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Charme ist geblieben:
Black Wedding Bar: “So ein Juwel!”

11. Februar 2023
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Kaum hat­ten Wieb­ke From­holz und Jenif­fer Mulin­de-Schmid die Türen ihrer „Black Wedding“-Bar in den Räu­men der frü­he­ren „Wil­ma-“ auf­ge­macht, da schnei­te auf Goog­le schon die ers­te Nega­tiv-Bewer­tung her­ein: „Vor­her war es bes­ser!“ „Alten Besit­zer raus geschmis­sen und jetzt (Geld macht es mög­lich) einen auf Fan­cy machen! Nach­ge­mach­te Sache!“

Die bei­den Betrei­be­rin­nen schüt­teln noch immer ungläu­big den Kopf, wenn sie an die Mut­ma­ßun­gen des unbe­kann­ten Gas­tes den­ken. „Uns wur­de ange­las­tet, wir wären die Bösen, die jetzt den Wed­ding gen­tri­fi­zie­ren.” Von einem Raus­schmiss kön­ne kei­ne Rede sein. Nach­dem die Betrei­ber der Wil­ma nach dem Ende ihres Ver­tra­ges schlie­ßen muss­ten, woll­te der Eigen­tü­mer eigent­lich eine Pra­xis in dem zwei­stö­cki­gen Hin­ter­hof-Gemäu­er ein­rich­ten. Doch dann konn­ten sich From­holz und Mulin­de-Schmid mit ihrer Bewer­bung für eine Bar doch noch durch­set­zen. „Die Räu­me stan­den nicht nur leer, sie waren auch in einem erbärm­li­chen Zustand“, erin­nern sich die bei­den. „Der Fuß­bo­den war raus­ge­ris­sen, die elek­tri­schen Lei­tun­gen in der Wand waren durch­ge­schnit­ten. Es gab kei­ne Toi­let­ten, kein Wasch­be­cken.“ Bis zur Neu­eröff­nung Ende Novem­ber 2022 zwei­fel­ten sie immer wie­der, ob sie sich mit der Bau­stel­le nicht zu viel auf­ge­halst hat­ten. „Es war eine gro­ße Her­aus­for­de­rung für uns bei­de. Wir haben unser pri­va­tes Geld rein­ge­steckt und einen Groß­teil unse­rer Freizeit.“ 

From­holz und Mulin­de-Schmid sind kei­ne Geschäfts­part­ne­rin­nen im klas­si­schen Sin­ne. Vor fünf­zehn Jah­ren lern­ten sie sich zufäl­lig über ihre Arbeit ken­nen und wur­den bes­te Freun­din­nen. Jen­ny Mulin­de-Schmid war frü­her eine bekann­te Schau­spie­le­rin und Stand-Up-Komi­ke­rin, die auf der Büh­ne unter dem Namen „schwar­ze Hei­di“ mit Geschich­ten über ihre afroschwei­ze­ri­sche Her­kunft Ste­reo­ty­pe aus­he­bel­te. Nach­dem ihr Vater im Janu­ar 2011 gestor­ben war, hing sie die Come­dy an den Nagel und eröff­ne­te ein Restau­rant in Kreuz­berg mit Schwei­zer Küche, eben­falls „Schwar­ze Hei­di“ genannt. Wieb­ke From­holz arbei­tet haupt­be­ruf­lich als Film­pro­du­zen­tin. Für den Film „Hon­ecker und der Pas­tor“ wur­den ihr Team und sie gera­de für den Grim­me-Preis nomi­niert. Die Wege der bei­den kreuz­ten sich, als Mulin­de-Schmid bei einer Film­pro­duk­ti­on von From­holz ihr Restau­rant für das Abschluss­fest bereit­stell­te. Gemein­sam eine Bar zu eröff­nen ent­wi­ckel­te sich von einer spon­ta­nen Idee zum bis­wei­len ner­ven­auf­rei­ben­den Team-Effort. „Wenn eine von uns down war und auf­ge­ben woll­te, bau­te die ande­re sie wie­der auf und umge­kehrt“, erin­nert sich From­holz. Dass sie im Wed­ding gelan­det sind, ist dabei kein Zufall. Bei­de haben jah­re­lang im Kiez gewohnt, auch wenn sie aus fami­liä­ren Grün­den mitt­ler­wei­le woan­ders leben. „Es gibt kei­nen so zen­tra­len Bezirk, wo zwei Nor­ma­los wie wir noch eine Bar eröff­nen kön­nen – und dann noch so ein Juwel wie das hier.“ Der Wed­ding sei für die bei­den noch immer ein Aus­nah­me­vier­tel in Ber­lin. „Ich bin froh, dass ‚der Wed­ding kommt‘, aber dabei noch immer ein lang­sa­mes Tem­po vor­legt“, sagt From­holz, die ihre Wochen­en­den der Bar wegen nun wie­der oft hier verbringt. 

