Kaum zu Wort kamen beim Planungscafé zur Zukunft des Karstadt am 1. Dezember die Beschäftigten des Warenhauses. Sie haben aber etwas zu sagen. Und nicht nur wegen der Arbeitsplätze: Wer jahrzehntelang am Leopoldplatz gearbeitet hat, der hat auch eine starke Bindung zum Ort. Ein Interview mit Susanne Urbansky, Jens Redlich und Angela Möbius vom Betriebsrat des Karstadt am Leopoldplatz.
Im August, so verkündete Reiner Müller von der Signa Real Estate beim Planungscafé, endet die Zusage seiner Firma für einen Weiterbetrieb des Warenhauses am Leo. Haben Sie Hoffnung, dass es trotzdem weiter geht?
Der Mietvertrag läuft noch bis Januar 2024. Das ist schon mal ein Punkt. Und wir haben auch Bezirksstadtrat Ephraim Gothe auf der Veranstaltung gehört, der sich für einen Weiterbetrieb einsetzt, denn allein die Planungsphase wird mehrere Jahre dauern. Wenn das Gebäude die ganze Zeit leer steht, kann das am Leopoldplatz mit seiner Drogenszene zu einem riesigen Problem werden.
Der Platz braucht die Belebung, die von uns ausgeht. Und das ist dem Bezirk offenbar klar. Wir sind für viele im Wedding ein stabiler Bezugspunkt. Wir haben Stammgäste, die nahezu täglich kommen. Und wir sind eine sehr engagierte Belegschaft, die schon einige Krisen überstanden hat und die auf den Wedding eingestellt ist. Die kriegt man nie wieder zusammen, wenn man sie einmal aufgelöst hat.
Was ist anders im Wedding als etwa in der Schloßstraße?
Es gibt Kundinnen und Kunden, die muss man – sagen wir mal: direkter ansprechen, damit sie einen ernst nehmen. In Steglitz würde diese Art der Ansprache ziemlichen Ärger verursachen. Man lernt hier mit der Zeit, wen man wie behandeln muss.
Die Galeria Karstadt Kaufhof GmbH hat jetzt zum zweiten Mal in zwei Jahren die Insolvenz beantragt. Ein Drittel der 131 Kaufhäuser im Konzern soll geschlossen werden. Wieso nicht auch dieses hier?
Dieses Haus war früher mal der Karstadt mit dem stärksten Umsatz in ganz Deutschland. Und auch jetzt schreibt es keine roten Zahlen. Der Jahresabschluss 2021 war positiv, trotz der langen Schließzeiten wegen Corona. Man muss zudem auch nicht die volle Verkaufsfläche von 16.000 Quadratmeter ausnutzen, die hier zur Verfügung steht. Wir sind inzwischen eigentlich zu wenige für diese riesige Fläche.
Zu Spitzenzeiten arbeiteten hier in den 1980er Jahren knapp 1000 Leute und im Weihnachtsgeschäft sogar bis zu 1200. Heute sind wir nur noch 85. Zusammen mit den Beschäftigten der Firmen, die hier eingemietet sind wie Go Asia, Futterhaus und Galeria Markthalle im Untergeschoss oder Hugendubel in der Buchabteilung, wären knapp 200 Menschen mit ihren Familien von der Schließung des Hauses betroffen.
In Tegel hat gerade eine neue Karstadt-Filiale eröffnet, mit einer reduzierten Verkaufsfläche. Wäre das eine Lösung?
Das müsste man genauer und im Einzelnen diskutieren. Wichtig wäre es, nicht zu viele Sortimente aufzugeben. Da wurden in der Vergangenheit viele Fehler gemacht. Früher war unser Haus ja auch ein Kompetenzzentrum im Wedding: In der Fahrradabteilung wurde die Gangschaltung eingestellt, auf dem Dach konnte man seinem Auto die Reifen wechseln lassen, es gab eine gut sortierte Elektronikabteilung. Alles weg.
