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Wedding-Bücher solange es geht

30. August 2023
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Vie­le Ver­la­ge gibt es in unse­rer Stadt, aber kei­ner ist so wie der Ver­lag Wal­ter Frey auf Publi­ka­tio­nen über den Wed­ding spe­zia­li­siert. Den Ver­lag mit dem ursprüng­li­chen Schwer­punkt Spa­ni­en und Por­tu­gal gibt es seit 1986; in ihm erschien auch die Zeit­schrift Tran­vía – Revue der Ibe­ri­schen Halb­in­sel. Seit 2017 gibt es die Buch­rei­he „Wed­ding-Bücher“. Unse­re Autorin Rena­te Straet­ling führ­te ein Gespräch mit Wal­ter Frey, dem Grün­der und Inha­ber des Verlags.

Wal­ter Frey mit sei­nen Büchern an einem Stand beim Wed­ding­markt. Foto: Rena­te Straetling

Herr Frey, wie kam es zur Grün­dung des Ver­lags und die­sem Schwer­punkt?
Wal­ter Frey: Die edi­ti­on tran­vía und auch die Zeit­schrift waren mei­ne Idee. Zu der Grün­dung zusam­men mit einem Stu­di­en­freund kam es, weil ich schon zuvor in zwei klei­nen Ver­la­gen gear­bei­tet hat­te und auch in Set­ze­rei­en und Dru­cke­rei­en, zum Bei­spiel bei der dama­li­gen links-alter­na­ti­ven Dru­cke­rei „Okto­ber­druck“ in Kreuz­berg. Damit hat­te ich einen gewis­sen Ein­blick in die­se Bran­chen. Außer­dem habe ich spä­ter, ab Mit­te der 1980er Jah­re, par­al­lel zur Anfangs­pha­se mei­ner Ver­lags­tä­tig­keit eini­ge Jah­re in der Anzei­gen­ab­tei­lung der taz gearbeitet.

Was war die Initi­al­zün­dung für die­ses Vor­ha­ben?
Wal­ter Frey: Wäh­rend mei­nes Stu­di­ums war ich für zwei Semes­ter in Bar­ce­lo­na, was für die Spe­zia­li­sie­rung auf Spa­ni­en und Por­tu­gal aus­schlag­ge­bend war. Dort stieß ich an einem Bücher­tisch auf den Ram­blas, dem berühm­ten Fla­nier­bou­le­vard, auf ein Buch über die Anfangs­pha­se des Spa­ni­schen Bür­ger­kriegs 1936. Der Autor war der jüdi­sche Ber­li­ner Jour­na­list Hanns-Erich Kamin­ski, der 1933 nach Frank­reich emi­grie­ren muss­te. Das Buch war 1937 in Paris auf Fran­zö­sisch erschie­nen, und wir haben es erst­mals ins Deut­sche über­setzt. Das war die aller­ers­te Buch­ver­öf­fent­li­chung der edi­ti­on tran­vía, im Früh­jahr 1986.

Wie hän­gen die Wed­ding-Bücher und die edi­ti­on tran­via zusam­men? Sind es eigen­stän­di­ge Ver­la­ge?
Wal­ter Frey: Nein, es ist ein Ver­lag – der “Ver­lag Wal­ter Frey” – mit zwei Berei­chen, die jeweils unter einem eige­nen “Label” fir­mie­ren. Der Zusam­men­hang stellt sich über mich her.

Wie vie­le Publi­ka­tio­nen gibt es bis­her ins­ge­samt?
Wal­ter Frey: Bis­her sind in mei­nem Ver­lag ins­ge­samt gut 230 Bücher erschie­nen sowie in den Jah­ren 1986 bis 2003 70 Aus­ga­ben der Vier­tel­jah­res­zeit­schrift Tran­vía.

