Martha Ndumbe, Vera Heyer und Fasia Jansen stehen zur Auswahl. Ein Beratungsgremium hat aus 530 eingereichten Vorschlägen drei ausgewählt, aus denen jetzt die Bezirksverordnetenversammlung Mitte den künftigen Namen des Nettelbeckplatzes auswählen soll. Alle drei Vorschläge beziehen sich auf Frauen mit afrikanischen Wurzeln und dunkler Hautfarbe, die in Deutschland lebten und wirkten.
Der alte Namensgeber des Platzes, Joachim Nettelbeck, war im späten 18. Jahrhundert mehrere Jahre lang als hoher Offizier auf einem holländischen Sklavenschiff tätig. Später ließ er sich in der Küstenstadt Kolberg (heute: Kołobrzeg) in Pommern nieder. Während der Belagerung durch die napoleonischen Truppen im Jahr 1807 organisierte Nettelbeck den Widerstand der Bürger, weshalb er später als Held der Befreiungskriege galt. Im Jahr 1884 wurde der Platz am Bahnhof Wedding nach ihm benannt. Im August 2021 regte die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte die Umbenennung an.
Im Frühjahr 2023 war auf der Beteiligungsplattform des Landes Berlin mein.berlin.de eine Onlinebefragung durchgeführt worden, über die auch die lokalen Medien Berlins ausführlich berichteten. Durch die Neubenennung ändern sich keine Wohn- oder Geschäftsadressen – der größte Teil des Platzes zählt postalisch zur Gerichtstraße.
Es ist kein Zufall, dass sämtliche der drei Vorschläge, aus denen die BVV Mitte jetzt auswählen soll, dunkelhäutige deutsche Frauen betreffen. Das entspricht einerseits der Beschlusslage im Bezirk: Straßen und Plätze sollen vorerst nur noch nach Frauen benannt werden. Und andererseits soll die Kolonialgeschichte Deutschlands und Berlins aufgearbeitet werden: An wen wir uns über die Namen unserer Straßen erinnern wollen, bestimmt in einer gewissen Weise die Identität unserer Stadt mit.
In dem Beratungsgremium, das die 530 eingegangenen Vorschläge sichtete, waren denn auch mehrere Vereinigungen vertreten, die sich mit der Kolonialgeschichte Deutschlands intensiv auseinandersetzen, u.a. der Afrika-Rat Berlin-Brandenburg, der Berlin Postkolonial e.V., der NARUD e.V. oder die Initiative Schwarze Menschen. Beteiligt waren aber auch Schulen und Kultureinrichtungen aus der Umgebung, der Weddinger Heimatverein, die Stadtteilkoordination Wedding-Zentrum, das Mitte-Museum und gesamtstädtische Einrichtungen wie die "Kompetenzstelle Dekolonialisierung" des Berliner Stadtmuseums.
Das Beratungsgremium schlug folgende drei Namen vor:
Martha-Ndumbe-Platz
Martha Ndumbe lebte von 1901 bis 1945 und war die Tochter eines aus Kamerun verschleppten Teilnehmers der "Ersten Deutschen Kolonialausstellung" von 1896. In den Wirtschaftskrisen der 1920er und frühen 1930er Jahre war es für schwarze Deutsche schwer, eine normale Erwerbstätigkeit auszuüben. Martha landete im Berliner Scheunenviertel, wo sie der Prostitution nachging. Im November 1943 wurde sie wegen Diebstahls verhaftet und nach Verbüßung der Haft im Juni 1944 als "Asoziale" ins KZ Ravensbrück deportiert, wo sie im Februar 1945 starb. Ein Stolperstein in der Max-Beer-Straße erinnert heute an sie.
Vera-Heyer-Platz
Die Afro-Deutsche Vera Heyer (1946–1995) wuchs in einem Kinderheim bei Frankfurt am Main auf und begann in den 1970er Jahren, die Werke von afrikanischen, exil-afrikanischen und schwarzen Autoren und Autorinnen zu sammeln. Ihre Wohnung in Mainz entwickelte sich zu einer Keimzelle für die Schwarze Community in Deutschland. Nach ihrem frühen Tod wurde ihr großer Buchbestand zum Grundstock der Bibliothek, die der Verein "Each One Teach One" in der Togostraße 76 aufbaute und die nach Vera Heyer benannt ist.
