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Bewegte Geschichte:
Die Julius-Leber-Kaserne, terra incognita.

Kaum jemand war schon mal drin.
22. Dezember 2018
Julius-Leber-Kaserne

Nur weni­ge Bewoh­ner unse­res Stadt­teils haben in die­ses gut einen Qua­drat­ki­lo­me­ter gro­ße Stück Wed­ding schon ein­mal einen Fuß gesetzt. Und das, obwohl sich dar­in sogar ein Frei­bad und ein Hal­len­bad befin­den. Es han­delt sich um die Juli­us-Leber-Kaser­ne, die größ­te Kaser­ne Ber­lins, einen mili­tä­ri­schen Sicher­heits­be­reich, von einer Mau­er mit Sta­chel­draht umge­ben. Wir brin­gen ein biss­chen Licht ins Dunkle. 

Ein historischer Ort für die Luftfahrt

Die ältes­ten Gebäu­de von 1901

1896 wur­de in der schon lan­ge Zeit mili­tä­risch genutz­ten Jung­fern­hei­de (dazu gehör­te das Gebiet) die welt­weit ers­te Luft­waf­fen­ein­heit ange­sie­delt. 1901 wur­de eine Kaser­ne neben den Han­gars gebaut. Die­se Gebäu­de­tei­le sind direkt am Kurt-Schu­ma­cher-Damm Ecke Charles-Cor­cel­le-Ring noch heu­te gut zu erken­nen. 1909 flog erst­mals ein Zep­pe­lin über Ber­lin und lan­de­te auf dem Kaser­nen­ge­län­de. Die mili­tä­ri­sche Auf­rüs­tung in der Nazi­zeit führ­te dazu, dass das gan­ze Are­al zu einer rie­si­gen Luft­waf­fen­ka­ser­ne nach damals moderns­ten Gesichts­punk­ten umge­baut wur­de. Durch eine Reform der Bezirks­gren­zen kam auch das Gelän­de, nun­mehr Gene­ral-Göring-Kaser­ne, zum Bezirk Wed­ding. Heu­te han­delt es sich bei der Kaser­ne um eine rich­ti­ge klei­ne Stadt mit über 100 Gebäu­den, grup­piert um ein Sta­di­on, Turn­hal­len, ein Frei­bad und ein Hal­len­bad. Zwi­schen den ring­för­mi­gen Stra­ßen und Unter­kunfts­ge­bäu­den ließ man vie­le Bäu­me ste­hen, sodass der Ein­druck einer Gar­ten­stadt ent­stand. Alles läuft auf das Regi­ments­stabs­ge­bäu­de am Nord­ost­rand zu, wo sich auch das Haupt­ein­gangs­tor befindet.

Die französische Zeit

Das Haupt­tor am Kurt-Schu­ma­cher-Damm aus den 1930er-Jahren

Ab 1945 lag das Gelän­de im fran­zö­si­schen Sek­tor. Die fran­zö­si­sche Armee über­nahm die Kaser­ne 1947 als Haupt­quar­tier und benann­te sie um in „Quar­tier Napo­lé­on“. Den nahen Flug­platz Tegel nutz­ten die Fran­zo­sen auch als Mili­tär­flug­ha­fen. Doch nicht nur die Luft­waf­fe, son­dern auch Hee­res­ein­hei­ten wie Pio­nie­re waren in der Anla­ge unter­ge­bracht. In die­ser Kaser­ne war auch der Sitz des fran­zö­si­schen Stadt­kom­man­dan­ten, der in der noch immer reprä­sen­ta­tiv wir­ken­den Vil­la am Kurt-Schu­ma­cher-Damm resi­dier­te. Direkt dane­ben befin­det sich die katho­li­sche Kir­che (1952−53), die in die Kaser­nen­mau­er int­re­griert wur­de und nur zur Innen­sei­te Fens­ter besitzt. Auch ein Kul­tur­haus mit Kino und Hotel ent­stand in die­ser Zeit (1955−56). Noch immer ver­weist der Schrift­zug „L’ai­glon“ (jun­ger Adler, Spitz­na­me von Napo­lé­on II.) auf die­se Nut­zung. Unty­pisch für eine Kaser­ne ist die ver­glas­te Front am Foy­er; die Archi­tek­tur strahlt die Ele­ganz der 1950er-Jah­re aus. Seit dem Abzug der Fran­zo­sen 1994 ist das Kino lei­der nicht mehr in Benutzung.

Und heute?

Danach über­nahm die Bun­des­wehr die Kaser­ne und brach­te dort das Wach­ba­tail­lon, eine Feld­jä­ger­ein­heit und eine Kom­man­do­zen­tra­le unter.  Auch das Gäs­te­haus des Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums befin­det sich auf dem Kaser­nen­ge­län­de und somit im Wed­ding. 1995 wur­de die Kaser­ne an des­sen 50. Todes­tag nach dem von den Nazis hin­ge­rich­te­ten SPD-Poli­ti­ker Juli­us Leber benannt. Fun fact am Ran­de: Soll­te aus irgend­ei­nem Grund das Regie­rungs­zen­trum nicht mehr genutzt wer­den kön­nen: In der Wed­din­ger Kaser­ne befin­det sich der offi­zi­el­le Aus­weich­dienst­sitz des Bundeskanzlers.

Das unbe­kann­tes­te Stück Wed­ding, eine ter­ra inco­gni­ta, die am wenigs­ten zugäng­lich ist, kann der inter­es­sier­te Wed­din­ger lei­der nur ein­mal im Jahr betre­ten. Und zwar zum Tag der Offe­nen Tür, der immer im Som­mer stattfindet.

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Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

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