Das Gebiet um den U- und S-Bahnhof Wedding liegt eigentlich sehr privilegiert direkt an einem Knotenpunkt des öffentlichen Nahverkehrs. Hier kreuzt sich die zentrale U-Bahnlinie 6 mit dem Berliner S-Bahn-Ring, demnächst kommt sogar eine Direktverbindung zum Hauptbahnhof dazu. Aber dennoch sind die Flächen südlich des Bahnhofs städtebaulich noch eindeutig unterentwickelt.

Das wird sich bald ändern. Denn zwei wichtige Grundeigentümer auf dem „Block 212“ planen, ihre Grundstücke weiter zu entwickeln. Der „Bayer Real Estate“, also der Immobilientochter des Bayer-Konzerns, gehören das Parkhaus samt Betriebskindergarten auf dem Dach und der daneben liegende große Freiluft-Parkplatz sowie die drei dreigeschossigen Bürohäuser in der Mitte des Blocks. Der „Netto“-Markt samt Parkplatz und (leerstehender) Tiefgarage gehört der „Netto ApS & Co. KG“, also der deutschen Tochtergesellschaft der dänischen „Salling Group A/S“. Das Parkhaus mit der Kita soll stehenbleiben. Die niedrigen Bürohäuser und der sehr baufällige Discounter können abgerissen werden, ein neuer Discountermarkt soll in die Neubebauung integriert werden. Die Einzelgrundstücke mit den gründerzeitlichen Wohnhäusern entlang der Reinickendorfer und Fennstraße sind von der geplanten Neuordnung nicht betroffen.
Blockkonzept als Vorspiel
Der noch unbekannte Projektentwickler muss sich auf jeden Fall mit dem Bezirk Mitte abstimmen. Denn das aktuelle Baurecht für das Gelände stammt aus den 1950er Jahren und behandelt es nur als potenzielle Erweiterungsfläche für das große Pharmawerk auf der anderen Seite der Müllerstraße. Für die Wohnhäuser entlang der Reinickendorfer- und Fennstraße hat der Bezirk deshalb einen Aufstellungsbeschluss für einen B-Plan (1-120) erlassen, der die Wohnnutzung langfristig sichert. Für die anderen Grundstücke soll zusammen mit dem künftigen Projektentwickler ein städtebaulicher Wettbewerb durchgeführt werden, auf dessen Grundlage ein Bebauungsplan aufgestellt wird, der zusätzlich durch einen städtebaulichen Vertrag abgesichert werden soll. Und da Block 212 zum Sanierungsgebiet Müllerstraße gehört, bietet es sich an, die Ergebnisse dieser Abstimmungen in einem Blockkonzept darzustellen. Erste Überlegungen wurden am 12. März der lokalen Öffentlichkeit im Stadtteilbüro des Lebendigen Zentrums in der Müllerstraße 12 vorgestellt und diskutiert.

Umfangreicher Abstimmungsprozess
Dazu wurde im Vorfeld mit den wichtigsten Eigentümern gesprochen, neben Bayer und Netto auch mit der Deutschen Bahn AG. Auch im Ausschuss für Stadtentwicklung der BVV Mitte wird das Konzept vorgestellt. Im Sommer soll dann gemeinsam mit dem Projektentwickler ein städtebaulicher Wettbewerb für die Flächen von Bayer und Netto ausgeschrieben werden. In die Formulierung der Ziele dieses Wettbewerbs werden die Ergebnisse dieses Prozesses einfließen. Zum Bereich des Blockkonzeptes und zum neuen B-Plan 1-120 gehören zudem die Grundstücke zwischen Lindower Straße und S-Bahn („Block 205“), auf denen derzeit unterschiedliche Nutzungen angesiedelt sind (u.a. ein Abschleppdienst, ein Club, Edelstahlverarbeitung, Gastronomie und Wohnen) und wo schon wegen des Lärms der S-Bahn eine Entwicklung schwierig ist. Die Entwicklung dieses Bereichs vollzieht sich aber weitgehend unabhängig von der im zentralen Block 212 und wird nicht Gegenstand des städtebaulichen Wettbewerbs. Wohin mit den Passanten? Dabei, so erklärte es Karsten Scheffer von Jahn, Mack und Partner auf der Informationsveranstaltung, gibt es mehrere unterschiedliche Aufgabenstellungen. So sollte zum Beispiel direkt vor dem S-Bahn-Eingang im Viadukt ein kleiner Vorplatz gestaltet werden, der vermutlich sehr stark genutzt werden wird. Auch müsse man sich Gedanken darüber machen, wie die Unterführung der Müllerstraße unter der S-Bahn und die Eingangssituation des S-Bahnhofes besser organisiert werden kann. Eine schwierige Aufgabe, die sich schon im Rahmen des Verkehrskonzepts für die Müllerstraße stellte. Allerdings ist die Situation inzwischen komplizierter geworden. Nach der Eröffnung des Edeka-Marktes in der Müllerstraße 12, so hatten Anwohnende auf der Veranstaltung berichtet, sei nämlich der Fußgängerverkehr über die Müllerstraße hinweg merklich angestiegen. Viele Umsteiger zwischen U- und S-Bahn machen hier inzwischen einen kurzen Abstecher zum Lebensmittelversorger der für Weddinger Verhältnisse gehobenen Kategorie. Der schmale Überweg an der Ampel an der Einmündung der Lindower Straße könne die vielen Passanten oft kaum noch fassen. Diese Probleme würden noch größer, wenn auch südlich der S-Bahn attraktive Einkaufsangebote für Pendler entstehen.

