8 Versuche, einen Lesebühnentext ohne Corona-Bezug zu schreiben (von Heiko Werning)
Corona, Corona, Corona. Zweifellos, wir stehen vor einer in unserer Lebenszeit noch nie dagewesenen Situation. Zehn Wochen Osterferien! Und schon wieder kein Klopapier mehr! Dennoch, so sagen immer mehr Menschen, es ist nicht gut, wenn sich immer alles nur noch um das Virus und seine Folgen dreht. Für klassische Komponisten ist es vermutlich kein allzu großes Problem, eine virenfreie Fuge zu schreiben. Aber für Lesebühnen-Autoren? Die in ihren Texten üblicherweise auf Zeitgeschehen und Alltag eingehen? Eine echte Herausforderung. Aber ich nehme sie an!
1) Lob der sozialen Medien
Was ist nicht alles gestritten und gezetert worden über die sozialen Medien. Dabei können sie uns Abwechslung und Zerstreuung bieten, gerade auch in Zeiten, wo wir uns vielleicht mal ein bisschen isoliert … abgebrochen
2) Im Supermarkt
abgebrochen
3) Beim Bäcker
abgebrochen
4) Der Neue
„Die Architekturstudentin hat einen Neuen“, sagt meine Liebste. Die Architekturstudentin wohnt in der Wohnung über dem Arbeitszimmer meiner Frau. Allerdings kann sie aus ihrem Arbeitszimmer nicht auf den ersten Innenhof sehen. Anders als ich. Ich sehe genau, wer bei uns aus und ein geht. „Tatsächlich?“, frage ich verblüfft, „also, bei mir am Fenster habe ich immer nur den Alten vorbeigehen sehen, vorhin noch. Wie kommst du denn darauf, dass sie einen Neuen hat?“ „Na ja, hör doch mal!“ Ich lausche kurz nach oben. Und ja: Eindeutiges Stöhnen und Wummern. „Ja und?“, frage ich verwirrt, „hatte sie mit dem Alten keinen Sex?“ „Doch, aber ja nicht ständig. Aber seit ein paar Tagen geht das wirklich jeden Abend so.“ „Na ja, was sollen sie denn sonst machen?“ abgebrochen, danach ins Schlafzimmer
5) Fabeln neu erzählt: Hase und Igel
Der Hase und der Igel streiten darüber, wer von ihnen am schnellsten sei. Eines Tages verabreden sie einen Wettlauf. Doch bevor es zu ihrem Wettstreit kommt, werden leider alle Sportveranstaltungen abgesagt. abgebrochen
6) Netflix
Wie gut, dass wir ein Netflix-Abo haben. Abends schön mit der Liebsten aufs Sofa, ein paar Chips auf den Tisch gestellt, dann mal schauen, was so im Angebot ist. „Beliebteste Filme derzeit“ – hm… „Pandemie“. „Infected“. „Outbreak.“ abgebrochen
(Der letzte Donnerstag zum Nachschauen auch auf YouTube)
7) Fernsehgucken
Dann gucken wir eben einen Spielfilm im ZDF. Produktionsjahr 2019. Es kommt einem vor wie ein Historienfilm. Es wirkt einfach alles nicht richtig. „Die stehen doch viel zu dicht beieinander!“, durchfährt es mich. „Worüber reden die denn da eigentlich?“, fragt die Liebste, „Fußball-Ergebnisse vom Wochenende? Wo leben die denn?“ „Guck mal, die gehen ins Kino!“, vermelde ich aufgeregt. abgebrochen
8) Tatort TV
Dann gucken wir eben einen Tatort im Ersten. „Beim Tatort geht es immer auch ums aktuelle Zeitgeschehen und gesellschaftlich relevante Themen“, sagt die Liebste. „Bestimmt schreiben sie schon den Fall Die Maske.“ „Nein, viel besser“, sage ich, „Mord in der Quarantäne! Ein unsympathischer Unternehmer bringt seine Frau um. Niemand bemerkt es, weil ja Quarantäne ist und es nicht weiter auffällt, dass sie nirgendwo mehr auftaucht.“ „Ja, fein“, ruft meine Frau, „nächste Folge: StayTheFuckAtHome! Ein extrem um die Alten und Schwachen besorgter, sozial engagierter, sehr moralisch denkender Mann regt sich immer mehr darüber auf, dass Leute in die Sonne gehen oder Eis schleckend auf den Stufen vor dem Haus sitzen. Manche lachen sogar! Er schießt Fotos davon und stellt sie bei Facebook ein, seine Social-Media-Crowd überbietet sich in entsetzen Kommentaren über den rücksichtslosen Pöbel da draußen. Als dann auch noch zwei Kinder zum Ballspielen aus seinem Haus gehen wollen, lockt er sie zu sich hoch und bringt sie kurzerhand um. Ihr werdet keine alten und schwachen Menschen mehr gefährden, flüstert er zufrieden lächelnd, als er ihre Leichen in Säure auflöst und das Klo hinunterspült“. „Natürlich im Klo“, jubele ich, „Folgentitel: Das Klopapier – Inhalt: Im Edeka ist eine neue Lieferung Klopapier eingetroffen, da kommt …“ – endgültig abgebrochen.
Die Brauseboys – Lesebühne im Wedding – Voll unter Strom!
Seit siebzehn Jahren jede Woche neue Texte, Betrachtungen, Musik und belebende Heiterkeit, seit Beginn der Isolation im Livestream. Da fliegen die Herzen, wir sind da, und ihr seid da, liebe Zuschauer, selbst wenn ihr ganz woanders seid. Live und in Farbe auf Facebook. Wir herzen so viel zurück, wie wie wir können.
Ab 20.15 Uhr einschaltbar auf unserer Facebook-Seite, auch ohne Account. Da Facebook eine praktische Restreaming-Funktion hat, wird der Livestream diese Woche auch auf der Weddingweiser-Śeite bei Facebook übertragen.