Alle zwei Wochen fährt Cornelia Holl in die Osloer Straße – wegen der Bücher. An der Straße, im Vorgarten des Labyrinth Kindermusems, steht die gelbe Bücherbox. Darin stehen Bücher, die Menschen aussortiert haben und die andere kostenfrei mitnehmen dürfen. Cornelia Holl schmöckert gern in der ehemaligen Telefonzelle, nimmt sich ein Buch mit. Doch das ist nicht ihre eigentliche Motivation für den Besuch im Soldiner Kiez. Cornelia Holl hat vor zehn Jahren die Patenschaft für die Bücherbox übernommen.
„Am 13. September 2013 habe ich angefangen“, sagt Cornelia Holl. Ein Jahr zuvor war sie aus dem Allgäu nach Berlin gezogen und suchte ein Projekt, um in der neuen Heimat anzukommen. „Ich wollte nicht nur Touristin sein, ich wollte etwas tun“, sagt sie. Im Internet hat sie ein Inserat der Freiwilligenagentur Mitte gefunden, die jemanden suchte, der sich ehrenamtlich für die Bücherbox engagiert. „Das war wie ein Sechser im Lotto für mich“, sagt Cornelia Holl. Seitdem kümmert sie sich ein bis zwei Stunden in der Woche um die Bücherbox.
Jede zweite Woche fährt die Freiwillige zur Fabrik Osloer Straße, schaut die Bücher durch, die abgegeben wurden und im Zwischenlager warten, räumt in der Bücherbox auf, füllt Lesestoff nach, redet mit den Nutzerinnen und Nutzern, die sich trifft. Doch ihre Aufgabe sieht sie auch so, dass sie selbst für Bücherspenden sorgt. Sie sammelt im Bekanntenkreis ausgelesene Bücher ein, geht zu Haushaltsauflösungen, holt Bücherspenden ab. Doch allein ist sie nicht mit der Bücherbox. „Die Mitarbeiter:innen der Freiwilligenagentur vertreten mich, wenn ich im Urlaub bin, alle helfen hier mit“, sagt Cornelia Holl. Auch der Hausmeister der Fabrik Osloer Straße sieht an der Bücherbox öfter nach dem Rechten. Außerdem gebe es offensichtlich einige unbekannte Kümmerer, die auf die Bücherbox in der Osloer Straße achten.
Es ist etwas traurig, aber verständlich: Die engagierte Freiwillige, die bald 80 Jahre alt wird, möchte sich langsam aus dem Ehrenamt verabschieden und sucht eine Nachfolge. „Ich möchte das nicht so lange machen bis ich die Taschen mit den Büchern nicht mehr tragen kann. Es ist so wunderbar, hierher zu kommen, ich fühle mich so angenommen. Ich möchte mich fröhlich verabschieden“, sagt sie. DAs Ehrenamt, so versichert sie nochmals, können sie wirklich empfehlen. Wer Interesse hat, in Cornelia Holls Fußstapfen zu treten, der kann sich per E‑Mail unter [email protected] bei Maike Janssen von der Fabrik Osloer Straße melden.
Der Text entstand in Zusammenarbeit mit der Weddinger Allgemeinen Zeitung (–> E‑Paper), der gedruckten Zeitung für den Wedding. Autorin ist Dominique Hensel. Wir danken dem RAZ-Verlag!