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Neues Bar-Café im Wedding:
Kaffee, Drinks und Bowls im “Hank Chinaski”

17. November 2023
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Was ist das für ein Ort mit die­sem selt­sa­men Namen? In der Kolo­nie­stra­ße rech­net man ja mit vie­lem, aber wohl kaum mit einem mini­ma­lis­ti­schen Bar-Café. Kaum ste­he ich vor dem frü­he­ren Döner­la­den, zieht es mich magisch hin­ein und ich füh­le mich sofort wohl. Der Betrei­ber Cem kommt gleich auf mich zu. Es wird noch vie­le uner­war­te­te Momen­te an die­sem Nach­mit­tag geben.

Die­ses Café, das sich abends in eine Bar ver­wan­delt, trägt die Hand­schrift nur eines Man­nes. Der 46-jäh­ri­ge Cem, der in Istan­bul auf­ge­wach­sen ist und schon seit Jahr­zehn­ten in Ber­lin lebt, ist eigent­lich Medi­en­ge­stal­ter und hat lan­ge als Ton­tech­ni­ker und Kame­ra­mann gear­bei­tet. „Doch irgend­wann war alles nur noch vor­ge­ge­ben, da fehl­te mir die Krea­ti­vi­tät“, erzählt er. Er sam­mel­te ers­te Erfah­run­gen mit einer Knei­pe an der Son­nen­al­lee in Neu­kölln. Nach einer Pau­se mach­te er sich auf die Suche nach einer eige­nen Loca­ti­on und wur­de auf den Wed­ding auf­merk­sam. „Mit einem ers­ten Raum an der Dront­hei­mer hat es nicht geklappt, da wur­de es eben die Kolo­nie­stra­ße“, sagt er. Er mag die Nach­bar­schaft, auch wenn ihn die Män­ner von der Koran­schu­le neben­an erst ein­mal miss­trau­isch ansa­hen. Inzwi­schen ist Cem nach ein paar Mona­ten mit Reno­vie­rungs­ar­bei­ten aber gut im Kiez angekommen.

Foto rechts: Benny2All

„Ich habe hier alles selbst gemacht“, sagt Cem stolz. „Ich bin mit der Zeit regel­recht in den Raum hin­ein­ge­wach­sen.“ Die Wän­de sind schwarz oder kup­fer­far­ben gestri­chen, der Beton­bo­den grau. Es wirkt ein wenig indus­tri­ell, aber nicht unge­müt­lich. Nur ein Bild hängt an der Wand – es stammt von Cems Freun­din, die Künst­le­rin ist. So erholt sich das Auge und bleibt eher an den Details hän­gen. Eine lila Plüsch-Sofa­ecke, ein Kla­vier, eine außer­ge­wöhn­li­che selbst­ge­bau­te Lam­pe aus unzäh­li­gen Glüh­bir­nen. Was mir gefal­len hat, sind die gemüt­li­chen Holz­stüh­le mit klei­nen Arm­leh­nen – hand­ge­macht und Ein­zel­stü­cke aus DDR-Pro­duk­ti­on, wie Cem erzählt. Jede Tisch­plat­te ist wie­der­um von ihm indi­vi­du­ell bear­bei­tet. Alles hat eine Geschich­te, die von ihm selbst erzählt. „Die Die­len soll­ten zuerst auf den Boden, aber dann habe ich sie für den Bar­tre­sen ver­wen­det“, beschreibt Cem den krea­ti­ven Gestaltungsprozess.

2. Foto von rechts: Benny2All

Was gleich gut im Kiez ankommt, ist das Ange­bot an Sand­wi­ches, Bowls, einer Tages­sup­pe und vor allem das Tira­mi­su. Wäh­rend unse­res Gesprächs kommt ein Nach­bar und holt sich eine Por­ti­on. Er reibt sich die Augen, denn so ein Café hat er in der Kolo­nie­stra­ße noch nie gese­hen. Was aber gut zum Kiez passt, sind die mode­ra­ten Prei­se. Ein Sand­wich für 3,50 Euro, ein Kaf­fee für 2 Euro, ein Espres­so für 1,50 Euro. Aber auch Alko­hol wird ver­kauft: Krom­ba­cher und Pils­ner Urquell vom Fass und eini­ge Fla­schen­bie­re, Wei­ne und Long­drinks sind am Tre­sen zu haben. Dort steht auch die alte Gag­gia-Kaf­fee­ma­schi­ne, die genau­so ein Blick­fang ist wie der Küchen­ober­schrank, in dem die Spi­ri­tuo­sen prä­sen­tiert werden. 

Wäh­rend ich das Tira­misù genie­ße, wird es drau­ßen dun­kel. Die bis zum Boden rei­chen­den Glas­fens­ter, stel­le ich mir vor, wer­den die­sen Ort im Som­mer auf die Stra­ße erwei­tern. Und die Musik von Quen­tin Taran­ti­no-Fil­men, die Cem im Hin­ter­grund lau­fen lässt, ver­setzt einen irgend­wie nach Ame­ri­ka. Zeit, den unge­wöhn­li­chen Namen zu erklä­ren. Hank Chi­na­ski war das lite­ra­ri­sche Alter Ego des deutsch­stäm­mi­gen ame­ri­ka­ni­schen Autors Charles Bukow­ski, was nur weni­ge wis­sen. Und wo sonst, wenn nicht im Wed­ding, hät­te der sich wohlgefühlt? 

Kolo­nie­stra­ße 33, täg­lich von 10.30 bis 22 Uhr geöffnet

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

5 Comments Leave a Reply

  1. Es ist wahr­schein­lich gut für den Laden, dass „nur weni­ge wis­sen“ wer Hank Chi­na­ski ist. Denn wer es weiss, wird sich von dem Hip­ster­volk abge­stos­sen füh­len. Weder hät­te Bukow­ski die­sen Laden frei­wil­lig betre­ten, noch ist stark zu bezwei­feln, dass ein ech­ter Typ a la Hank Chi­na­ski dort über­haupt bedient würde.
    Dann noch die­se unsäg­li­chen „Bowls“ und die typi­sche Englisch-Masche.
    Nein, danke!

    • Super tol­les Café, ich kann nur emp­feh­len dort vorbeizuschauen! 🙂
      @Mark: Dei­ne Mie­te wird auch ohne Cafés mehr wer­den, das kann nie­mand mehr auf­hal­ten. Sei froh, dass sich der Kiez etwas durch­mischt und die ange­spannt Stim­mung die­ser gan­zen Män­ner­grup­pen etwas auf­ge­lo­ckert wird.

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