Das Café Pförtner hat viele Gesichter. Beginnen wir erst einmal mit dem Essen, denn die Mittagskarte mit täglich vier neuen Gerichten wechselt abends in eine Karte mit ambitionierten Speisen. Daneben gibt es auch Kaffeespezialitäten, Kuchen und jede Menge ungewöhnliche Biersorten, meistens aus Franken. Aber das Café erzählt noch mehr Geschichten, und die haben viel mit dem fast verschwundenen Berlin der Nachwendezeit zu tun.
Peter Ullrich ist gebürtiger Franke und vor knapp zehn Jahren in den Wedding gezogen. Vorher betrieb er mehrere Lokale an der Torstraße in Alt-Mitte, doch die Goldgräberzeit der 90er war irgendwann unweigerlich vorbei, der Kapitalismus hatte alle kreativen Orte aufgefressen. Gemeinsam mit einem Künstler, Fred Rubin, hatte er in seinen Lokalen Relikte aus DDR-Gebäuden oder Straßenlaternen umfunktioniert oder Metallpaletten in Sitzmöbel verwandelt. Nunmehr in den Weddinger Pankekiez vertrieben, übernahm er 2015 das Café Pförtner, das schon vorher als Künstlertreffpunkt rund um den ehemaligen Linienbus auf dem Hof der Uferhallen bekannt war.
Findet man im Ostteil Berlins noch das, was die unmittelbare Nachwendezeit ästhetisch ausgestrahlt hat, und weswegen noch immer so viele Besucher nach Berlin kommen? Kaum noch. Dafür aber im Wedding. „Der Westen verostet“, sagt Bildhauer Fred Rubin, „30 Jahre hat es gedauert, bis man die Ästhetik der DDR zu schätzen gelernt hat.“ Jetzt findet man die 90er-Atmosphäre eben in der Uferstraße, zumindest noch. Denn auch die Uferhallen sind von Aufwertung bedroht, die ersten Aufstockungsarbeiten für teure Wohnungen stehen in den Startlöchern.
Und ebenso wie das Ostberlin der frühen 90er ist das Café Pförtner ein einziger Abenteuerspielplatz. Denn verspielt, ja, das ist wohl der beste Ausdruck, um das alles zu beschreiben: verschnittene, dunkel-geheimnisvolle Innenräume der ehemaligen Pförtnerloge der BVG-Werkstatt, ein Anbau mit einem schwarzen Flügel, auf dem manchmal Gäste spontan Klavier spielen, ein Außenbereich im Uferhallenhof, begrenzt durch den blauen 70er-Jahre-Linienbus, in dem man natürlich Busfahrer spielen oder sich einfach in die Plastikschalensitze fallen lassen kann. Zur Uferstraße hin sind ebenfalls viele Tische, die aus Metallpaletten der benachbarten Brache zu Sitzgelegenheiten und Pflanzenkübeln umfunktioniert wurden. Die typischen DDR-Rundscheibenleuchten, die Ostberlin früher in das charakteristische trübe gelbe Licht getaucht haben, finden sich dort ebenfalls, künstlerisch zu einer Lampengruppe zusammengeschweißt. Fred Rubin, der in Paris studierte, hat somit ein Stück DDR-Design in den Wedding verpflanzt.
Drinnen ist auch Kunst zu finden, „nur Bilder, die ich auch wirklich sehr mag“, sagt Betreiber Peter. Ansonsten wirkt alles dunkel, industriell, retro, aber zugleich auch von zeitloser Schönheit. Schwer zu sagen, wie alt manche Einrichtungsgegenstände sind. Und doch ist das Restaurant ganz Kind der Jetztzeit, die Beschriftung der Tafel über der Theke erfolgt zwei Mal täglich neu. Der Wechsel der Speisen, das täglich aufs Neue Überraschende ist dem Café Pförtner wichtig. Man kann in die halboffene Küche hineinschauen, die Freude am Kochen spürt man als Gast. Und wer sich dann auch noch auf Bier aus Franken, dem Bierland par excellence, einlässt, findet dort auch viele Sorten wie Spalter Stadtbräu, Nürnberger Schanzenbräu und Berg Kristallweizen.
Wenn ihr also im Wedding die 90er in Ostberlin (wieder) erleben möchtet, Spaß an einem ausrangierten Linienbus und jeder Menge künstlerischem Upcycling-Charme habt, sei euch der Besuch des Café Pförtner ans Herz gelegt. Wegen des abwechslungsreichen Essens sowieso.
Café Restaurant Pförtner, Speisekarte online, Instagram
Uferstr. 8
Mo-Fr 9 – 0 Uhr, Sa 11 – 0 Uhr, So Ruhetag
Ich hoffe dass der liebevoller Platz uns lange erhalten bleibt!