Mit seinem Lichthof und der Fassade aus Keramik wirkt der Neubau des buddhistischen Fo-Guang-Shan-Tempels in der Ackerstraße wie ein aus Versehen im Wedding geparktes Museum für moderne Kunst. Schon der alte Tempel an gleicher Stelle, der selbst vielen Weddingern nicht bekannt war und nun im Juni abgerissen wird, wirkt wie ein Portal in eine andere Welt. Von außen unscheinbar wie eine Lagerhalle findet man sich auf einmal in Südostasien wieder, wenn man über die Türschwelle ins Innere tritt: Durch edle chinesische Holzgitterfenster bricht sich das Licht und fällt auf einen Altar mit drei goldenen Buddhas. Von der Decke hängen rote Lampions. Buddhistische Nonnen in braunen Roben empfangen den Besucher mit zusammengefalteten Händen und einer kleinen Verbeugung. Willkommen auf „Buddhas Berg des Lichts”, wie sich Fo Guang Shan übersetzen lässt.
Schon 1992 hatte der in den Sechzigerjahren in Taiwan gegründete Orden im ehemaligen Todesstreifen unweit der Liesenbrücken seine erste Berliner Gebetshalle eröffnet. Der Tempelbau war zuvor Teil einer Fabrik für Autoteile gewesen. Die Nonnen waren nebenan in einer angrenzenden Wohnung untergebracht. „Noch immer fragt man uns, warum wir überhaupt im Wedding sind”, lacht Miaoshiang Shih, die aus Taiwan stammende Meisterin des Tempels. „Wir hatten damals keine Ahnung. Wir suchten einfach einen Ort, der groß genug war für das, was wir uns vorgestellt hatten.”
Früher kamen vor allem Auslandschinesen, um zu meditieren und jeden Sonntag die buddhistischen Sutras auf Mandarin zu singen. Heute finden sich auch nicht-asiatischstämmige Buddhisten und andere Neugierige ein, um die Übersetzungen in den ausliegenden Gebetsbüchern mitzulesen oder sich einfach in der andächtigen Atmosphäre zu versenken. „Im Schnitt kommen 40 bis 80 Menschen zur Andacht. An Feiertagen kommen auch mal über 100 und an Buddhas Geburtstag oder Chinesisch-Neujahr noch einige mehr”, sagt die Meisterin mit dem geschorenen Kopf. Ein besonderer Reiz ist auch das vegetarische chinesische Essen, das es am Sonntag nach der Andacht für die Besucher umsonst gibt.
Wie andere buddhistische Orden Taiwans legt Fo Guang Shan Wert auf einen humanistischen, wohltätigen Buddhismus. In Berlin beteiligt sich der Tempel etwa an Kleider- und anderen Spendensammlungen. Dabei wurden Taiwans Orden auch vom Christentum inspiriert, dessen Missionare vor mehr als 100 Jahren Schulen und Krankenhäuser auf der Insel errichtet hatten. Heute ist Fo Guang Shan eine millionenschwere, global operierende Organisation, die in 173 Ländern aktiv ist, Tempel, Akademien, Verlage und Schulen unterhält und sogar eine eigene Zeitung herausbringt. Dass Taiwans Buddhisten so global ausgerichtet sind, hat auch mit der politischen Ausnahmesituation der demokratisch regierten Insel zu tun. Das benachbarte China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz, die so bald wie möglich mit dem Mutterland vereint werden muss. Die meisten Staaten erkennen Taiwan aufgrund des Drucks aus der Volksrepublik China nicht als souveränen Staat an. Auch deshalb muss das Land auf andere Weise diplomatische Kontakte pflegen. Der wohltätige Buddhismus, der sich vor allem auch im Katastrophenschutz engagiert, ist dabei ein unverfänglicher Weg, der viel zum Prestige Taiwans im Ausland beiträgt.
Dass Fo Guang Shan in Berlin nun in einen neuen Tempel investiert, hat auch mit der Bausubstanz zu tun, die durch schlecht abfließendes Schichtenwasser über die Jahre hinfällig geworden ist. Fast hätten sie ihren Standort in der Ackerstraße verlassen. Intern diskutierte man, ob der neue Tempel nicht zu groß für die etwas abgelegene, industriell geprägte Ecke ist. Entworfen hat den schicken Neubau das Büro des französischen Architekten Fréderic Rolland, das auch den größten buddhistischen Tempel Europas nahe Paris gebaut hat. Ein Relokalisierung nach Tempelhof wurde in Betracht gezogen. Dass man sich schließlich doch entschloss, hier zu bleiben, habe auch mit den guten Erfahrungen in der Nachbarschaft zu tun, sagt Shih. Über all die Jahre sei es außer kleinen Diebstählen und Graffiti-Schmierereien nicht zu Problemen gekommen. Die Nachbarn, von denen viele Muslime sind, wüssten dass sich hier eine religiöse Stätte befindet und würden das sehr respektieren, sagt sie.
Aufgrund finanzieller Probleme des Generalunternehmers und Materialengpässen durch die Covid-Pandemie wird der Tempel nun erst vier Jahre später fertig als geplant. Im Sommer soll es eine Eröffnungszeremonie für das Haupthaus geben. Wenn die alte Halle abgetragen ist, soll dort ein Zen-Garten mit Sitzgelegenheiten und kleiner Bühne entstehen. Dann könnte der bisher unscheinbare Tempel noch mehr Besucher anziehen, hofft Shih. Ein bisschen Wehmut herrsche in der Gemeinde aber trotzdem angesichts des Abrisses der über die Jahre lieb gewonnen Werkstatthalle. „Alle sagen Schade”, erklärt die Meisterin. „Aber im Buddhismus sagen wir auch: Alles ist vergänglich. Der Abriss ist so auch eine Lehre für die Gläubigen. Die schönen Erinnerungen bleiben im Herz erhalten.”
Hinweis: Der Tempel wurde im Juni 2024 eröffnet.
Leute, das ist kein Restaurant.
Nicht schade sondern toll!
Wenn es diese Läden nicht gäbe, hatten Sie jetzt überall McDonalds und Starbucks. Finden sie am Zoo noch Mittagslokale?!
Die Zeiten ändern sich nun Mal, da bringt es nicht zu mecken und zu heulen.
Hallo , ich bin eine Ur Weddingerin.
Es macht much traurig und wütend was aus dem Wedding geworden ist.
Die Müllerstr. vom Kutschi bis zum Leo war mal eine Einkaufsmeile wie am Kudamm. Heute sehe ich NUR Essenläden die keinen einzigen traditionellen Mittagstisch anbieten.
Der Wedding ist LEIDER nicht mehr für die Menschen die dort geboren wurden und weiterhin dort leben.
Schade………
Was genau hat das mit dem buddhistischen Tempel zu tun? Der belebt ja eine Ecke, die vorher absolut tot war – und ein Essensladen ist das auch nicht. Bitte beim Thema bleiben!