Fasia-Jansen-Platz
Fasia Jansen (1929–1997) war die nichteheliche Tochter eines liberianischen Diplomaten und wuchs im Hamburger Arbeiterviertel Rothenburgsort auf. Von den Nazis wurde sie zur Zwangsarbeit in einer Suppenküche "dienstverpflichtet", die auch das KZ Neuengamme belieferte. Sie erfuhr als Jugendliche die brutale Realität des Naziregimes. In der Nachkriegszeit versuchte sie, diese Erfahrungen in ihrer Musik zu verarbeiten. Sie zog ins Ruhrgebiet und engagierte sich in den politischen Kämpfen der Zeit, etwa bei Ostermärschen oder Streiks. Sie trat bei der Weltfrauenkonferenz der UNO in Nairobi auf und bei vielen Festivals.
Autor: Christof Schaffelder
Dieser Artikel erschien zuerst in der Sanierungszeitschrift "Ecke Müllerstraße"
Was haben die in Vorschlag bebrachten Namenspatronen eigentlich für Verdienste vorzuweisen? Offenbar lediglich ihr Sein sowie ihr Geschlecht.
Jeder der sich nicht daran bereichert hat Menschen zu verschleppen, zu versklaven und Familien auseinander zu reißen ist schonmal ein Fortschritt.
Der Platz war lange genug nach einem Verbrecher benannt. Durch die Namensgebung auf Opfer dieser Zeit aufmerksam zu machen finde ich generell eine gute Sache.
Mein erster Gedanke war, dass die Namen vielleicht – je nach persönlicher Einstellung – leicht zu verunglimpfen sind. Aus dem „Martha-Ndumbe-Platz“ kann leicht der „dumme Platz“ werden. Nicht jeder geht ja bekanntlich respektvoll mit anderen um. Ich selber hatte einen Ortsnamen vorgeschlagen. Da kann man auch schöne Namen finden und vermeidet vielleicht noch nachträglich Diskriminierung.
Ich habe nichts dagegen, sollte es nötig sein, eine Strasse umzubenennen. Müssen es aber immer afrikanische Frauen/ Männer sein, mit komplizierten Namen? Erklären sie die mal am Telefon.
Ausserdem finde ich, dass das zu unserer Geschichte gehört, auch wenn man jetzt nicht mehr findet, dass diejenige Person in einer solchen Art geehrt werden sollte. Man könnte ein kleines Erklärschild am Strassenschild anbringen. Ist ja auch gang
und gäbe bei anderen Strassenschildern.
Von den Kosten der jeweiligen Anwohner mal abgesehen.
Im Fall des Nettelbeckplatzes gibt es gar keine Anwohner.
Ich würde gern eine Beschlusslage sehen, nach der Plätze und Straßen in Zukunft nicht mehr nach Personen sondern nach vornehmlich geographischen Begebenheiten benannt werden dürfen. Dann kann man sich die lästigen Diskussionen irgendwann mal sparen. Dazu wäre dem allgemeinen Sprachgebrauch noch geholfen, wenn man Straßen nur mit Nach- oder Vornamen bennen würde. Das Bindestrichgewitter führt am Ende ja nur zu Wortschöpfungen á la "Kutschi", aber das kann man natürlich auch mögen. Die Moltkebrücke würde aber auch niemand ernsthaft Helmuth-Karl-Bernhard-Graf-von-Moltke-Brücke nennen wollen...
Und die Vorschläge und der Unmut der Bevölkerung werden weiter ignoriert ? Nettelbeck hat sich für die Abschaffung der Sklaverei eingesetzt. Warum kann der Name nicht bleiben ?
Er hat sinngemäß gesagt: "Ja war nicht soo geil dass ich damals Menschen entführt und damit Geld verdient habe und würde ich jetzt nicht nochmal machen aber war ja normal damals."
Ich als Deutscher schäme mich, wenn ich aus der S-Bahn steige und dann über einen Platz muss der nach so einem Kriminellen benannt ist. Warum sollten hier nur die Anwohner besonderes Mitspracherecht haben?