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Kurt Mühlenhaupt:
Der Maler mit dem schwarzen Hut

12. September 2022
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Kurt Müh­len­haupt (1921 – 2006), der Mann mit dem schwar­zen Hut, und spä­ter auch der Mann mit dem roten Hut, der Mann mit dem Lei­er­kas­ten, der Kar­tof­fel­scha­len-Bimm­ler, eben der Mann, der als Ber­li­ner Milieu-Maler bekannt wur­de. Oft wur­de er mit „Pin­sel­hein­rich“ (Hein­rich Zil­le) und Otto Nagel ver­gli­chen. Auch im Wed­ding hat er unge­wöhn­li­che Bil­der hinterlassen.

Der Berliner Maler Kurt Mühlenhaupt (1921-2006)
Künst­ler Kurt Müh­len­haupt (1921−2006) – © Kurt Müh­len­haupt Museum

Im Jahr 1972 wur­den auf Initia­ti­ve von Aldo­na Gus­tas (geb. 1932) die Ber­li­ner Maler­poe­ten gegrün­det, eine Gemein­schaft von 14 Ber­lin ver­bun­de­nen Künst­lern, die zudem unter dem Namen Kreuz­ber­ger Bohè­me bekannt wur­den. Es han­delt sich um ori­gi­nel­le teils skur­ri­le Künst­ler, die durch die beson­de­ren West­ber­li­ner („Mau­er­stadt“) Ver­hält­nis­se mit­ein­an­der ver­bun­den waren.

Kurt Müh­len­haupt hin­ter­ließ etwa 3000 Gemälde.

Sein Leben war vol­ler Wech­sel­fäl­le des Lebens: Im Detail nach­le­sen soll­te man es auf der Web­sei­te des Müh­len­haupt-Muse­ums oder in ande­ren Quel­len. Auf der Web­sei­te erzählt Katha­ri­na Thal­bach eini­ge Etap­pen sei­nes Lebens in frei zugäng­li­chen Audiodateien.

Er war Mul­ti-Künst­ler und mal­te nicht die West­ber­li­ner Schau­fens­ter­sei­te, son­dern die klei­nen Leu­te in ihrem Kreuz­ber­ger All­tag, sei­nem lan­ge Zeit eige­nen Lebens- und Schaf­fens­mit­tel­punkt am belieb­ten Cha­mis­so­platz unter­halb des Tem­pel­ho­fer Feldes.

Ende der 1950er Jah­re zog er von Ost­ber­lin nach Kreuz­berg und grün­de­te dort den ers­ten Trö­del­la­den über­haupt. Wei­ter­hin im Jahr 1961 das belieb­te Kreuz­ber­ger Lokal „Lei­er­kas­ten“ und spä­ter im Jahr 1970 sein ers­tes eige­nes Ate­lier am Cha­mis­so­platz 8.

Sei­ne Bio­gra­fie, die so vie­le Bän­de wie Buch­sta­ben sei­nes Namens haben soll­te, voll­brach­te er bis zum zehn­ten Band, der Band X zum Buch­sta­ben P, der die Rei­sen zwi­schen 1970 und bis 1989 enthält.

Vor der alten Nazahrethkirche von Kurt Mühlenhaupt
Vor der alten Naza­reth­kir­che von Karl Schin­kel – ein Sofa (1981), Öl, 172 x 100 cm; eines von 12 Bil­dern (der damals 12 West­ber­li­ner Bezir­ke), die für das Brü­cken­foy­er des ICC her­ge­stellt wur­den – © Kurt Müh­len­haupt Museum

Im Jahr 1981 lern­te Kurt Müh­len­haupt sei­ne Ehe­frau und heu­ti­ge Wit­we Han­ne­lo­re ken­nen, und sie hei­ra­te­ten im Jahr 1995. Bei­de hat­ten im Jahr 1990 einen Guts­hof in Berg­s­dorf etwa 70 km nörd­lich von Ber­lin erwor­ben und die­sen aus­ge­baut zu Ate­lier, Kul­tur­ort und das Her­ren­haus zu ihrem Wohnsitz.

Ich führ­te Anfang Sep­tem­ber 2022 ein locke­res Gespräch mit Han­ne­lo­re Müh­len­haupt über des­sen Wir­ken im Ber­li­ner Wedding.

