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Neubau statt AOK an der Müllerstraße:
Das alte Ambulatorium steht noch

Auf dem ehemaligen AOK-Grundstück Müllerstraße 145 tut sich nicht viel
19. November 2024
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Seit dem Jahr 2021 hat die AOK Nordost in einem Neubau an der Ostender Straße Ecke Müllerstraße ihr Weddinger Quartier. Dort befindet sich nicht nur das Service-Center der Krankenkasse, sondern auch ihr "Centrum für Gesundheit" mit vielen Facharzt-Praxen, die exklusiv nur Versicherten der AOK offenstehen. Der Umzug brauchte keine Möbelwagen: zuvor war die AOK auf dem Nachbargrundstück Müllerstraße 145.

Dort steht das alte Gebäude der AOK aus den späten 1950ern seitdem leer, das auf dem Foto abgebildet ist. Das "Ambulatorium" auf dem Hof der Müllerstraße 143 ist baulich vielleicht kein besonderes Schmuckstück, aber dafür historisch ein Unikat. Hier wirkten – wie heute im Centrum für Gesundheit – von der Kasse angestellte Fachärzte exklusiv für AOK-Versicherte. Das Modell hatte die AOK in der Weimarer Republik entwickelt. Nach dem Kassenarztgesetz der Bundesrepublik Deutschland aus dem Jahr 1955 aber war das gar nicht mehr zulässig. Ambulatorien galten im damaligen Westdeutschland als sozialistisch. Für den Wedding wurde jedoch eine Ausnahme erstritten: Her konnte die AOK 1960 das Ambulatorium beziehen. Nach 60 Jahren Betrieb wurde dann ein Neubau auf dem Nachbargrundstück bezogen. Das alte Grundstück gehört inzwischen einem privaten Investor, der hier vielfältige Nutzungen unterbringen will. Unter Denkmalschutz steht das über 60 Jahre alte Ambulatorium dabei nicht. Bei einer Neubebauung des Grundstücks würde es vermutlich abgerissen.

Jetzt ist mal von einem Hotel die Rede, das hier entstehen soll, mal von Dienstwohnungen für die Beschäftigten des Virchow-Klinikums, auch von Büros – aber wirklich Konkretes hört man nicht*: Ein Bauantrag ist noch nicht gestellt, die Entwicklung ist also noch offen. Da wirkt ganz offenbar die Krise des Immobilienmarktes: Wegen der gestiegenen Zinsen sind viele Neubauprojekte derzeit kaum noch zu finanzieren, zugleich stagniert wegen der schlechten Wirtschaftslage (und zunehmendem Home-Office) die Nachfrage nach Büros. Gleichzeitig gehen aber auch im Wedding immer mehr Bürohäuser in die Vermietung, die im Boom der Vor-Corona-Jahre entwickelt worden waren. Die Folge ist ein krasses Überangebot, eine Insolvenzwelle und eine große Zurückhaltung der Finanzwirtschaft bei neuen Immobilienprojekten.

Autor: Christof Schaffelder

Dieser Artikel ist zuerst in der Sanierungszeitschrift "Ecke Müllerstraße" erschienen.

*Inzwischen wurde nicht nur ein Bauantrag gestellt, sondern auch genehmigt. Laut diesem soll es dort „Neues Wohnen zwischen Müllerstraße und Genter Straße Errichtung von Neubauten für Wohnnutzung für Klinikpersonal, Betreutes Wohnen, Studentisches Wohnen Hotel/Beherbergung und Kita“ entstehen. Wer der Eigentümer des Grundstücks ist, wollte der Senat zumindest im September nicht verraten.

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2 Comments Leave a Reply

  1. Entsinne mich noch gut an Besuche im Ambulatorium Wedding, als ich noch AOK-Versicherter war. Habe ich in guter Erinnerung, lange her, die Klienten seinerzeit noch von ganz anderer Natur, diszipliniert und dultsam. Was findet sich dort heutzutage für medizinisches Personal? Keine Ahnung. Kenne einen Amtsarzt, der selbstkritisch wie er nun mal ist, mir die unterschiedlichen Qualifikationen der Ärzteschaft erläuterte. Die richtig Guten finden sich in Wissnschaft und Forschung, dann folgen Krankenhausärzte in gehobenen Positionen, dritte Liga niedergelassene Ärzte, Kreislige und Schlußlicher dann angestellte/verbeamtete Mediziner im öffentlichen Dienst. Es spricht sicher einiges für seine provokannten Thesen; das profane Gesetz des Marktes läßt sich nicht außer Kraft setzen. In Wedding einen niedergelassenen Arzt zu finden, mit dem man fachlich und manierlich zufrieden sein kann, habe ich längst aufgegeben. Kann durchaus sein, daß ich irre.

  2. Danke für den Ausflug in die Historie. Zu erwähnen wäre noch, dass die Ambulatorien von der ersten Berliner Bürgermeisterin, Louise Schröder, direkt nach dem Krieg für ganz Berlin eingeführt wurden und dann nach der Gründung der BRD und der DDR nur im Ostteil weitergeführt wurden. Gut auch der Hinweis auf die Weimarer Republik. Damals wurde die von der SPD geplante Einführung von Ambulatorien durch einen - rechtswidrigen - Streik der Kassenärzte verhindert.
    Wenn man sich heute die kassenärztliche Versorgung im Wedding anschaut, würde man sich mehr Ambulatorien wünschen.

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