„Kein Bild für RIAS“ hat Gerhard Specht ein Kapitel seiner Erinnerungen an die Arbeit beim „Feindsender“ überschrieben. Der Rundfunk im amerikanischen Sektor (RIAS) war für die DDR-Behörden die gefährlichste Rundfunkanstalt, der Erfolg der beiden älteren RIAS-Radiosender war im Osten enorm. Unter Jugendlichen war RIAS 2 vermutlich Leitmedium. Kein Wunder, dass die Verantwortlichen in der DDR dem 1988 in der Voltastraße gestarteten RIAS-Fernsehen (heute: Deutsche Welle) so viele Steine in den Weg legten wie nur möglich. Gerhard Specht beschreibt konkret, wie seine Arbeit mit Hinhaltetaktik behindert wurde. Konsequenz: „Uns mangelte es schlicht an Bewegtbild-Material von jenseits der Mauer.“
“RIAS war kein Propaganda-Radio”
Und hinzu kam die Schere im Kopf, denn man wollte mit den recherchierten Infos nicht dem repressiven DDR-Inlandsgeheimdienst zuarbeiten. Auch im Westen war das RIAS-Fernsehen zumindest unter Journalisten nicht unbedingt beliebt. Ein Ausschnitt aus der Tagesschau vom 22. August 1988 über den Start von RIAS-TV ist auf YouTube verfügbar. Dort ist zu hören: „Ein Sender, der aus der Staatskasse finanziert wird … ein Regierungssender.“ Solchen Einschätzungen widerspricht Gerhard Specht, der als Chef vom Dienst die „Verantwortung für Inhalt und Ablauf der Magazine“ trug. Der Sender war für ihn „ein Propaganda-Radio deswegen noch lange nicht. Aber vielleicht eine Werbung für freien, unabhängigen Journalismus.“
Gerhard Spechts „Zeuge der Wende“ will den „Spirit of RIAS-TV noch einmal aus der Flasche holen und an das Lebensgefühl der 80er/90er-Jahre in Berlin erinnern.“ Es ist also beides: zeitgeschichtliche und persönliche Erinnerung. Wie der Titel verspricht, nimmt ein Großteil des Buches die „Nacht der Nächte“ und das Wendejahr 1989 ein. Es sind die Erinnerungen eines Journalisten. Vorteil daran ist, dass das Buch durchweg anschaulich und konkret – im besten Sinne unterhaltend – geschrieben ist. Gleichzeitig gibt es keine scharfe Trennung zwischen Erinnerung an die Arbeit und Erinnerung an die Ereignisse. Einem Reporter, der Nachrichten herstellt, fließt eben Arbeit und Tagesgeschehen zusammen. Privates über Frau und Kinder lässt Gerhard Specht privates bleiben. „Mein Buch ist – so wie ich es sehe – eine Melange aus Zeit- und Mediengeschichte”, sagt der Verfasser.
Gerhard Specht ist „aus ganzem Herzen Lokaljournalist“, baute in Mannheim als Chef vom Dienst das Privatradio RPR mit auf. Nach der Überführung von RIAS TV in den deutschen Auslandssender Deutsche Welle war er Programmbereichsleiter und stellvertretender Chefredakteur. Hat er eine persönliche Bindung an den Arbeitsort Wedding, den Gerhard Specht bereits aus seiner Studentenzeit an der Freien Universität Berlin kannte? Der Bezirk “riecht nach Basar und Werkshallen, nach Arbeitertradition und Kreativität”, sagt er.
„Zeuge der Wende – Das war mein RIAS-TV“ erscheint im Berliner Omnino-Verlag, Berlin, 256 Seiten, Taschenbuch 15 €, E‑Book 12,99 €. ISBN: 978 395 8941 762
Der Text stammt aus der Weddinger Allgemeinen Zeitung, der gedruckten Zeitung für den Wedding. Geschrieben wurde er von Andrei Schnell. Wir danken dem RAZ-Verlag.
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