Dass das “Black Wed­ding” nun fan­cy Mit­te-Chic in die leb­haft-raue Bad­stra­ße gebracht habe, ist wirk­lich weit her­ge­holt. Die Unter­schie­de zur alten Wil­ma-Bar sind eher im Detail zu spü­ren, in der Beleuch­tung, die weni­ger schumm­rig ist und den Floh­markt-Ses­seln, die ein biss­chen wei­cher und sau­be­rer sind als frü­her. „Wir woll­ten den alten Charme erhal­ten, aber ein biss­chen gepfleg­ter machen“, sagt Mulin­de-Schmid. Nicht ganz so stu­den­tisch wie frü­her ist auch das Ange­bot an Drinks: Neben Bier legen die bei­den Wert auf guten Wein und eine Aus­wahl Cock­tails, von denen vor allem meh­re­re Whis­key-Sour-Vari­an­ten her­vor­ste­chen. Auch Ver­an­stal­tun­gen wird es wei­ter­hin geben, zum Bei­spiel Lie­der­aben­de mit Live-Rem­be­ti­ko, dem grie­chi­schen Blues. Auch Stand-up-Come­dy gibt es jeden Sonn­tag, wobei sich Mulin­de-Schmid sogar vor­stel­len kann, in ihrer eige­nen Bar mal wie­der als „schwar­ze Hei­di“ auf­zu­tre­ten. Obwohl die bei­den noch wenig Wer­bung gemacht haben, sei das Feed­back der Gäs­te bis­lang gut, sagen die Betrei­be­rin­nen – auch auf Goog­le, wo der ein­gangs erwähn­te Schmäh-Kom­men­tar mitt­ler­wei­le unter vie­len Kom­pli­men­ten untergeht. 

Black Wed­ding Bar

Bad­str. 3839, Ein­gang Tra­ve­mün­der Straße

Mi-So ab 18.00 Uhr – ?

Uns errei­chen auf meh­re­ren Wegen ande­re Dar­stel­lun­gen zum Betrei­ber­wech­sel und Ende der alten Wil­ma. Die­ser Blog­bei­trag kann den vie­len Facet­ten nicht gerecht wer­den. Des­halb freu­en wir uns, wenn wir einen wei­te­ren Arti­kel über das Ver­mächt­nis der alten Wil­ma sowie viel­leicht auch dem neu­en Charme der Rei­ni­cken­dor­fer Wil­ma beim Wed­ding­wei­ser ver­öf­fent­li­chen kön­nen. Ein­sen­dun­gen sind expli­zit erwünscht 😉

Fabian Peltsch

Seit Jugendtagen wollte Fabian Peltsch in immer größeren Städten leben. Vom Dorf am Bodensee arbeitete er sich langsam hoch bis nach Peking. 2013 verschlug es ihn in den Wedding, wo er endlich die Balance zwischen urbanem Wahnsinn und nachbarschaftlicher Heimeligkeit gefunden hat. Hauptberuflich schreibt er als China-Experte für das Medienhaus Table.Media und als Kulturjournalist für den Rolling Stone und den Musikexpress. Sein Hauptquartier liegt am Nordufer.

12 Comments

  1. Was regen sich eigent­lich alle so auf? Ich lebe seit über 30 Jah­ren um Wed­ding und kann sagen das der Wed­ding ein wenig Qali­tät gebrau­chen kann. Kei­ner von uns alten Wed­din­gern will die schlech­ten Zei­ten die wir wahr­lich hat­ten zurück haben. Die Stras­sen waren unsi­cher die Läden schmud­de­lig das will keiner.
    Die gan­zen Zuge­zo­ge­nen die kei­ne Ahnung haben wie der Wed­ding ist oder war sol­len ein­fach mal klei­ne Bröt­chen backen und nicht ver­su­chen was zu ver­än­dern oder zu behal­ten was sie nichts angeht.

    • Die Leu­te regen sich auf, weil in der Kon­se­quenz ein belieb­te und eta­blier­te Bar durch eine ande­re ver­drängt wurde.

  2. Der Arti­kel ist wirk­lich ärger­lich. Den neu­en Betrei­be­rin­nen sei nichts Schlech­tes und die Wer­bung durch Euch natür­lich gegönnt. Aller­dings trifft Euer Bei­trag hier die fal­schen Noten und kommt recht ein­sei­tig daher. 

