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Probleme in der Mitte des Wedding:
Ein Fluch auf dem Leopoldplatz

Während der Maxplatz aufblüht, machen viele lieber einen Bogenum den vorderen Leo
10. September 2024
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Die Anzahl der Sucht­kran­ken, die sich Tag für Tag auf dem Leo­pold­platz tref­fen, geht zuse­hends zurück. Im hin­te­ren Bereich ent­wi­ckelt sich der neu gestal­te­te Max­platz zu einem belieb­ten Treff­punkt der Nach­bar­schaft. Auf der ande­ren Sei­te machen vie­le einen Bogen um den “eigent­li­chen” Leo. Ein Fest, das der Bezirk dort im Juli ver­an­stal­te­te, blieb jeden­falls prak­tisch unbe­sucht. Der neue Max­platz dage­gen funktioniert. 

Die Umge­stal­tung, die vom Büro “Pla­nung Frei­raum” der Land­schafts­ar­chi­tek­tin Bar­ba­ra Wille­cke in regem Kon­takt mit der Nach­bar­schaft kon­zi­piert wur­de, ist ein vol­ler Erfolg. “Hier sit­zen inzwi­schen sogar nachts im Som­mer die Leu­te zusam­men und quat­schen”, erzählt Sven Dittrich von der Initia­ti­ve WirAm­Leo, der direkt gegen­über wohnt. Um Ostern hat­te er mit der Initia­ti­ve WirAm­Leo noch Alarm geschla­gen, weil sich ein Teil der Dea­ler-Sze­ne vom vor­de­ren Leo hier­hin zu ver­la­gern droh­te. Sven Dittrich ist dank­bar für die promp­te Reak­ti­on der Poli­zei. “Deren star­ke Prä­senz auf dem Leo­pold­platz begrüßt unse­re Initia­ti­ve sehr. Sie wirkt sich sehr posi­tiv aus. Aller­dings lässt sie sich in die­ser Inten­si­tät wohl nicht dau­er­haft aufrechterhalten.”

Im ver­gan­ge­nen Som­mer war der Leo­pold­platz oft von mehr als hun­dert Sucht­kran­ken gleich­zei­tig bela­gert. Heu­te sieht man auf dem “Auf­ent­halts­be­reich” neben dem Con­tai­ner der Street­wor­ker von “Fix­punkt” meist nur ein bis zwei Dut­zend Per­so­nen. Die­ser Bereich wur­de vor etwa zehn Jah­ren zusam­men mit der loka­len Trin­ker­sze­ne ein­ge­rich­tet, um sie vom beson­ders expo­nier­ten Teil des Leo vor der Alten Naza­reth­kir­che fern­zu­hal­ten. Schwer Sucht­kran­ke aus allem mög­li­chen Län­dern hat­ten die loka­le Sze­ne jedoch mit der Zeit ver­drängt (inzwi­schen zeigt letz­te­re aller­dings wie­der mehr Prä­senz). Vie­le der Sucht­kran­ken kon­su­mie­ren nicht nur Hero­in, son­dern auch Crack. Der Leo­pold­platz hat­te sich zu einem Ber­li­ner Haupt­um­schlag­platz für die­se extrem har­te Dro­ge entwickelt. 

Die stän­di­gen Kon­trol­len der Poli­zei ent­fal­ten ihre Wir­kung nicht nur wegen fest­ge­stell­ter Ver­stö­ße gegen das Betäu­bungs­mit­tel­ge­setz. Oft haben die Kon­trol­lier­ten auch noch ande­re Pro­ble­me mit dem Staat: offe­ne Haft­be­feh­le wegen nicht bezahl­ter Geld­stra­fen zum Bei­spiel oder gericht­li­che Vor­la­dun­gen, denen sie nicht nach­ge­kom­men sind. Auch Abschie­bun­gen spie­len wohl eine Rol­le (mit immer mehr Län­dern der ehe­ma­li­gen Sowjet­uni­on schließt Deutsch­land der­zeit Rücknahmeabkommen). 

Natür­lich ver­la­gert sich der Dro­gen­han­del auch, etwa zum Umfeld des U‑Bahnhofs Oslo­er Stra­ße oder in den Klei­nen Tier­gar­ten. Den­noch: Ein gro­ßer und über­re­gio­nal bekann­ter Umschlag­platz für har­te Dro­gen zieht per­ma­nent neue Kund­schaft an und ent­wi­ckelt mehr destruk­ti­ve Kraft als vie­le klei­ne. Im ver­gan­ge­nen Jahr konn­te man die­se Dyna­mik gut beob­ach­ten: Die Zustän­de zogen den gan­zen Stadt­teil nach unten. 

