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Die traditionsreichste Gaststätte im Wedding:
Deichgraf: Gediegen, gastlich, gutbürgerlich

Wie die Kai­ser­zeit­häu­ser mit ihren Vor­gär­ten am Nord­ufer zei­gen, ist in die­ser Was­ser­la­ge am Kanal alles ein wenig bür­ger­li­cher und gepfleg­ter als in ande­ren Tei­len des Wed­ding. Selbst die Eck­knei­pe Deich­graf bezeich­net sich tra­di­tio­nell als „Glasbierg’schäft“ und ist ein veri­ta­bles gut­bür­ger­li­ches Restau­rant nebst schat­ti­gem Bier­gar­ten. Jetzt beher­bergt der Deich­graf auch eine beson­de­re Samm­lung, die ihr beim neu­en Mit­tags­tisch-Ange­bot ent­de­cken könnt.

Vor fünf Jah­ren haben die frü­he­ren Betrei­ber des nahe gele­ge­nen Lin­den­gar­tens das 1906 eröff­ne­te, seit dem Krieg unter dem Namen Deich­graf bekann­te Gar­ten­lo­kal über­nom­men. Damals hat­te es nach meh­re­ren Betrei­ber­wech­seln eine 200 Gerich­te umfas­sen­de Kar­te, schlech­te Bewer­tun­gen waren an der Tages­ord­nung und die Stamm­kun­den waren weit­ge­hend ver­schwun­den. Als erfah­re­ner Gas­tro­nom hat Patrick Nei­deck den Deich­graf peu à peu wie­der umgekrempelt.

„Wir arbei­ten seit Jah­ren mit den glei­chen Lie­fe­ran­ten zusam­men und kochen alles noch selbst, sogar die Sau­cen wer­den bei uns aus Kno­chen gemacht“, erklärt er. Auch das Per­so­nal ist sei­nem Arbeit­ge­ber tra­di­tio­nell treu, der Koch seit 20 und der Kell­ner seit 24 Jah­ren. Kei­ne stän­di­gen Wech­sel, ein Fokus auf guten Ser­vice und hohe Qua­li­tät bei den Spei­sen sei­en die Zuta­ten für ein erfolg­rei­ches Restau­rant, glaubt Nei­deck. Acht Bie­re gibt es vom Fass, braue­rei­un­ab­hän­gig, und von Schult­heiß über Jever und Bay­reu­ther Hell bis Maisel’s Wei­ße ist ein brei­tes Spek­trum ver­tre­ten. Ein Ange­bot, wie es sich auch für einen Betrieb mit gleich zwei Bier­gär­ten gehört, die über 100 Plät­ze im Grü­nen bie­ten. Der klei­ne­re, inti­me­re Außen­be­reich an der Torf­stra­ße wird seit jeher als „Schwei­negar­ten“ bezeich­net, erzählt der Seni­or­chef. Auch an die­sem Som­mer­tag pros­ten sich mit­tags schon die ers­ten Stamm­gäs­te zu, die aus ganz Ber­lin für ein gut­bür­ger­li­ches Essen anrei­sen. Frü­her waren die bei­den Betrei­ber für die „Kar­tof­fel­kis­te“ im Euro­pa­cen­ter bekannt und vie­les haben sie von dort mitgebracht.

Dazu zäh­len nicht nur die ein­zig­ar­ti­gen Schnaps­fla­schen der Haus­mar­ke Deich­graf auf Kar­tof­fel­schnaps­ba­sis (Hasel­nuss- und Lakritz­li­kör sind die belieb­tes­ten), son­dern auch die unge­wöhn­li­che Samm­lung von 300 Email­le­schil­dern. Die bun­ten, alt­mo­di­schen Wer­be­ta­feln aus dem frü­hen 20. Jahr­hun­dert wer­ten die frü­her kah­len Wän­de auf und bie­ten einen Hin­gu­cker nach dem ande­ren. Und auch das flug­fä­hi­ge Modell­flug­zeug, das an der gro­ßen Ter­ras­sen­ein­gangs­tür hängt und die Gäs­te begrüßt, ist ein tra­di­tio­nel­les Ele­ment, das ein wenig Nost­al­gie ver­strömt. Was auf­fällt, sind die groß­zü­gi­gen Räum­lich­kei­ten mit gleich zwei läng­li­chen Neben­zim­mern, was unge­wöhn­lich für eine Wed­din­ger Knei­pe ist. Die Sehn­sucht nach der guten alten Zeit bedie­nen sicher auch der 70er-Jah­re-Flip­per und die Wur­lit­zer Musikbox.