Han­ne­lo­re Müh­len­haupt – Sep­tem­ber 2022 – © Rena­te Straetling

Was ver­band Kurt Müh­len­haupt mit dem Wedding?

Er wirk­te damals ab den 1960ern als Maler vor allem in Kreuz­berg rund um den Cha­mis­so­platz, aber auch in den ähn­li­chen Milieus der Stadt­tei­le wie Moa­bit und Wed­ding. Sein Anspruch an sich selbst war es, Maler der Lie­be zu sein, die Men­schen, die er mal­te, mit Her­zens­wär­me dar­zu­stel­len und die­se klei­nen Leu­te in ihrem Milieu mit Humor zu zeigen.

Woher kann­te Kurt Müh­len­haupt den Stadt­teil Wed­ding und des­sen Milieu?

Kurt Müh­len­haupt hat sei­ne Kind­heit im Nor­den Ber­lins, in Blan­ken­fel­de, ver­bracht und dort auf den Rie­sel­fel­dern gelebt. Sei­ne Eltern fuh­ren in den süd­lich gele­ge­nen Wed­ding, weil es dort bes­se­re Mög­lich­kei­ten zum Ein­kau­fen gab.

Nach der Flucht von Ost­ber­lin nach Wests­ber­lin Ende der 1950er Jah­re hat er auf den Rie­sel­fel­dern das Holz ein­ge­holt, das er zu Klein­holz ver­ar­bei­te­te, um es zu tau­schen. Er war damit als Kar­tof­fel­scha­len-Bimm­ler unter­wegs: „Brenn­holz für Kar­tof­fel­scha­len!“ war der Auf­ruf in den Wed­din­ger Wohn­stra­ßen, wo er mit dem Pony­wa­gen unter­wegs war. Und die getausch­ten Kar­tof­fel­scha­len waren in den kin­der­rei­chen Fami­li­en wesent­lich dicker als die bei den aka­de­misch gebil­de­ten, denn die­se hat­ten es wohl noch knap­per an Zeit und Geld. Die Kar­tof­fel­scha­len gab er zur Hälf­te an den Pony­wa­gen­be­sit­zer für die Leih­ga­be, die rest­li­chen ver­kauf­te er als Bio­müll und ernähr­te damit sei­ne Familie!

Wo hat Kurt Müh­len­haupt im Nor­den von Ber­lin gemalt?

Er mal­te in den 1970er Jah­ren die Men­schen am Leo­pold­platz, die Schin­kel­kir­che am Leo­pold­platz, er mal­te am Net­tel­beck­platz und oft auch saß er mit sei­nen Mal­uten­si­li­en vor dem Sozi­al­amt in Moa­bit. Dort befand er sich in der Öffent­lich­keit und sprach auch gern mit den Pass­san­ten. Er such­te die klei­nen Leu­te, denen er sei­ne Sym­pa­thie mit Lie­be im Bild zurück­gab, was ihnen vom Leben genom­men wor­den war.

In Kreuz­berg war mitt­ler­wei­le das Alt-Ber­li­ner Flair schon fast ver­flo­gen, im Wed­ding es noch vor­han­den, das Milieu, das er gern mal­te. Vie­le Künst­ler gin­gen damals in den Wed­ding, weil die Ate­liers dort noch güns­ti­ger waren.

Volks­park Reh­ber­ge (1977) mit Kurt Müh­len­haupt selbst (rechts im Bild) – © Rena­te Straetling

Was hat Kurt Müh­len­haupt im Wed­ding gestaltet?

Im Jahr 1977 gewann er den Wett­be­werb Kunst am Bau für ein Wand­bild im Kin­der­zen­trum Möwen­see in der Nähe des Volks­par­kes Reh­ber­ge. Die Möwen­see Grund­schu­le wur­de als 19. Grund­schu­le im Wed­ding am 18. August 1977 eröffnet.

Es han­delt sich um ein 20 Qua­drat­me­ter gro­ßes Werk, das aus zwei Bil­dern besteht. Ein­mal ist es ein Spa­zier­gang im Park Reh­ber­ge und auf dem zwei­ten Bild sind spie­len­de Kin­der und Enten am See­ufer zu sehen: „Enten füt­tern erlaubt“.

