelnde Person drängt sich regelrecht auf. Vorbeigehende Männer werden nicht angesprochen.
Die bettelnden Menschen haben teilweise auch Straßenzeitungen im Arm, wollen aber nur einfach Geld haben.
Es ist auch schon mehrfach passiert, dass Frauen aus Eva’s Haltestelle kamen und direkt gebettelt haben.
Was ist der Nutzen von Hilfe, wenn Betteln zum Lebensinhalt geworden ist und durch die aktive Hilfe auch nicht unterbunden wird?
Der Fixpunkt an der Ecke Müller/Seestr. wird oft zum Schauplatz von aggressiven Verhaltensweisen. Bierflaschen werden über die Straße geworfen, und das Café gegenüber wird zum Applikationsraum.
Es ist zu einem Spießrutenlauf geworden, tagsüber zwischen Leopoldplatz und Kaufland einkaufen zu gehen.
Es wäre toll, wenn man diesen Menschen eine echte Aufgabe geben könnte, mit kommunaler Arbeit.
Die Übersetzung von “aus Betteln wird sofort Geld” muss umsozialisiert werden in “aus einer ausgeführten Aufgabe wird Entlohnung”. Eine Straßenzeitung zu verkaufen ist dafür kein Ersatz und hilft auch nicht bei einer Resozialisierung.
Gebt den Menschen eine Aufgabe an der sie wachsen können, anstatt sie immer nur von Hilfsorganisation zu Hilfsorganisation zu schieben. Lasst sie ein Geschäft eröffnen, wo sie angeleitet Waren/Kunstobjekte o.ä. verkaufen können. Die Energie ist doch da, wenn Geld benötigt wird. Es muss ein Sinn im Leben geschaffen werden, um die Bereitschaft der gesellschaftlichen Teilnahme zu stärken.
Marginalisierung wird nicht mit finanzieller Hilfe beendet.