Leopoldplatz
Foto: Schnell

Die Bän­ke auf unse­rem Foto, die teil­wei­se mit schie­rer Gewalt beschä­digt wor­den waren, kön­nen zwar repa­riert wer­den (der Auf­trag ist bereits aus­ge­schrie­ben). Aber es wird noch eini­ge Zeit brau­chen, bis sich auf dem Leo­pold­platz wie­der ein nor­ma­les Sicher­heits­ge­fühl ein­stellt. Per­ma­nen­te Gewalt­ak­te inner­halb der Dea­ler­sze­ne, vor allem aber die Beschaf­fungs­kri­mi­na­li­tät in der Umge­bung haben den Bereich mit Unsi­cher­heit auf­ge­la­den und das Grund­ver­trau­en dort schwer beschä­digt. Es ist so, als ob ein Fluch auf dem Leo­pold­platz laste. 

Davon konn­te sich Bezirks­bür­ger­meis­te­rin Ste­fa­nie Rem­lin­ger am 21. Juli beim “Gro­ßen Fest der Begeg­nung” des Bezirks­am­tes Mit­te auf dem Platz selbst über­zeu­gen: Trotz gro­ßer Büh­ne und pro­fes­sio­nel­ler Bands kamen nur weni­ge Besu­che­rin­nen und Besu­cher – was kaum ver­wun­der­lich ist ange­sichts der Som­mer­fe­ri­en und der extrem kur­zen Vor­be­rei­tungs­zeit des Fes­tes. Zwar las­sen sich Stadt­teil­fes­te wäh­rend der Urlaubs­zeit auch anders­wo nicht eben mal so aus dem Ärmel schüt­teln. Aber am Leo ist es beson­ders ange­bracht, mög­lichst vie­le Men­schen recht­zei­tig an der Vor­be­rei­tung zu betei­li­gen: aus den Jugend­ein­rich­tun­gen im Umfeld zum Bei­spiel, den Schu­len und der Musik­schu­le, den Sport­ver­ei­nen, Kir­chen­ge­mein­den, Moscheen etc. Denn mit dem vor­de­ren Platz­teil ver­bin­den vie­le Anwoh­ner aktu­ell unschö­ne Ein­drü­cke. Man kommt nicht unbe­dingt gern hier­her und man erzählt sich ent­spre­chend auch nicht, dass man gehört hat, hier fän­de dem­nächst ein gro­ßes Fest statt. 

Text: Chris­tof Schaffelder

Die­ser Arti­kel ist zuerst in der Sanie­rungs­zeit­schrift Ecke Mül­lerstra­ße erschienen. 

Gastautor

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11 Comments Leave a Reply

  1. Viel­leicht könn­te der Leo­pold­platz wie­der (wie vor 15–20 Jah­ren) ein Treff­punkt für die Men­schen aus dem Kiez wer­den, wenn dort wie­der ein Wochen­markt so wie es ihn frü­her gab, statt­fin­den würde.
    Statt gro­ße Lee­re und Stän­de mit Bil­lig­wa­ren: Käse‑, Wurst‑, Fisch- und Gemü­se­stän­de und Imbisswagen.
    Ich fah­re jetzt öfter zum Anton­platz, heu­te auch wie­der und genie­ße die­se Atmoss­pä­re. Ist zwar weit, aber mit der Tram kom­me ich direkt dorthin.

      • Die bei­den Märk­te sind nicht ver­gleich­bar, hier enges bei­ein­an­der von Stän­den, dort Platz zwi­schen den Stän­den und die Mög­lich­keit sich hin­zu­set­zen, in Ruhe Kaf­fee (und lecke­ren Kuchen) zu trin­ken oder etwas zu essen. Auch das Ange­bot ist nicht vergleichbar.

  2. Ich bin sehr skep­tisch gegen Initia­ti­ven, die ande­re Men­schen ver­drän­gen. Nahe­lie­gen­de Fra­ge: Wer ist als nächs­tes dran?
    Gera­de im Wed­ding haben zu allen Zei­ten auch die Armen und Sucht­kran­ken gelebt. Es kommt auf das Mit­ein­an­der an! Vor allem hät­te das Café nicht geschlos­sen wer­den dürfen.

    Zu fei­ern gibt es nichts!