Wal­ter Frey beim Inter­view. Foto: Rena­te Straetling

Wie gewin­nen Sie die Autor:innen?
Wal­ter Frey: Autor:innen kom­men ent­we­der von sich aus auf mich zu oder ich spre­che wel­che an, wenn ich glau­be, dass der eine oder die ande­re ein Buch­pro­jekt, das mir inter­es­sant und wich­tig erscheint, rea­li­sie­ren könnte.

Wie legen Sie das the­ma­ti­sche und wie das poli­ti­sche Spek­trum fest?
Wal­ter Frey: Die Bücher in der edi­ti­on tran­vía gehö­ren zu ver­schie­de­nen Gen­res, von Bel­le­tris­tik über Sach­buch bis Wis­sen­schaft. Mit den Bel­le­tris­tik-Titeln – alle­samt Über­set­zun­gen aus dem Por­tu­gie­si­schen und Spa­ni­schen – habe ich jedoch nicht wei­ter­ge­macht, es war zu auf­wen­dig. In den letz­ten Jah­ren hat sich der Schwer­punkt der edi­ti­on tran­vía auf wis­sen­schaft­li­che Ver­öf­fent­li­chun­gen ver­la­gert, das heißt haupt­säch­lich Kul­tur- und Lite­ra­tur­wis­sen­schaft sowie Sozialwissenschaften.

Mein Ver­lags­pro­gramm hat – alles in allem betrach­tet – eine pro­gres­siv-lin­ke Aus­rich­tung, ohne Dog­ma­tis­mus und ohne dass dies auf jede ein­zel­ne Buch­ver­öf­fent­li­chung zuträfe.

War­um ver­le­gen Sie poli­ti­sche Bücher zum Wed­ding?
Wal­ter Frey: Ich war von 2011 bis 2018 Mit­glied der Stadt­teil­ver­tre­tung Mül­lerstra­ße und auch eine Zeit­lang deren Spre­cher. In die­ser Zeit habe ich mich unter ande­rem für eine ange­mes­se­ne Wür­di­gung der bei­den Wed­din­ger Wider­stands­kämp­fer gegen das Nazi-Regime Eli­se und Otto Ham­pel enga­giert und mich dabei auch ein­ge­hen­der mit der Wed­din­ger Zeit­ge­schich­te befasst. Dar­aus ergab sich schließ­lich die Idee, die Buch­rei­he „Wed­ding-Bücher“ herauszugeben.

Aller­dings gehör­ten zeit­ge­schicht­li­che The­men bereits wäh­rend mei­nes Stu­di­ums der Poli­tik­wis­sen­schaft an der FU Ber­lin zu mei­nen Inter­es­sen­schwer­punk­ten. Und so war es auch kein Zufall, dass das ers­te Buch, das 1986 in der edi­ti­on tran­vía erschien, die bereits erwähn­te Repor­ta­ge aus dem Spa­ni­schen Bür­ger­krieg von Hanns-Erich Kamin­ski war.

Herr Frey, wel­chen Wed­ding­be­zug haben Sie selbst?
Wal­ter Frey: 1970, nach mei­ner Berufs­aus­bil­dung zum Indus­trie­kauf­mann, bin ich als jun­ger Arbeit­neh­mer nach Ber­lin gekom­men und zufäl­lig im Wed­ding gelan­det. Ich wohn­te in der Nähe des Loui­se-Schrö­der-Plat­zes. Damals war ich auch für kur­ze Zeit Mit­glied der SPD und etwas spä­ter in einer trotz­kis­ti­schen Orga­ni­sa­ti­on enga­giert. Nach ein paar Jah­ren im Wed­ding absol­vier­te ich „eine Run­de“ durch West­ber­lin: Kreuz­berg, Schö­ne­berg, Wilmersdorf.

Als ich Anfang der 1980er Jah­re in Schö­ne­berg leb­te, war ich fast drei Jah­re lang Haus­be­set­zer in der Bülow­stra­ße. Durch die Beset­zung konn­te unse­re etwa 50-köp­fi­ge Besetzer:innengruppe den Abriss des Gebäu­des ver­hin­dern. Heu­te leben in dem Haus um die 60 Bewohner:innen in einem selbst­ver­wal­te­ten Haus­pro­jekt. Seit gut zwölf Jah­ren lebe ich nun wie­der im Wedding.