Der dama­li­ge Kunst­amts­lei­ter woll­te aus­drück­lich eine Ber­li­ni­sche Inter­pre­ta­ti­on für die Wand­ge­stal­tung und ein kind­ge­rech­tes Bild, das den Lebens­wel­ten der West­ber­li­ner in die­sem benach­tei­lig­ten Stadt­ge­biet entsprach.

Im Volks­park Reh­ber­ge von Kurt Müh­len­haupt (1977) – © Rena­te Straetling

Gibt es im Wed­ding wei­te­re Wer­ke von Kurt Mühlenhaupt?

Einen wei­te­ren Wett­be­werb Kunst am Bau hat er im Jahr 1980 gewon­nen, als es um die Wand­ge­stal­tung des Schwimm­ba­des See­stra­ße 80 ging. Dort hat er zwei Mosai­ke von Schwim­mern gestaltet.

Ein Rund­um-Fries mit vie­len Wand­mo­sai­ken war nicht mög­lich. So ver­blie­ben neben etli­chen ande­ren Moti­ven an der Wand des Bades die Gestal­tung einer Frau im roten Biki­ni und roter Bade­kap­pe und einem Mann, der Kurt Müh­len­haupt, einem lei­den­schaft­li­chen Schwim­mer, ähn­lich sieht, die auf­ein­an­der zuschwim­men. Die Mosai­ke sind oval und 2 x 3 Meter groß.

Die­se Mosai­ke sind abge­bil­det zu fin­den auf www.berlin.de.

In die­sem Gespräch konn­ten wir ver­schie­de­ne Erin­ne­run­gen und Sicht­wei­sen auf die Zei­ten der Ber­li­ner Milieus der Nach­kriegs­zeit bis 1989 aus­tau­schen. Han­ne­lo­re Müh­len­haupt kehr­te mit dem Kurt Müh­len­haupt Muse­um schon im Jah­re 2019 zurück an den Ort des Ursprungs der Maler­kar­rie­re ihres ver­stor­be­nen Man­nes zurück und eröff­ne­te dies etwas ober­halb des Cha­mis­so­plat­zes in der Fidi­cin­stra­ße in den heu­ti­gen Müh­len­haupt Höfen in der Nähe des Was­ser­turms, wo man täg­lich außer mon­tags an den Nach­mit­ta­gen zur Besich­ti­gung kom­men kann.

Kon­takt­da­ten

Kurt Mühlenhaupt Museum

Fidi­cin­stra­ße 40 in 10965 Ber­lin-Kreuz­berg
Tele­fon: 030 61627505, E‑Mail: [email protected]

Das Muse­um ist geöff­net: Diens­tag bis Sonn­tag von 14–18 Uhr

Gespräch, Text und Fotos © Rena­te Straetling

Renate Straetling

Jg 1955, aufgewachsen in Hessen; ab 1973 Studium an der FU Berlin, Sozialforschung, Projekte und Publikationen.
Selfpublisherin seit 2011
www.renatestraetling.wordpress.com
Im Wedding seit 2007.
Mein Wedding-Motto:
Unser Wedding: ein großes lebendiges Wimmelbild ernsthafter Menschen!

2 Comments Schreibe einen Kommentar

  1. Hal­lo

    „Brenn­holz für Kar­tof­fel­scha­len!“ .… man das waren noch Zei­ten , Mut­ter schäl­te immer pünkt­lich gegen 11 Uhr vor­mit­tags die Kar­tof­feln wenn der Bau­er mit sei­ner Bim­mel an einem bestimm­ten Wochen­tag vor­bei kam… Klein­holz für die Koch­ma­schi­ne in der Küche …tja da hat­ten die Men­schen zwar weni­ger zum Leben dafür eine war­me Woh­nung und kei­ne Energieprobleme !!!

    Also .… Auf gehts kommt Alle gut über den Jah­res­wech­sel … wenn ihr ver­steht was ich meine 😉

    Grü­ße

  2. Lie­be Rena­te, dan­ke für den Bei­trag. Müh­len­haupt kann­te ich noch nicht. Sei­ne Bil­der erin­nern mich eher an die Wim­mel­bil­der von Ali Migutsch aus den 70er Jah­ren als an Zil­le, was wohl auch dar­an liegt, dass die Wand­bil­der für Kin­der gedacht waren.

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