    • Sicher doch, es war immer ein gewis­ses Milieu, was man auch irgend­wie möch­te, akzep­tiert hat und was zum All­tag gehör­te! Aber jetzt ist es eine zuneh­men­de Ver­wahr­lo­sung die­ses Bezirks… Die Mül­lerstras­se war der Ku’­damm des Nor­dens, das ist lan­ge, lan­ge vorbei!

  3. Was mir bei der Bericht­erstat­tung zur Dro­gen­pro­ble­ma­tik, nicht etwa nur der am Leo­pold­platz, zu kurz kommt, ist eine zumin­dest kur­ze Hin­ter­fra­gung der als anstö­ßig emp­fun­den Prot­ago­nis­ten. Es gab zu allen Zei­ten Men­schen, die ihr Dasein nur noch im Rausch ertra­gen konn­ten. Ja, es sind Kran­ke. Die Regel, ihre Kar­rie­re bedingt durch unzu­rei­chen­de Sozia­li­sa­ti­on am fal­schen Ort und in schlech­ter Gesell­schaft. Aber, sie sind eben auch Täter; erst ihre unstill­ba­re Nach­fra­ge hal­ten die durch und durch bru­ta­li­sier­ten Her­stel­ler- und Lie­fer­diens­te am Lau­fen. Schrei­ben sie mal etwas über die Dua­li­tät der Rol­le von Jun­kies. Gäbe es kei­ne Nach­fra­ge, wür­de der Markt mor­gen kol­la­bie­ren. Nicht, daß das sich die Ver­sor­ger fort­an red­li­chen Betä­ti­gungs­fel­dern zuwen­den wür­den, das ist klar.

  4. Was aus mei­ner Stadt Ber­lin gewor­den ist, fra­ge ich mich seit 20 Jah­ren, denn da fing es lang­sam an, schlech­ter zu wer­den! Oslo­er Stra­ße und Leo waren von je her auf­fäl­li­ge Orte, der Schä­fer­see kam spä­ter dazu! Es ist so erbärm­lich, dass die Wed­din­ger Kieze so unter­ge­kom­men sind… Es waren mal tol­le Zeiten!

    • Ja, Sie völ­lig haben Recht. Das Meta­phy­si­sche, das Tran­szen­den­ta­le im Men­schen sucht sich son­der­bar sub­ti­le Aus­we­ge, um sich der Teil­ha­be oder gar dem Mit­tun an uner­wünsch­ten Pro­zes­sen zu ent­zie­hen und das Bewußt­sein vor auf­dring­li­cher Anteil­nah­me am Rea­len zu schüt­zen. Seda­tive wie Euphe­mis­mus oder Lethar­gie sind die Mit­tel der Wahl, sich von befremd­li­cher Wirk­lich­keit fern zu hal­ten, ver­lie­ren aller­dings an Wirk­sam­keit je ein­dring­li­cher sie gefor­dert sind. Ich selbst begrei­fe zuneh­mend, in einem mir fremd gewor­de­nen Stadt­teil, also im Wed­ding, zu leben, in einer Gesell­schaft, der ich mich nicht mehr zuge­hö­rig füh­len kann. In dem mir seit mei­ner Kind­heit bekann­ten hei­mat­li­chen Lebens­raum haben sich aus einst kon­trast­rei­chen Dis­so­nan­zen eines Arbei­ter­re­viers trost­lo­se Ent­frem­dung und der­be Ant­ago­nis­men eines Zuwan­de­rer­ghet­tos geformt. Der Ein­hei­mi­sche sucht ange­strengt nach Kon­ti­nui­tä­ten, die er nicht mehr fin­det. Zuge­zo­ge­nen muß eine der­ar­ti­ge Per­spek­ti­ve fremd blei­ben. Sie suchen nach Aus­we­gen im Kiezidyll.

  5. Ob Leo­pold­platz, Oslo­er Str. oder Schä­fer­see, Ber­lin ver­sinkt immer­mehr im Dreck und Dro­gen­sumpf. Was ist aus mei­ner Stadt gewor­den. Am Schä­fer­see kann man sich nicht mal mehr auf eine Bank set­zen, weil die von Obdach­lo­sen oku­piert wer­den, die dort schla­fen. Die Toi­let­ten unbe­nutz­bar, weil Dro­gen­süch­ti­ge sich dort einen Schuss set­zen. Ich will hier eigent­lich nur noch weg.

    • Am Schä­fer­see kann man sich nicht mehr set­zen, weil am Ufer seit Jah­ren gebaut wird und alles abge­sperrt ist – und nie­mand weiß war­um da gebaut wird!

      Davor war es am Schä­fer­see kein Problem.

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