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Neu in der Wiesenstraße:
Café Humboldthain: Zwischen zwei Welten

26. April 2024

Was ist der Unterschied zwischen einem türkischen Backshop und einem typischen Hipstercafé? Über diese Frage kann jede und jeder bei einem Besuch im Café Humboldthain mal nachdenken. „Überprüfe deine Vorurteile“ wäre ein guter Beiname für die neue Gastronomie in der Wiesenstraße 2, die vor vier Wochen ihre Türen öffnete. Ich habe das Café ganz unvoreingenommen (zwei Mal) ausprobiert.

Chef hinterm Tresen: Deniz Cam ist Betreiber des Café Humboldthain. Foto: Hensel
Chef hinterm Tresen: Deniz Cam ist Betreiber des Café Humboldthain. Foto: Hensel

Früher muss hier mal ein Waschsalon gewesen sein. Ich bin vielleicht noch nicht lange genug Weddingerin, um mich daran zu erinnern. Oder es ist einfach sehr lange her. Jedenfalls kann man die Umrisse des Wortes „Waschsalon“ über dem Geschäft noch erkennen. Ich freue mich, dass der Betreiber Deniz Cam die Schatten der Vergangenheit an der Fassade belassen und nicht überstrichen hat. Zu den schemenhaften Buchstaben hat Deniz ein Leuchtschild mit einem neuen Logo montiert. Es ist in mutigem Lila und zeigt neben dem Namen ein Croissant und eine dampfende Kaffeetasse. Das Logo sagt viel, erinnert es mich gleichzeitig an irgendein Weddinger Backshop-Logo und zugleich an die Kaffeerösterei Flying Roasters (wegen der Farbe).

Im Café empfängt mich ein buntes, aber wohl arrangiertes Durcheinander: ein Verkaufstresen mit vielen Torten, homemade Pizza, gefüllte und nicht gefüllte Croissants, Simits, belegte Brötchen. Der Blick fällt auf eine große Saftpresse für den frischgepressten Orangensaft. Sie steht dort, wo sonst die Kaffeemaschine steht, die anderswo bewusst zentral aufgestellt ist. Der Kaffeebereiter ist im Café Humboldthain irgendwo hinter einer Auslage eher versteckt. Er ist hier nicht wie in manchen Haushalten, in denen der Fernseher im Wohnzimmer das zentrale Gestaltungselement ist - oder der Porsche vor der Haustür. Ungewohnt.

Über die Wahl der Kaffeebohnen gibt Deniz Cam gern Auskunft. Er hat sich nicht für die lokale Rösterei um die Ecke entschieden, er brüht Lavazza Crema-Bohnen auf. Aber natürlich gibt es bei ihm alle Kaffeevariationen auch mit Milchalternativen und der richtigen Hafermilch. Zum Kaffee dazu gibt es morgens für die Vorort-Gäste verschiedene Frühstücke. Auf der Karte stehen zum Beispiel ein „Süßes Frühstück“ mit Buttercroissant, Marmelade, Nutella und Obst (4,90 Euro) und „Humboldt's Veggie“ mit Tomaten-Bohnen, Humus, Guacamole, Obst, Früchten und warmen Brot (7,50 Euro). Ich selbst probiere das „Weddinger Original“ mit Sucuk, gekochtem Ei, Oliven, Salat und einem Sesamring (8,50 Euro), meine Begleitung nimmt „Menemen“, bestehend aus Rührei mit Tomaten und Paprika auf türkische Art, Salat, Butter und warmem Baguettebrot (7,90 Euro). Beide Frühstücke waren sehr schmackhaft und kamen sehr schnell. Die Schnelligkeit ist kein Wunder, denn der Betreiber arbeitet mit beachtlichem Personaleinsatz.

Frühstück für unterwegs und für hier

Bei meinem ersten Besuch war es voll im Café. Eine Gruppe türkischer Frauen hatte es sich auf der dunkelgrünen Polsterbank gemütlich gemacht. An den Tischen am Fester saßen ebenfalls Gäste und auf der Sitzmöglichkeit mit den Barstühlen vor dem Fenster hatte sich jemand (mit einem Buch) gesetzt. Für mich und meine Begleitung blieb ein schöner Tisch mit zwei Kinoklappstühlen aus ehemaligem NVA-Bestand. Bei meinem zweiten Besuch war ich fast allein im Laden. Dafür kamen ständig Menschen herein, die das Café Humboldthain als Unterwegs-Bäckerei benutzten: Kaffee to go, Simit to go, Croissant to go, bitte! Zwei Handwerker schauten ebenfalls zum Frühstück vorbei. Wenn sie mittags wiedergekommen sein sollten, gab es für sie ebenfalls ein Gericht oder zwei im Angebot. Weil ich es nicht ausprobiert habe, schreibe ich nichts dazu. Kommentiert gern eure Erfahrungen mit dem Mittagsangebot.

Ich kann sagen, dass ich mich im Café Humboldthain sofort wohlgefühlt habe. Ob das ein Verdienst des beauftragten Innenarchitekten ist? Er hat die Wände dunkelgrau gestrichen, hat viele Uhren im Laden verteilt, schöne alte Dinge mit Pragmatischem aus der Jetztzeit kombiniert und aus den Stangen, die einst die Brote des Backshops trugen, einen Raumteiler gebastelt. Einige befreundete Künstler des Stattlab-Kollektivs haben für die grauen Wände ein paar Drucke zur Verfügung gestellt. Das wirkt sehr fein. Oder liegt es an Deniz Cam, dass ich mich willkommen fühle? Er ist ein sehr offener und plauderfreundlicher Mensch. Wenn er selbst hinterm Tresen steht und davon berichtet, was ihm wichtig ist, fühlt man sich sofort als Freund des Hauses. Oder liegt es an der Diskomusik aus den 1980er Jahren, die mich umhüllt? Last Night a DJ Saved My Life ...

Die Öffnungszeiten erinnern dann ganz und gar nicht an ein Hipstercafé, bei dem davon ausgegangen wird, dass in Berlin vor 10 Uhr morgens keiner aufsteht. Sie erinnern ein wenig mehr an den Späti schräg gegenüber (Der kleine Laden), den Deniz Cam ebenfalls zu seinem Reich zählt. An der Tafel am Eingang des Café Humboldthain steht geschrieben: Mo-Fr 05:04-22:06 h, Sa-So 07:03-22:04 h.

Beim Nachdenken über den Gegensatz türkischer Backshop versus typisches Hipstercafé fällt mir noch ein, dass ich in letzter Zeit öfter solche Fusion-Geschäfte gesehen habe: türkische Besitzer, die ganz bewusst versuchen, sowohl ein türkisches als auch ein bio-deutsches Publikum anzusprechen. Sie mischen die gewohnte Optik aus Mitte mit Akzenten aus dem Wedding und typische Angeboten aus beiden Welten und orientieren sich mit den Preisen irgendwo dazwischen. Für mich ist das ein interessanter Versuch. Eine Brücke, über die ich sehr gern mal wieder gehe an einem Weddinger Morgen.

Café Humboldthain, Wiesenstraße 2, Mo-Fr 5.04-22.06 Uhr, Sa-So 7.03-22.04 Uhr geöffnet, Instagram: www.instagram.com/cafe_humboldthain

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