Was ist das für ein Ort mit diesem seltsamen Namen? In der Koloniestraße rechnet man ja mit vielem, aber wohl kaum mit einem minimalistischen Bar-Café. Kaum stehe ich vor dem früheren Dönerladen, zieht es mich magisch hinein und ich fühle mich sofort wohl. Der Betreiber Cem kommt gleich auf mich zu. Es wird noch viele unerwartete Momente an diesem Nachmittag geben.
Dieses Café, das sich abends in eine Bar verwandelt, trägt die Handschrift nur eines Mannes. Der 46-jährige Cem, der in Istanbul aufgewachsen ist und schon seit Jahrzehnten in Berlin lebt, ist eigentlich Mediengestalter und hat lange als Tontechniker und Kameramann gearbeitet. „Doch irgendwann war alles nur noch vorgegeben, da fehlte mir die Kreativität“, erzählt er. Er sammelte erste Erfahrungen mit einer Kneipe an der Sonnenallee in Neukölln. Nach einer Pause machte er sich auf die Suche nach einer eigenen Location und wurde auf den Wedding aufmerksam. „Mit einem ersten Raum an der Drontheimer hat es nicht geklappt, da wurde es eben die Koloniestraße“, sagt er. Er mag die Nachbarschaft, auch wenn ihn die Männer von der Koranschule nebenan erst einmal misstrauisch ansahen. Inzwischen ist Cem nach ein paar Monaten mit Renovierungsarbeiten aber gut im Kiez angekommen.
Foto rechts: Benny2All
„Ich habe hier alles selbst gemacht“, sagt Cem stolz. „Ich bin mit der Zeit regelrecht in den Raum hineingewachsen.“ Die Wände sind schwarz oder kupferfarben gestrichen, der Betonboden grau. Es wirkt ein wenig industriell, aber nicht ungemütlich. Nur ein Bild hängt an der Wand – es stammt von Cems Freundin, die Künstlerin ist. So erholt sich das Auge und bleibt eher an den Details hängen. Eine lila Plüsch-Sofaecke, ein Klavier, eine außergewöhnliche selbstgebaute Lampe aus unzähligen Glühbirnen. Was mir gefallen hat, sind die gemütlichen Holzstühle mit kleinen Armlehnen – handgemacht und Einzelstücke aus DDR-Produktion, wie Cem erzählt. Jede Tischplatte ist wiederum von ihm individuell bearbeitet. Alles hat eine Geschichte, die von ihm selbst erzählt. „Die Dielen sollten zuerst auf den Boden, aber dann habe ich sie für den Bartresen verwendet“, beschreibt Cem den kreativen Gestaltungsprozess.
2. Foto von rechts: Benny2All
Was gleich gut im Kiez ankommt, ist das Angebot an Sandwiches, Bowls, einer Tagessuppe und vor allem das Tiramisu. Während unseres Gesprächs kommt ein Nachbar und holt sich eine Portion. Er reibt sich die Augen, denn so ein Café hat er in der Koloniestraße noch nie gesehen. Was aber gut zum Kiez passt, sind die moderaten Preise. Ein Sandwich für 3,50 Euro, ein Kaffee für 2 Euro, ein Espresso für 1,50 Euro. Aber auch Alkohol wird verkauft: Krombacher und Pilsner Urquell vom Fass und einige Flaschenbiere, Weine und Longdrinks sind am Tresen zu haben. Dort steht auch die alte Gaggia-Kaffeemaschine, die genauso ein Blickfang ist wie der Küchenoberschrank, in dem die Spirituosen präsentiert werden.
Während ich das Tiramisù genieße, wird es draußen dunkel. Die bis zum Boden reichenden Glasfenster, stelle ich mir vor, werden diesen Ort im Sommer auf die Straße erweitern. Und die Musik von Quentin Tarantino-Filmen, die Cem im Hintergrund laufen lässt, versetzt einen irgendwie nach Amerika. Zeit, den ungewöhnlichen Namen zu erklären. Hank Chinaski war das literarische Alter Ego des deutschstämmigen amerikanischen Autors Charles Bukowski, was nur wenige wissen. Und wo sonst, wenn nicht im Wedding, hätte der sich wohlgefühlt?
Koloniestraße 33, täglich von 10.30 bis 22 Uhr geöffnet
Es ist wahrscheinlich gut für den Laden, dass „nur wenige wissen“ wer Hank Chinaski ist. Denn wer es weiss, wird sich von dem Hipstervolk abgestossen fühlen. Weder hätte Bukowski diesen Laden freiwillig betreten, noch ist stark zu bezweifeln, dass ein echter Typ a la Hank Chinaski dort überhaupt bedient würde.
Dann noch diese unsäglichen „Bowls“ und die typische Englisch-Masche.
Nein, danke!
wir waren da und können alles so bestätigen…
hoffentlich kann er sich halten, alles Gute
Geil, ich freu mich schon auf meine nächste Mieterhöhung 👌
Super tolles Café, ich kann nur empfehlen dort vorbeizuschauen! 🙂
@Mark: Deine Miete wird auch ohne Cafés mehr werden, das kann niemand mehr aufhalten. Sei froh, dass sich der Kiez etwas durchmischt und die angespannt Stimmung dieser ganzen Männergruppen etwas aufgelockert wird.
Danke, für den Tipp. gut, dass es Weddingweiser gibt.