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Der Westhafen: wo Berlin versorgt wird

12. Mai 2015
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Wo Schie­nen­strän­ge und eine Auto­bahn die Stadt zer­schnei­den und Indus­trie- oder Kraft­werks­ge­bäu­de den frei­en Blick über das Gelän­de behin­dern, über­ragt ein rot­brau­ner 52 Meter hoher Turm die gewerb­lich gepräg­te Stadt­land­schaft. Hier, zwi­schen dem Wed­ding und der “Insel” Moa­bit, krönt er das back­stein­ver­klei­de­te Ver­wal­tungs­ge­bäu­de des West­ha­fens – ein für die Ent­wick­lung und die Ver­sor­gung der Stadt bedeu­ten­der Warenumschlagplatz.

Eine Stadt, zwei Häfen

“Ber­lin wur­de aus dem Kahn gebaut” – so heißt es. Zahl­rei­che Zie­ge­lei­en, wie die im Muse­ums­park Mil­den­berg bei Zeh­de­nick, ver­füg­ten über einen Werks­ha­fen oder wenigs­tens eine Spund­wand an Kanä­len und Flüs­sen. Jahr­hun­der­te­lang wur­de fast die gesam­te Zie­gel­pro­duk­ti­on per Schiff ver­sandt und an vie­len klei­nen Umschlag­plät­zen (wie dem Urban­ha­fen oder dem Nord­ha­fen) in Ber­lin ent­la­den.  1895 schlug der Stadt­bau­rat James Hob­recht vor, sowohl im Osten als auch im Wes­ten der schnell wach­sen­den Stadt je einen gro­ßen Hafen anzu­le­gen. 1913 wur­de als Ers­tes der Ost­ha­fen an der Stra­lau­er Allee fer­tig­ge­stellt (inzwi­schen nicht mehr als Hafen genutzt).

Nach­dem die Stadt Ber­lin das Gelän­de auf dem Gebiet des Guts­be­zirks Plöt­zen­see (bis 1915 außer­halb der Stadt­gren­zen) gekauft hat­te, konn­te 1914 mit dem Bau des West­ha­fens begon­nen wer­den. Durch den Krieg dau­er­te es mit der Fer­tig­stel­lung bis 1923. Im glei­chen Jahr wur­de auch die Betrei­ber­ge­sell­schaft BEHALA gegrün­det, die heu­te voll­stän­dig im Besitz des Lan­des Ber­lin ist. Auch nach 1923 wur­de der Hafen immer wei­ter ver­grö­ßert, so dass er mit 430 000 m²  zum zeit­wei­se zweit­größ­ten Bin­nen­ha­fen Deutsch­lands avan­cier­te. Die Anbin­dung an das über­re­gio­na­le Was­ser­stra­ßen­netz ist dank des Ber­lin-Span­dau­er Schiffahrtskanals/Hohenzollernkanals (in Rich­tung Havel/Oder/Elbe und Ober­spree) sowie des West­ha­fen­ka­nals (in Rich­tung Unter­spree) hervorragend.

Versorgung aus der Reserve

Beein­dru­ckend sind die neben den auf Schie­nen befes­tig­ten Krä­nen auch die ein­heit­lich mit dunk­len Zie­geln gestal­te­ten Lager- und Spei­cher­ge­bäu­de (Archi­tek­ten: Richard Wolf­fen­stein und Wil­helm Cremer). Vor allem das impo­san­te Ver­wal­tungs­ge­bäu­de, der Zoll­spei­cher und der Getrei­de­spei­cher, der eben­falls einen Turm besitzt, domi­nie­ren das Umfeld der bei­den Hafen­be­cken. In letz­te­rem Gebäu­de befand sich bis zur Wie­der­ver­ei­ni­gung eine der vie­len Lager­stät­ten für die soge­nann­te “Senats­re­ser­ve”. Die­se gesetz­lich gere­gel­te Vor­rats­hal­tung soll­te im Fal­le einer erneu­ten Ber­lin-Blo­cka­de die Ver­sor­gung der Zwei-Mil­lio­nen-Stadt West-Ber­lin für ein hal­bes Jahr gewähr­leis­ten.  Heu­te wird der Spei­cher vor allem als Zei­tungs­ar­chiv, Gehei­mes Staats­ar­chiv und als Kin­der- und Jugend­buch­ab­tei­lung der Staats­bi­blio­thek genutzt.

Fords T‑Modell vom Westhafen

Kaum bekannt ist heu­te noch, dass der ame­ri­ka­ni­sche Auto­pio­nier Ford von 1926 bis 1931 sein berühm­tes T‑Modell „Tin Liz­zy“ im West­ha­fen¹ mon­tie­ren ließ. Die Tei­le dafür wur­den eigens aus Ame­ri­ka ange­lie­fert. Übri­gens ist der West­ha­fen von Anfang an dank der Ring­bahn gut ans Eisen­bahn­netz ange­bun­den gewe­sen. Ab 1961 kam noch die U‑Bahn (Linie 9) hin­zu, aller­dings zunächst unter dem Namen Put­litz­stra­ße. Nach dem wesent­lich bedeu­ten­de­ren West­ha­fen, zu dem ein U‑Bahn-Aus­gang unmit­tel­bar führt, wur­de die Sta­ti­on erst 1992 benannt.

2001 wur­de ein Con­tai­ner­ter­mi­nal eröff­net, das sowohl dem Schiffs- als auch dem Bahn­ver­kehr dient. Dadurch ist der West­ha­fen bezo­gen auf die hier mit­ein­an­der ver­netz­ten Ver­kehrs­we­ge Was­ser, Schie­ne und Stra­ße das wich­tigs­te Logis­tik­zen­trum Ber­lins. Was die Wei­ter­ver­tei­lung der im West­ha­fen ange­lie­fer­ten Waren angeht, spielt aber auch der Ber­li­ner Groß­markt in unmit­tel­ba­rer Nähe an der Beus­sel­stra­ße eine gro­ße Rol­le. Aller­dings fin­det an Ber­lins Koh­le­kraft­wer­ken ein noch höhe­rer Güter­um­schlag statt².

Aber: Trotz der beein­dru­cken­den Flä­che des West­ha­fens fällt es schwer, hier so etwas wie ech­te Hafen­at­mo­sphä­re zu schnup­pern. Denn mit dem Bin­nen­ha­fen Duis­burg oder einem See­ha­fen wie Ham­burg lässt sich Ber­lins wich­tigs­ter Anle­ge­platz für Fracht­schif­fe eben doch nicht vergleichen.

¹ http://www.spiegel.de/einestages/kalenderblatt‑2–10-1930-a-948102.html

² http://www.schiffshebewerkndf.de/presse/pdf/Berlin_am_Wasser.pdf

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

2 Comments Leave a Reply

  1. es war nicht so gut 😦 weil man ja noch viel mehr schrei­ben könn­te über die lieferrung,lieferzeiten und von wo das meis­te kommt scha­de eigentlich 

    gabri­el

  2. […] es wie­der ein „Nord­ufer“. Auf der ande­ren Kanal­sei­te erstre­cken sich Tanks und Lager­häu­ser des West­ha­fens und deu­ten an, dass die Groß­stadt ganz nah […]

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