Wel­che The­men­wün­sche haben Sie, die noch offen geblie­ben sind?
Wal­ter Frey: Ich den­ke, eine zusam­men­hän­gen­de Dar­stel­lung der Geschich­te der Zuwan­de­rung von Arbeitsmigrant:innen in den Wed­ding wäre ein inter­es­san­tes und wich­ti­ges Pro­jekt. Ansons­ten: In der Rei­he „Wed­ding-Bücher“ erscheint noch die­ses Jahr eine Neu­auf­la­ge der Georg-Ben­ja­min-Bio­gra­fie von Bernd-Peter Lan­ge. Und im kom­men­den Früh­jahr dann mit Band 10 das nächs­te Wed­ding-Buch, das bereits in Arbeit ist. Auch dabei geht es wie­der um die Zeit­ge­schich­te – mehr möch­te ich noch nicht ver­ra­ten. Und bei die­ser Schwer­punkt­set­zung auf die Zeit­ge­schich­te möch­te ich, was die „Wed­ding-Bücher“ angeht, auch vor­erst bleiben.

Herr Frey, darf man fra­gen, wie Sie in den kom­men­den Jah­ren mit dem Ver­lag wei­ter­ver­fah­ren möch­ten? Haben Sie Über­ga­be­plä­ne?
Wal­ter Frey: Ich will die­se Tätig­keit aus­üben, so lan­ge mir das mög­lich ist. Es gibt ja kei­ne vor­ge­schrie­be­ne Alters­gren­ze hier­für. Außer­dem ist die­se Tätig­keit aus­ge­spro­chen inter­es­sant und abwechs­lungs­reich. Natür­lich tritt man auch ein biss­chen kür­zer: vor 12, 15 Jah­ren habe ich noch zir­ka zehn Bücher pro Jahr ver­legt, inzwi­schen ist es etwa die Hälfte. 

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Gespräch, Text und Fotos: Rena­te Straetling

Renate Straetling

Jg 1955, aufgewachsen in Hessen; ab 1973 Studium an der FU Berlin, Sozialforschung, Projekte und Publikationen.
Selfpublisherin seit 2011
www.renatestraetling.wordpress.com
Im Wedding seit 2007.
Mein Wedding-Motto:
Unser Wedding: ein großes lebendiges Wimmelbild ernsthafter Menschen!

1 Comment Schreibe einen Kommentar

  1. Sehr geehr­ter, lie­ber Wal­ter Frey
    ich wün­sche Ihnen wei­ter­hin BESTES, also auch das Nicht-aufhören-wollen.
    Mitt­ler­wei­le bin ich selbst Alters­rent­ner und fin­de die statt­fin­den­de Auf­ar­bei­tung bzw. Her­aus­stel­lung kiez­spe­zi­fi­scher Geschich­te äußerst berei­chernd, dockt an Syn­ap­sen an. Zeit­zeu­gen-Berich­te/­Bio­gra­fi­sches (auch Feuil­le­ton-Samm­lung, themen‑, orts­be­zo­gen) macht sie inter­es­sant, iden­ti­fi­zier­bar; denn nichts ist aus dem Nichts ent­stan­den in unse­rer Lebensumgebung.
    „Geschich­te der Zuwan­de­rung von Arbeits­mi­gran­ten in den Wed­ding“ gehört unbe­dingt dazu. Weil als Kol­le­ge neben uns dies eben­so zum Arbeits­all­tag, zu unse­rer Arbeits­kul­tur gehör­te. Hier ver­mis­se ich unbe­dingt (Alters-)Reflexionen Arbeits­mi­grier­ter! Lei­der trifft man in Begeg­nungs­stät­ten nicht auf­ein­an­der, scha­de. Als gäbe es nur deut­sche Senioren.
    https://domid.org/ebook-das-gedaechtnis-der-migrationsgesellschaft/

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