Das Sterben der Großen, wie Karstadt an der Müllerstraße, füllt die Schlagzeilen. Doch während diese Schließungen als Schockwellen durch die Stadt gehen, geschieht das wahre Drama in den Nebenstraßen, leise und oft unbemerkt. Es sind die kleinen Geschäfte, die das Leben in unseren Kiezen ausmachen – und jetzt verschwinden. Jüngstes Opfer: Die Bäckerei Schneeglöckchen, Tegeler Ecke Sprengelstraße im Sprengelkiez.
„Schneeglöckchen ist weg.“ Diese Worte auf einem Zettel an der Tür sind ein Nachruf, der mehr sagt als jede Pressemeldung. Es war mehr als nur eine Bäckerei: ein Ort für Frühstück und Kaffee, erschwinglich für Normalverdiener. Ein Treffpunkt für die Nachbarschaft, ein Zufluchtsort für Schulkinder mit Schokolade in der Hand. Und auch der letzte Retter am Sonntagmorgen, wenn die Milch aus war. Es war ein Stück Heimat.
Eine Nachricht an den Vermieter:
„Kein Sterne-Restaurant, kein Kunstatelier, keine Schickimicki-Bar. Nichts wird Schneeglöckchen ersetzen können.“ Doch was kommt stattdessen? Ein weiterer hipper Laden für die, die das Viertel nur über Instagram kennen? Oder bleibt die Ladenfläche erst einmal leer, ein Symbol für den schleichenden Verfall unserer Kiezstraßen?
Ein Stadtbild, das erodiert
Die Zahlen sprechen Bände. In Berlin schlossen 2022 mehr als 3.000 kleine Geschäfte, 2023 waren es schon über 5.400. Der Handelsverband spricht von einer „deutlichen Ausdünnung“ des Einzelhandels. Doch wo bleiben die Schlagzeilen? Wer kümmert sich um die leeren Schaufenster in den Kiezen? Während Politiker und Medien auf die großen Namen blicken, sterben die kleinen Läden leise – und mit ihnen die Seele der Stadt.
Was bleibt, wenn der Bäcker geht?
Für die Menschen im Kiez bedeutet das Verschwinden von Schneeglöckchen mehr als nur den Verlust von frischen Brötchen und preiswertem Kaffee. Es ist der Verlust eines Stücks Alltag, eines Ankerpunkts. Die Schließung solcher Geschäfte zeigt: Es geht nicht nur um ökonomische Zahlen, sondern um sozialen Zusammenhalt, um Lebensqualität.
Der Appell: Kämpfen für den Kiez
Die Bäckerei Schneeglöckchen ist nicht nur eine Geschichte von steigenden Mieten und sinkenden Umsätzen. Es ist eine Mahnung: Jeder Laden, der verschwindet, reißt ein Loch in den Kiez. Eine Nachbarschaft ist mehr als eine Ansammlung von Wohnungen – sie lebt von den Menschen, von den Orten, die sie verbinden.
Das Schneeglöckchen wird fehlen. Aber vielleicht können wir es schaffen, dass andere Orte wie dieser nicht auch noch verschwinden, indem wir dort einkaufen und sie unterstützen.
Danke an unseren Leser Johannes Koch, der uns über die Schließung der Bäckerei informierte.
Noch nie hat sich jemand für die kleinen Betriebe interessiert.
Lufthansa musst Du heissen, dann wird es was.
Das Schöne am Schneeglöckchen war, dass ich mich mit Freunden oder meinem Kind für kleines Geld an der Theke bedienen konnte und mich zu einem Kaffee mit/ohne Teilchen ganz entspannt in Bäckereiatmosphäre hinsetzen konnte.
Weiß nicht, was die Mitleser hier unter "mangelnder Frische" verstehen: frisch geföhnte Aufbackbrötchen? Kann ich sehr gern drauf verzichten!
Ich will jetzt nicht aufschreiben, was mir in den schicken Fressläden drumherum bei solchen Gelegenheiten schon alles passiert ist und was ich da an Geld ausgab für die kleine Pause zwischendurch.
Jedenfalls danke ich dem Weddingweiser, dass er diese einschneidenden Veränderungen unserer Kieze für die Normalverdiener in Liebe und Trauer protokolliert!
Mangelnde Frische ist eine freundliche Umschreibung für Backwaren vom Vortag und verdorbene Lebensmittel. Wer jetzt meint, Brot vom Vortag sei in Ordnung. Sie hatten auch belegte Brötchen vom Vortag (mit oller Wurst), Frikadellen vom Vortag, und Kuchen mit saurer Sahne vom Vortag.
Ich muss leider zugeben, dass ich mich dort nie wohlgefühlt habe. Die Qualität der Backwaren war eher fragwürdig. Nach dem Lesen der Google-Rezensionen, die man aufgrund vieler Fake-Accounts jedoch generell mit Vorsicht genießen muss, war dann auch für uns dort "Schluss".
