Nur wenige Bewohner unseres Stadtteils haben in dieses gut einen Quadratkilometer große Stück Wedding schon einmal einen Fuß gesetzt. Und das, obwohl sich darin sogar ein Freibad und ein Hallenbad befinden. Es handelt sich um die Julius-Leber-Kaserne, die größte Kaserne Berlins, einen militärischen Sicherheitsbereich, von einer Mauer mit Stacheldraht umgeben. Wir bringen ein bisschen Licht ins Dunkle.
Ein historischer Ort für die Luftfahrt
1896 wurde in der schon lange Zeit militärisch genutzten Jungfernheide (dazu gehörte das Gebiet) die weltweit erste Luftwaffeneinheit angesiedelt. 1901 wurde eine Kaserne neben den Hangars gebaut. Diese Gebäudeteile sind direkt am Kurt-Schumacher-Damm Ecke Charles-Corcelle-Ring noch heute gut zu erkennen. 1909 flog erstmals ein Zeppelin über Berlin und landete auf dem Kasernengelände. Die militärische Aufrüstung in der Nazizeit führte dazu, dass das ganze Areal zu einer riesigen Luftwaffenkaserne nach damals modernsten Gesichtspunkten umgebaut wurde. Durch eine Reform der Bezirksgrenzen kam auch das Gelände, nunmehr General-Göring-Kaserne, zum Bezirk Wedding. Heute handelt es sich bei der Kaserne um eine richtige kleine Stadt mit über 100 Gebäuden, gruppiert um ein Stadion, Turnhallen, ein Freibad und ein Hallenbad. Zwischen den ringförmigen Straßen und Unterkunftsgebäuden ließ man viele Bäume stehen, sodass der Eindruck einer Gartenstadt entstand. Alles läuft auf das Regimentsstabsgebäude am Nordostrand zu, wo sich auch das Haupteingangstor befindet.
Die französische Zeit
Ab 1945 lag das Gelände im französischen Sektor. Die französische Armee übernahm die Kaserne 1947 als Hauptquartier und benannte sie um in „Quartier Napoléon“. Den nahen Flugplatz Tegel nutzten die Franzosen auch als Militärflughafen. Doch nicht nur die Luftwaffe, sondern auch Heereseinheiten wie Pioniere waren in der Anlage untergebracht. In dieser Kaserne war auch der Sitz des französischen Stadtkommandanten, der in der noch immer repräsentativ wirkenden Villa am Kurt-Schumacher-Damm residierte. Direkt daneben befindet sich die katholische Kirche (1952−53), die in die Kasernenmauer intregriert wurde und nur zur Innenseite Fenster besitzt. Auch ein Kulturhaus mit Kino und Hotel entstand in dieser Zeit (1955−56). Noch immer verweist der Schriftzug „L’aiglon“ (junger Adler, Spitzname von Napoléon II.) auf diese Nutzung. Untypisch für eine Kaserne ist die verglaste Front am Foyer; die Architektur strahlt die Eleganz der 1950er-Jahre aus. Seit dem Abzug der Franzosen 1994 ist das Kino leider nicht mehr in Benutzung.
Und heute?
Danach übernahm die Bundeswehr die Kaserne und brachte dort das Wachbataillon, eine Feldjägereinheit und eine Kommandozentrale unter. Auch das Gästehaus des Verteidigungsministeriums befindet sich auf dem Kasernengelände und somit im Wedding. 1995 wurde die Kaserne an dessen 50. Todestag nach dem von den Nazis hingerichteten SPD-Politiker Julius Leber benannt. Fun fact am Rande: Sollte aus irgendeinem Grund das Regierungszentrum nicht mehr genutzt werden können: In der Weddinger Kaserne befindet sich der offizielle Ausweichdienstsitz des Bundeskanzlers.
Das unbekannteste Stück Wedding, eine terra incognita, die am wenigsten zugänglich ist, kann der interessierte Weddinger leider nur einmal im Jahr betreten. Und zwar zum Tag der Offenen Tür, der immer im Sommer stattfindet.
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