Die Belegschaft wird untertariflich bezahlt. Gleichzeitig sucht man überall Arbeitskräfte, der Bezirk zum Beispiel für die Überwachung der Parkraumbewirtschaftung. Was hält Sie eigentlich noch bei Karstadt?
In den letzten beiden Jahren haben uns tatsächlich etwa 20 % bis 25 % der Belegschaft verlassen. Mit einer kaufmännischen Ausbildung stehen einem in Berlin viele Möglichkeiten offen. Etliche sind zum Beispiel bei der Deutschen Rentenversicherung gelandet und verdienen jetzt deutlich mehr als wir. Aber die meisten wollen nicht im Büro arbeiten, sie haben sich den Beruf ja ausgesucht, weil sie den Kontakt mit Menschen mögen. Außerdem sind wir hier fast schon eine Familie. Man hängt auch an den Kolleginnen und Kollegen.
Das Interview führte Christof Schaffelder. Der Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift Ecke Müllerstraße Ausgabe Dez. 22 / Jan. 23
Es ist sehr schade um das Haus, der Einkäufer hat sich zu sehr um den Geschmack von unseren ausländischen Bürger bemüht. Die letzten Jahre hatte ich den Eindruck , hier wird alles verramscht. Keiner aus der Chefetage hat sich die Mühe gemacht, einfach mal das Personal zu fragen….diese hätten bestimmt den Hinweis gegeben , dass der Einkäufer schon 100 Jahre alt sein muss.
Was hat denn das schon wieder mit den sogenannten “ausländischen” Bürgern zu tun. Auch inländische Kunden stürzen sich auf die Schnäppchen wie auf warme Semmel beim Bäcker.
Bei diesem AFD-haften Getue könnte ich kotzen.
Mittlerweile wurden Prozesse bei fast allen Einzelhändler zentralisiert, um Kosten zu sparen. Natürlich mit der Problematik, das man nicht mehr auf individuelle Wünsche der Kunden eingehen kann.
“Und wir sind eine sehr engagierte Belegschaft, die schon einige Krisen überstanden hat und die auf den Wedding eingestellt ist. ”
Also engagiert ist ja wohl was anderes. Engagiert waren sie nur zu einem Zeitpunkt, als das erste Mal die Schließung bevor stand.
Ansonsten sind sie leider sehr demotiviert und pissig.
Wenn sie damit meint “auf den Wedding eingestellt”, dann absolut.
Ansonsten ein fantastisches Beispiel von Eigen- und Fremdwirkung.
Danke an den Weddingweiser für den Abdruck des Interview aus dem “Ecke Müllerstraße”. Gut, dass die Betriebsräte zu Wort kommen. Und als Anwohner meine nicht nur ich: Es darf nicht sein, dass Karstadt auch nur vorübergehend geschlossen wird. Es würde weitere Verödung am Leopoldplatz bedeuten.
Das Warenhaus ist die Nahversorgung der umliegenden Kieze der Müllerstraße. Es hält den Platz und die Kieze am Leben und macht die Gegend lebenswert. Egal was benötigt wird, erstmal führt der Weg nach Karstadt. Kaufen oder nicht, die Entscheidung läßt sich bei einem Kaffee bei Karstadt. Derweil kann frau/mann sich noch die Schuhe reparieren lassen. Das ist auch nachhaltig,
Viele treffen sich im Restaurant, das auch gleichzeitig Kantine für die Beschäftigten ist. Das großes Interesse am Erhalt besteht, hat schon der Andrang beim Planungscafe im Restaurant gezeigt. So einfach darf es nicht gehen, mal eben formal beteiligen und dann Deckel drauf und danach bestimmt Signa, was passiert.
Bezirksstadtrat Ephraim Gothe muss dagegen halten. Angesicht der anstehenden Wahlen kann frau/man aber überlegen, ob auf ihn wohl Verlass ist. Also wählen gehen und dranbleiben!