Keine Hochbauten erwünscht
An der Stelle des jetzigen Netto und der Parkplätze daneben wären nach den Überlegungen des Blockkonzeptes blockrandschließende Bebauungen möglich, die sich jedoch an die im Berlin üblichen Höhenbeschränkungen der Traufhöhe halten sollten. Einen städtebaulich herausgehobenen Turmbau wie auf der anderen Seite der S-Bahn in der Müllerstraße 12 will der Bezirk an dieser Stelle ausdrücklich nicht. Die städtebauliche Situation am Bahnhof Wedding soll den nördlichen Stadtbereich in Richtung Leopoldplatz herausheben, also den Bereich, wo die Geschäftsstraße beginnt – und nicht den Bereich südlich des S-Bahn-Rings. Dennoch könnten hohe Baudichten an dieser Stelle zustande kommen. Denn wenn die Erdgeschosszone in ihrer vollen Tiefe von einem Verbrauchermarkt genutzt wäre, würde bereits das die Geschossflächenzahl stark in die Höhe treiben. Entlang der S-Bahn wäre ein Gebäuderiegel sinnvoll, der die dahinter liegenden Bereiche vom Lärm der Bahn abschirmt. Problematisch wären aber wohl Wohnungen in den oberen Stockwerken, die von der Lärmschutzwand entlang der Bahn nicht mehr abgeschirmt werden könnten. Dennoch wäre hier vor allem Wohnnutzung erwünscht, denn Wohnraum ist knapp, Büros gibt es dagegen auch im Wedding im Überfluss. Hinter diesem Wohnriegel in der Mitte des Blocks stellt man sich schließlich einen entsiegelten und begrünten Blockinnenbereich vor, in dem das Regenwasser klimafreundlich versickern könnte. Und nicht zuletzt sollte auch eine fußläufige Wegeverbindung durch den Block 212 ermöglicht werden.
Autor: Christof Schaffelder
Dieser Text erschien zuerst in der Sanierungszeitschrift Ecke Müllerstraße
Find ich gut, dass die Blockrandbebauung eingehalten werden soll. Auch wenn ich nicht verstehe, warum dystopische Hochhäuser 20 Meter weiter in Ordnung und erwünscht waren/sind, nur weil die Ringbahn dazwischen ist. Ich werde nie verstehen warum der Wedding ein Staddteil 2. Klasser ist, nur weil er außerhalb der Ringbahn ist, und dort nur deswegen weniger Umweltauflagen und weniger Dienstleistungen und weniger städtebauliche Richtlinien und Maßnahmen stattfinden. Dieses Denken von wegen „Außerhalb des Rings = Stadtrand“ trifft auf den Wedding mit seiner hohen Bebauungsdichte und Blockrandbebauung einfach nicht zu. Ich sage das auch mit Blick auf die Pläne für weitere Hochhäuser auf dem Gelände der Beuth Hochschule. Hochhäuser führen nicht zu mehr Wohndichte, da die Kapazität für Wohndichte von der Infrastruktur vorgegeben wird.
Ich bin auch dafür, dass am S-Bahnhof Wedding (und auch sonst) möglichst viele Wohnungen gebaut werden. Aber immer diese Mär von „es gibt leere Büros im Überfluss“. Der Büroleerstand in Berlin liegt zwischen 5 bis 7 Prozent. Wohl gemerkt in ganz(!) Berlin. Das heißt, davon umfasst sind auch leere Büros in unattraktiven Randbezirken oder sowas wie die in die Jahre gekommene und mittlerweile ungünstige gelegene ehemalige Air Berlin Zentrale.
In attraktiven Innenstadtlagen ist der Leerstand entsprechend deutlich niedriger. Erst recht bei repräsentativen Neubauten. Wenn man dann noch die Gewerbemieten mit Wohnungsmieten vergleicht, wird deutlich, warum es für Immobilienunternehme extrem attraktiv ist, Büros zu bauen; selbst wenn sie zwischen 5 bis 10 Prozent Leerstand hätten; was wie gesagt innerhalb des Rings nicht der Fall ist.
Wie gesagt, ich bin auch dafür, möglichst viele Wohnungen zu bauen. Aber es bringt ja nichts, sich der Realität zu verweigern. Sonst findet man auch keinen Gehör. Das Argument muss also nicht sein, „es gibt eh zu viele Büros“ sondern das Argument muss sein, „auch wenn Büros attraktiver sind, müssen wir trotzdem Wohnungen bauen“. Da ist dann die Politik gefragt entsprechende Anreize zu setzen oder eben zu regulieren.
Sehr gut, dass diese Ecke aufgewertet wird. Ist dort dringend nötig.
Nach wie vor frage ich mich, warum dort oberhalb der Lärmschutzwand Wohnungsbau kaum bis nicht möglich sein soll, während ein paar Meter weiter in der Lynarstraße die tollen Wohnungen im auffälligen Holzhaus weit über die Lärmschutzwand hinausragen und sogar Balkone zu den Bahngleisen hin haben.
Wir würden dort (Lynarstraße) sofort einziehen, selbst mit Balkon zu den Gleisen.