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Die Panke im Wedding:
Ein Fluss voller Geschichte und Geheimnisse

Fast 30 Kilometer windet sich die Panke von den sanften Anhöhen des Barnimplateaus bis zur Umarmung des Weddinger Nordhafens. Zu poetisch? Vielleicht hat unser verkannter Fluss genau das verdient. Ist das überhaupt ein Fluss? Oder eher ein Bach? Jedenfalls ein lebendiges Band. Sie war einst der Stolz und das Herz ihrer Anwohner, dann das übelriechende Stiefkind der Stadt. Heute plätschert sie mit geduldiger Stimme durch den Wedding, als wollte sie Geschichten erzählen, die in ihren Wassern verborgen liegen.

Die Panke: Ein sanfter Strom durch die Ebenen

Viele Berliner halten die Panke heute für einen bloßen Abwasserkanal, ein Relikt der Industriezeit, das kaum noch Leben in sich birgt. Doch wer genauer hinsieht, entdeckt, dass der Fluss noch immer atmet, dass er sich mit leisen Wellen gegen sein Schicksal stemmt und seine eigene Geschichte weiterschreibt.

Die Panke gleitet gemächlich dahin, ihr Spiegelbild gefärbt von den Blättern der Erlen und den sehnsuchtsvollen Blicken derer, die am Ufer rasten. Ein Fluss mit nur einem Meter Gefälle pro Kilometer – kein reißender Strom, sondern eine besonnene Erzählerin. In ihrem sandigen Bett lagert sich organisches Material ab, und wer genau hinsieht, entdeckt in der Strömung das leise Flattern von Wasserpflanzen, die wie Noten in einem vergessenen Lied auf der Wasseroberfläche tanzen.

Vom Mühlenschlag zum Maschinengeheul

Am Oberlauf, in Bernau, war die Panke einst Quelle eines besonderen Genusses: Ihr Wasser wurde zum Brauen von Bier genutzt. In den kühlen Kellern der Stadt reifte das bernsteinfarbene Getränk, während die Panke leise ihre Geschichten durch das Land trug.

Wo heute Vögel im Schilf zwitschern, klapperten einst Mühlenräder und mahlten das Korn zu Mehl für die wachsende Stadt. Die Siedlung "Weddinge", 1251 erstmals urkundlich erwähnt, verdankte ihre Existenz dem geschäftigen Treiben an der Panke. Es gibt sogar die Sage, nach der die Müllerstochter dem dürstenden König Wasser aus einer Quelle am heutigen Luisenbad reichte.

Bald aber wurde der Fluss nicht mehr nur zum Mahlen genutzt, sondern zum Produzieren, zum Gerben, zum Lärmen. In der Luft hing der Geruch von Eisen und Kohle, und in den Wellen der Panke schwammen die Spuren der Industrialisierung: Holzsplitter, Papierfasern, feine Staubschlieren von Metall.

Stinkepanke und Feuerland

Kein sanftes Gewässer mehr, sondern eine dunkle, trübe Ader, die durch die aufstrebende Stadt pulsierte. In den Werkshallen am Ufer wurden Dampflokomotiven geboren, während draußen der schwarze Rauch der Kamine das Licht der Sonne trübte. "Feuerland" nannten die Berliner das Viertel, so feurig und dampfend war die Luft, so geschwängert von der Hitze der Maschinen.

Doch nicht nur Eisen und Stahl hinterließen Spuren. 23 Gerbereien ließen ihre stinkenden Abwässer in die Panke sickern, Leimsiedereien und Knochensiedereien machten das Gewässer zur qualvollen Last für seine Nachbarn. "Stinkepanke" spottete der Volksmund. Doch wer die Stadt wachsen lassen will, muss Opfer bringen – so dachte man zumindest.

Erinnerung an den "Roten Wedding"

Manchmal flüstert der Fluss von einer anderen Zeit, als rund um die Panke die Herzen der Arbeiterbewegung schlugen. Der Wedding war rot, so rot wie die Protestplakate, so rot wie das Blut, das im Mai 1929 floss, als hier bei Straßenkämpfen über 30 meist unbeteiligte Menschen starben. Ein Findling an der Wiesenstraßenbrücke erinnert an diese Tage. Heute scheint das kaum vorstellbar, wenn man auf einer Bank sitzt und den Mandarinenten zusieht, wie sie sich auf dem Wasser treiben lassen.

Die Panke: Ein Fluss im Ungleichgewicht

So sehr sie sich auch bemüht, die Panke ist heute kein unberührtes Naturidyll mehr. Ihr Lauf wurde gezähmt, ihr Flussbett begradigt, ihre Ufer befestigt. Die Hydromorphologie und Hydraulik des Wassers weichen stark von ihrem ursprünglichen Zustand ab – besonders dort, wo das Berliner Misch- und Trennsystem seinen Einfluss geltend macht. Es sind unsichtbare Fesseln, die ihr die Freiheit nehmen.

Für viele mag sie nur ein stilles, manchmal trübes Gewässer sein, doch für die Lebewesen, die einst in ihr ein Zuhause fanden, ist die Panke längst kein sicherer Ort mehr. Fische haben es schwer, sich durch die verbauten Abschnitte zu bewegen – Querbauwerke versperren ihnen den Weg. Es gibt nur wenige Arten von Wasserpflanzen, die wirbellose Fauna verarmt. Die Spuren von Nährstoffen, die unaufhaltsam ins Wasser sickern, lassen das einst lebendige Gewässer verkümmern.

Doch es gibt Hoffnung: Das Gewässerentwicklungskonzept nimmt sich dieser Missstände an. Langfristig soll der ökologische Zustand verbessert, die Lebensräume wiederhergestellt werden. Noch ist die Panke nicht am Ziel, es gibt erst wenige Fischtreppen. Doch vielleicht wird sie eines Tages wieder frei fließen können – nicht nur durch die Stadt, sondern auch durch ein Netz aus Leben und Vielfalt.

Die Panke: Ein Strom der Geschichten

Die Panke ist mehr als ein stilles Gewässer zwischen Backsteinfassaden. Sie ist eine Erzählerin, die ihre Geheimnisse ins Wasser flüstert. Wer genau hinsieht, kann in ihrem sanften Strom die Spiegelbilder der Vergangenheit entdecken: Mühlenräder, Fabrikhallen, Revolutionen und Feste. Und wer ganz genau lauscht, der hört vielleicht noch das Echo eines alten Berliner Liedes:

Janz draußen an der Panke, hab ick mein kleenes Haus. Davor steht eene Banke, da ruh ick abends aus.

1 Comment Schreibe einen Kommentar

  1. Ohne Autor, unterschrieben vom „Wedding Weiser“,
    ‚the best on Panke‘ herausgesucht und zu Ostern neu zusammengestellt. –
    Herzlichen Dank dafür!

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