Neulich beim Kaffeetrinken, wir saßen bei Apfelkuchen und Filterkaffee am Familientisch, stand ich plötzlich im Mittelpunkt des Interesses: Und was macht die Arbeit? Fragte meine Oma. „Ich habe gestern im Supermarkt gearbeitet“, sagte ich. Meine Oma ist über 80 Jahre alt, weiß aber genau, dass ich keine Verkäuferin bin sondern Journalistin. Ich stach mit der Gabel ein weiteres Stück des Kuchens ab und versuchte eine Erklärung: „Die Supermarkt Studios sind ein Coworking Space. Alle reden doch vom Coworking und da wollte ich es einfach mal ausprobieren.“ Ihr Gesichtsausdruck ließ mich innehalten. Coworking was? Neugierig und ein wenig ratlos schaute sie mich an während sie mir Kaffee nachschenkte und auf eine Erklärung wartete.
Gern hätte ich Ela in diesem Moment an meiner Seite gehabt. Ela Kagel und meine Oma würden sich gut verstehen, auch wenn sie in sehr verschiedenen Welten zuhause sind. Oma in ihrem Haus mit dem großen Garten vor den Toren der Stadt, dem ruhigen Leben ohne Internet. Ela dagegen wechselt innerhalb von Sekunden von Deutsch zu Englisch, von Twitter zu Facebook mit Handy am Ohr, organisiert, spricht mit Künstlern und Menschen aus der Kreativwirtschaft: bei ihr laufen die Drähte heiß.
Ela Kagel und meine Oma lieben den Austausch, beide sind offene, aufmerksame und sehr nette Gastgeber, ich fühle mich bei beiden wohl. Sie würden sich gut verstehen. Doch Ela hat keine Zeit. Gerade jetzt wuselt sie in der Brunnenstraße herum, sitzt sicher im Supermarkt-Studio 2 oder 3 an einem der Schreibtische und organisiert das, was ich nun meiner Oma erklären will: Coworking – moderne Bürogemeinschaften an gemieteten Schreibtischen.
Trend aus den USA ist längst im Wedding angekommen
Coworking ist insbesondere in den USA verbreitet. In Deutschland gibt es ungefähr 230 Coworking-Bürogemeinschaften, in Berlin sind es etwa 50. Der Trend ist in den letzten Jahren auch im Wedding angekommen. Insbesondere Freiberufler, Kreative, kleine Unternehmen und so genannte digitale Nomaden nutzen die Arbeitsplätze und die dazugehörige Infrastruktur in den Supermarkt Studios im Brunnenviertel, im Stattbad Wedding in der Gerichtstraße, in der Alten Kantine in der Uferstraße, im Raumteiler in der Türkenstraße und in vielen weiteren Gemeinschaftsbüros.
In den Supermarkt-Studios bedeutet Coworking: ein schlichter Schreibtisch, eine silberne Schreibtischlampe, ein Drehstuhl, ein Papierablagefach in Silber, eine Steckdose, Scanner, Kopierer, drahtloses Internet. Dazu Wasser, ein Sofa, hübsche Bilder an den Wänden, ein Besprechungsraum nebenan, ein freier Blick durch raumhohe Fenster auf die Brunnenstraße. Ela nennt das Galerie-Arbeitsplatz. An den vermieteten Schreibtischen sitzen Architekten, Kulturwissenschaftler, Anwälte, mit verschiedensten Projekten beschäftigte Büromenschen. Sie können ihr Mini-Büro an allen Tagen in der Woche zu jeder Tages- und Nachtzeit nutzen. Mittendrin hat Ela Kagel ihren Platz. Die freie Kuratorin und Produzentin organisiert von dort auch die Aktivitäten im Veranstaltungssaal Supermarkt in der Brunnenstraße 64 ein paar Häuser weiter.
Meine Oma schaut mich weiter fragend an. Sie hat noch nie etwas von Coworking gehört, ihr Arbeitsleben liegt 20 Jahre zurück. „Coworking bedeutet, dass man einen Büroarbeitsplatz mieten kann. Dort hat man alles, was man braucht und muss nicht ein ganzes Büro zahlen“, sage ich endlich. Über Omas Gesicht huscht ein Lächeln. „Na dann kommst du endlich mal unter Leute, Mädel!“
Die Supermarkt Studios sind schon lange geschlossen. Coworking gibt es im Wedding dafür inzwischen umso mehr: Corworking im Wedding
Text und Foto: Dominique Hensel
sehr nett geschrieben 🙂
zur Ergänzung:
http://www.wiwo.de/erfolg/beruf/coworking-spaces-gemeinsam-statt-einsam/10125968-all.html