Das aus fri­schen Zuta­ten gekoch­te und nach allen Koch­küns­ten zube­rei­te­te Essen sucht in punk­to Qua­li­tät sei­nes­glei­chen im Wed­ding – hier ist deut­sche Küche ja ohne­hin eine Sel­ten­heit. Ein Schwer­punkt liegt im Deich­graf sicher auf Ber­li­ner Haus­mann­kost wie Königs­ber­ger Klop­se, Hack­steak à la Mey­er, Kalbs­le­ber und Eis­bein. Sai­so­nal kom­men Spar­gel, Pfif­fer­lin­ge und Wild­ge­rich­te dazu. „Der Ren­ner ist unser Schnit­zel“, sagt Patrick Nei­deck. Sein Team und er ver­su­chen, die hohe Qua­li­tät trotz Infla­ti­on und erheb­li­chen Per­so­nal­kos­ten zu hal­ten. Tief­kühl­kost kommt jeden­falls nicht auf den Tisch. Nei­deck weiß aber auch, dass sich vie­le Kun­den im Moment zwei Mal über­le­gen müs­sen, ob sie es sich noch leis­ten kön­nen, essen zu gehen.

Doch auch dafür gibt es ein Ange­bot. „Wir eta­blie­ren von Mon­tag bis Frei­tag einen Mit­tags­tisch. Jede Woche wech­selt die Kar­te, und jeden Tag gibt es ein Gericht für 8,90 Euro“, erklärt der Geschäfts­füh­rer. Damit will das alt­ehr­wür­di­ge Restau­rant nach den Coro­na- und Infla­ti­ons­jah­ren dem Wed­ding wie­der etwas zurückgeben.

Jetzt ist es aber Zeit für ein schmack­haf­tes Essen auf rot­ka­rier­ter Tisch­de­cke, und einen Schnaps spä­ter hat sich die Ter­ras­se wei­ter mit Gäs­ten gefüllt. Der Koch hat jetzt alle Hän­de voll zu tun. Es ist schön, dass die­ser gast­li­che Ort an Wed­dings schöns­ter Kanal­la­ge wie­der vol­ler Leben ist.

Deich­graf, Gast­stät­te und Bier­gar­ten, Nord­ufer Ecke Torf­str., täg­lich 12–23 Uhr

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

8 Comments Leave a Reply

  1. I work­ed in the Deich­graf from1984 to 1995,
    It was the best job I’ve ever had. Ama­zing bos­ses, and colleagues.
    The best atmo­sphe­re, best Bar/Restraunt in Ber­lin. Howe­ver, not­hing lasts forever.
    I’d just like to say a big Hel­lo to all the peo­p­le I work­ed, tal­ked , laug­hed and some­ti­mes cried with. Gruss aus London.

  2. Ein tol­ler Laden mit freund­li­chen Kell­nern, schö­nem Ambi­en­te und lecke­rem Essen. Beson­ders emp­feh­len kann ich das Kalbs­schnit­zel mit lau­war­mem Kar­tof­fel­sa­lat und Prei­sel­bee­ren. Immer ger­ne wieder.

  3. Ich lie­be den Deich­gra­fen und füh­re mei­nen Besuch immer dort­hin. Wie in alten Zei­ten. Rich­tig uhrig, gutes Essen und net­tes Personal.

  4. Ein erhol­sa­mer Ort, nahe am Was­ser und von dort mit Blick auf die Euro­pa­Ci­ty.! Einen Spa­zier­gang am Nord­ufer am Deich­graf unter Lin­den enden las­sen ist ein schö­nes Erleb­nis. Und dann das gro­ße Gedicht: zar­tes, knusp­ri­ges Rie­sen­schnit­zel mit Hefe­wei­zen… ….. in die­sem groß­räu­mi­gen Ambiente!

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