Kurt Mühlenhaupt (1921 – 2006), der Mann mit dem schwarzen Hut, und später auch der Mann mit dem roten Hut, der Mann mit dem Leierkasten, der Kartoffelschalen-Bimmler, eben der Mann, der als Berliner Milieu-Maler bekannt wurde. Oft wurde er mit „Pinselheinrich“ (Heinrich Zille) und Otto Nagel verglichen. Auch im Wedding hat er ungewöhnliche Bilder hinterlassen.
Im Jahr 1972 wurden auf Initiative von Aldona Gustas (geb. 1932) die Berliner Malerpoeten gegründet, eine Gemeinschaft von 14 Berlin verbundenen Künstlern, die zudem unter dem Namen Kreuzberger Bohème bekannt wurden. Es handelt sich um originelle teils skurrile Künstler, die durch die besonderen Westberliner („Mauerstadt“) Verhältnisse miteinander verbunden waren.
Kurt Mühlenhaupt hinterließ etwa 3000 Gemälde.
Sein Leben war voller Wechselfälle des Lebens: Im Detail nachlesen sollte man es auf der Webseite des Mühlenhaupt-Museums oder in anderen Quellen. Auf der Webseite erzählt Katharina Thalbach einige Etappen seines Lebens in frei zugänglichen Audiodateien.
Er war Multi-Künstler und malte nicht die Westberliner Schaufensterseite, sondern die kleinen Leute in ihrem Kreuzberger Alltag, seinem lange Zeit eigenen Lebens- und Schaffensmittelpunkt am beliebten Chamissoplatz unterhalb des Tempelhofer Feldes.
Ende der 1950er Jahre zog er von Ostberlin nach Kreuzberg und gründete dort den ersten Trödelladen überhaupt. Weiterhin im Jahr 1961 das beliebte Kreuzberger Lokal „Leierkasten“ und später im Jahr 1970 sein erstes eigenes Atelier am Chamissoplatz 8.
Seine Biografie, die so viele Bände wie Buchstaben seines Namens haben sollte, vollbrachte er bis zum zehnten Band, der Band X zum Buchstaben P, der die Reisen zwischen 1970 und bis 1989 enthält.
Im Jahr 1981 lernte Kurt Mühlenhaupt seine Ehefrau und heutige Witwe Hannelore kennen, und sie heirateten im Jahr 1995. Beide hatten im Jahr 1990 einen Gutshof in Bergsdorf etwa 70 km nördlich von Berlin erworben und diesen ausgebaut zu Atelier, Kulturort und das Herrenhaus zu ihrem Wohnsitz.
Ich führte Anfang September 2022 ein lockeres Gespräch mit Hannelore Mühlenhaupt über dessen Wirken im Berliner Wedding.
Was verband Kurt Mühlenhaupt mit dem Wedding?
Er wirkte damals ab den 1960ern als Maler vor allem in Kreuzberg rund um den Chamissoplatz, aber auch in den ähnlichen Milieus der Stadtteile wie Moabit und Wedding. Sein Anspruch an sich selbst war es, Maler der Liebe zu sein, die Menschen, die er malte, mit Herzenswärme darzustellen und diese kleinen Leute in ihrem Milieu mit Humor zu zeigen.
Woher kannte Kurt Mühlenhaupt den Stadtteil Wedding und dessen Milieu?
Kurt Mühlenhaupt hat seine Kindheit im Norden Berlins, in Blankenfelde, verbracht und dort auf den Rieselfeldern gelebt. Seine Eltern fuhren in den südlich gelegenen Wedding, weil es dort bessere Möglichkeiten zum Einkaufen gab.
Nach der Flucht von Ostberlin nach Westsberlin Ende der 1950er Jahre hat er auf den Rieselfeldern das Holz eingeholt, das er zu Kleinholz verarbeitete, um es zu tauschen. Er war damit als Kartoffelschalen-Bimmler unterwegs: „Brennholz für Kartoffelschalen!“ war der Aufruf in den Weddinger Wohnstraßen, wo er mit dem Ponywagen unterwegs war. Und die getauschten Kartoffelschalen waren in den kinderreichen Familien wesentlich dicker als die bei den akademisch gebildeten, denn diese hatten es wohl noch knapper an Zeit und Geld. Die Kartoffelschalen gab er zur Hälfte an den Ponywagenbesitzer für die Leihgabe, die restlichen verkaufte er als Biomüll und ernährte damit seine Familie!