Wir schauen sehr gespannt auf die Bearbeiten im Schadé. Ist bekannt, was dort reinkommt?
Ich war auch oft bei Schneeglöckchen, ich fand es dort teilweise ganz nett, aber auch teuer, und die Sitzfläche vor dem Laden war sehr heruntergekommen. Man hätte mehr draus machen können. Ich fahre jetzt außerhalb des "Kiezes" zum Frühstücken, da mir die meisten Cafes nicht zusagen, da viele Bedienungen unfreundlich und wenig kundenorientiert sind. Mal sehen, ob es erfolgreich wird.
Ich kenne den Laden noch aus der Zeit als das Fischgeschäft drin war, das aus Altersgründen aufgegeben hat. und fantastisch war. Dem Schneeglöckchen konnte ich nie viel abgewinnen. "Kiezanker" ist völlig überschätzt außer wenn sich in den letzten Jahren grandios was geändert hätte. Ansonsten schätze ich die Berichterstattung aus meinem alten Kiez.
1. P. Dunlop hat Recht: Das Schneeglöckchen war bekannt für mangelnde Frische. Insofern keine Verlust.
2. "Sozialer Ankerpunkt" finde ich für's Schneeglöckchen arg übertrieben.
3. @Rolf: Wenn die Miete stimmt, findet sich ein Nachfolger (falls Schließung aus Altersgründen)
3. An Cafés und Spätis ist kein Mangel im Bereich Trift-/Sprengelstraße. Reißt also keine Lücke
4. Über die Gründe der Geschäftsaufgabe kann man spekulieren, aber in 90% der Fälle ist es eine Mieterhöhung.
5. Abriß und ein neues Wohnhaus wäre wünschenswert, liegt aber im Ermessen des Eigentümers.
6. 17 €/m² ist die durchschnittliche Gewerbemiete im Kiez (vgl. Sprengelstr. 6), die Ecklage vom Ex-Schneeglöckchen wohl etwas höher. Mit welchem Gewerbe kann die Kohle wieder einfahren?
Es gibt tatsächlich bessere Bäcker als das "Schneeglöckchen". Ich kann da Herrn Dunlop nur zustimmen. Und die Kinder der nahegelegenen Grundschule kriegen ihr Zuckerzeug jetzt genau so gut im Zeitschriftenladen ein paar Meter die Straße runter oder am Späti am Sparrplatz. Über die Gründe der Schließung sagt der Beitrag nichts Konkretes. Natürlich wird der Sprengel-Kiez immer schicker und teurer. Aber nach meiner Erfahrung ist oft das Alter der Ladenbetreiber und fehlende Nachfolgekandiaten der Grund .
Es gibt da natürlich Gründe, aber die basieren im Moment nur auf Gerüchten und die wollen wir hier nicht wiedergeben.
Also so schwarz ist es nun auch wieder nicht, neue Läden können durchaus auch zu Treffpunkten werden. Wandel ist normal. Schade für alle Stammgäste aber es wird keiner verhungern oder deswegen an Einsamkeit sterben. Man muss nicht alles was neu ist hassen und verteufeln. Diese Mentalität führt auch dazu dass es hier so viel Leerstand gibt.
Diesem Laden kann man nur hinterhertrauern, wenn man selber nie da war. Man kann sich ja mal die Google-Rezensionen durchlesen, dort spiegelt sich meine eigene Erfahrung wider. Alte und verdorbene Backwaren, und das nicht mal günstig.
Im Übrigen haben in den letzten Jahren im direkten Umfeld zwei Backwarenläden aufgemacht, Hansis Brot und Goldstück. Zwei ganz unterschiedliche Läden, die aber das Schneeglöckchen mehr als ersetzen. Warum man deswegen jetzt einen Abgesang auf unsere Kieze singen muss, bleibt ungeklärt - wir haben jetzt mehr Angebot als vor 4 Jahren. Ja, unsere Kieze sind schützenswert und vieles wird von Mieterhöhungen zerstört, aber das hier hat nichts damit zu tun - der Laden war einfach nicht gut.
Für mich gehört seit 2007 "Schneeglöckchen" zum Kiez. Seit dieser Zeit wohne ich hier. Diese Bäckerei war für mich immer eine Institution, umso größer der Schock, als dieses Geschäft auf einmal - für mich ohne Vorwarnung - für immer geschlossen hatte. So was hält man bei "Institutionen" eigentlich für unmöglich, für undenkbar.
Genau so, wie im Artikel beschrieben, fehlt nun dieser soziale Ankerpunkt inmitten des Sprengelkiezes, der Zufluchtsort für lange Zeit konkurrenzlos günstige Sonntagsbrötchen, leckere Salate und sonstige Produkte.
Mietgierige Vermieter? Woran hat es gelegen? Hätte man helfen können, wenn man früher gewusst hätte, dass hier diese Bäckerei akut gefährdet war?
Hätte, hätte, Fahrradkette. Es ist in jedem Fall sehr schade, darin sind sich alle Menschen hier im Kiez wohl einig.