Wo hat Kurt Mühlenhaupt im Norden von Berlin gemalt?
Er malte in den 1970er Jahren die Menschen am Leopoldplatz, die Schinkelkirche am Leopoldplatz, er malte am Nettelbeckplatz und oft auch saß er mit seinen Malutensilien vor dem Sozialamt in Moabit. Dort befand er sich in der Öffentlichkeit und sprach auch gern mit den Passsanten. Er suchte die kleinen Leute, denen er seine Sympathie mit Liebe im Bild zurückgab, was ihnen vom Leben genommen worden war.
In Kreuzberg war mittlerweile das Alt-Berliner Flair schon fast verflogen, im Wedding es noch vorhanden, das Milieu, das er gern malte. Viele Künstler gingen damals in den Wedding, weil die Ateliers dort noch günstiger waren.
Was hat Kurt Mühlenhaupt im Wedding gestaltet?
Im Jahr 1977 gewann er den Wettbewerb Kunst am Bau für ein Wandbild im Kinderzentrum Möwensee in der Nähe des Volksparkes Rehberge. Die Möwensee Grundschule wurde als 19. Grundschule im Wedding am 18. August 1977 eröffnet.
Es handelt sich um ein 20 Quadratmeter großes Werk, das aus zwei Bildern besteht. Einmal ist es ein Spaziergang im Park Rehberge und auf dem zweiten Bild sind spielende Kinder und Enten am Seeufer zu sehen: „Enten füttern erlaubt“.
Der damalige Kunstamtsleiter wollte ausdrücklich eine Berlinische Interpretation für die Wandgestaltung und ein kindgerechtes Bild, das den Lebenswelten der Westberliner in diesem benachteiligten Stadtgebiet entsprach.
Gibt es im Wedding weitere Werke von Kurt Mühlenhaupt?
Einen weiteren Wettbewerb Kunst am Bau hat er im Jahr 1980 gewonnen, als es um die Wandgestaltung des Schwimmbades Seestraße 80 ging. Dort hat er zwei Mosaike von Schwimmern gestaltet.
Ein Rundum-Fries mit vielen Wandmosaiken war nicht möglich. So verblieben neben etlichen anderen Motiven an der Wand des Bades die Gestaltung einer Frau im roten Bikini und roter Badekappe und einem Mann, der Kurt Mühlenhaupt, einem leidenschaftlichen Schwimmer, ähnlich sieht, die aufeinander zuschwimmen. Die Mosaike sind oval und 2 x 3 Meter groß.
Diese Mosaike sind abgebildet zu finden auf www.berlin.de.
In diesem Gespräch konnten wir verschiedene Erinnerungen und Sichtweisen auf die Zeiten der Berliner Milieus der Nachkriegszeit bis 1989 austauschen. Hannelore Mühlenhaupt kehrte mit dem Kurt Mühlenhaupt Museum schon im Jahre 2019 zurück an den Ort des Ursprungs der Malerkarriere ihres verstorbenen Mannes zurück und eröffnete dies etwas oberhalb des Chamissoplatzes in der Fidicinstraße in den heutigen Mühlenhaupt Höfen in der Nähe des Wasserturms, wo man täglich außer montags an den Nachmittagen zur Besichtigung kommen kann.
Kontaktdaten
Kurt Mühlenhaupt Museum
Fidicinstraße 40 in 10965 Berlin-Kreuzberg
Telefon: 030 61627505, E‑Mail: [email protected]
Das Museum ist geöffnet: Dienstag bis Sonntag von 14–18 Uhr
Gespräch, Text und Fotos © Renate Straetling
Hallo
„Brennholz für Kartoffelschalen!“ .… man das waren noch Zeiten , Mutter schälte immer pünktlich gegen 11 Uhr vormittags die Kartoffeln wenn der Bauer mit seiner Bimmel an einem bestimmten Wochentag vorbei kam… Kleinholz für die Kochmaschine in der Küche …tja da hatten die Menschen zwar weniger zum Leben dafür eine warme Wohnung und keine Energieprobleme !!!
Also .… Auf gehts kommt Alle gut über den Jahreswechsel … wenn ihr versteht was ich meine 😉
Grüße
Liebe Renate, danke für den Beitrag. Mühlenhaupt kannte ich noch nicht. Seine Bilder erinnern mich eher an die Wimmelbilder von Ali Migutsch aus den 70er Jahren als an Zille, was wohl auch daran liegt, dass die Wandbilder für Kinder gedacht waren.