    Die alte Wil­ma war eine Anlauf­stel­le für Men­schen jeg­li­cher Cou­leur und Aus­rich­tung, was den Ort für vie­le Wed­din­ger und Neu­gie­ri­ge über die Jah­re zu einer kul­tu­rel­len Insti­tu­ti­on und Begeg­nun­s­stät­te gemacht hat – sei es auf ein Ster­ni oder einen Sekt. Neben kul­tu­rel­len Ange­bo­ten (u.a. Auf­tritts­mög­lich­kei­ten für unbe­kann­te Künst­ler) gab es auch ein sozia­les Enga­ge­ment für den Kiez (Essens­aus­ga­be für Bedürftige). 

    Die unwi­der­spro­che­ne Dar­stel­lung, dass die Vor­be­trei­ber die Ein­rich­tung ledig­lich der Ver­wahr­lo­sung anheim haben fal­len las­sen, ist – neben der Tat­sche, dass sie inhalt­lich einer gewis­sen Chuz­pe nicht ent­behrt – anbe­tracht der Rol­le, wel­che die alte Wil­ma im Kiez gespielt hat, ein gro­bes Foul. Auch die Kom­men­tar-Kri­tik an dem neu­en Kon­zept als die bei Neu­eröff­nun­gen zu erwart­ba­re erfolgs­nei­den­de Miss­gunst abzu­tun, wird der Sache in Zei­ten von stei­gen­den Mie­ten und stär­ker wer­den­den Ver­drän­gungs­ten­den­zen nicht gerecht – gera­de im Gesund­brun­nen. Es gibt vie­le Besucher:innnen und Kiezbewohner:innen, die über die Schlie­ßung der alten Wil­ma sehr trau­rig waren und sich nicht wie die neu­en Betrei­be­rin­nen dar­über freu­en kön­nen, dass „der Wed­ding kommt“ und gemüt­li­che und freund­li­che Orte ihrer Hei­mat „gepfleg­ter“ gemacht werden. 

    Wir freu­en uns auf eine Gegen­dar­stel­lung mit einem dif­fe­ren­zier­ten und vor allem fai­ren Blick zu dem The­ma. Dan­ke für Eure Arbeit!

    • Uns errei­chen auf meh­re­ren Wegen ande­re Dar­stel­lun­gen zum Betrei­ber­wech­sel und Ende der alten Wil­ma. Die­ser Blog­bei­trag kann den vie­len Facet­ten nicht gerecht wer­den. Des­halb freu­en wir uns, wenn wir einen wei­te­ren Arti­kel über das Ver­mächt­nis der alten Wil­ma sowie viel­leicht auch dem neu­en Charme der Rei­ni­cken­dor­fer Wil­ma beim Wed­ding­wei­ser ver­öf­fent­li­chen kön­nen. Ein­sen­dun­gen sind expli­zit erwünscht.

  3. Die Wil­ma ist ja in den Rit­ter­land­weg gezo­gen. Das ist zwar schon Rei­ni­cken­dorf, daber defi­ni­tiv einen Besuch wert!
    Ist deut­lich grö­ßer jetzt und es gibt sogar einen Gar­ten, den schumm­ri­gen Charm hat man sich zum Glück bewahrt.

  4. 1) Die Betrei­ber der Wil­ma muss­ten nach Ver­trags­en­de schlies­sen. Stimmt schon, aber ließ man sie wis­sen, dass die Ver­mie­te­rin kei­nen Bar­be­trieb mehr wünscht.
    2) Die Räu­me waren in einem noch viel schlim­me­ren Zustand, bevor die Wil­ma dort ein­zog – eben­falls ohne Elek­trik, Sani­tär, Hei­zung und Fußboden.
    3) Der “alte Charme” war eben genau das augen­schein­lich weni­ger gepfleg­te und “stu­den­ti­sche” Ant­litz, wel­ches nicht nur den zahl­rei­chen Gäs­ten genau so gefal­len und eben jene beson­de­re Atmo­sphä­re erschaf­fen hat, die nun unwie­der­bring­lich ver­schwun­den ist.
    Guten Wein und teu­re Cock­tails auf beque­men Floh­markt­mö­beln gibts doch in Ber­lin schon genug! Aber einen Ort, wo wirk­lich jede/r will­kom­men war, ob Por­sche­fah­rer oder Obdach­lo­ser, Stu­dent oder Arbei­ter, wo sich auch jede/r ein Getränk leis­ten konn­te, wur­de nun durch “pri­va­tes Geld” ersetzt. Fakt. Und der Schmäh­kom­men­tar war viel­leicht nur die per­sön­li­che Mei­nung eines ehe­ma­li­gen Gas­tes, der die Unter­schie­de eben nicht nur im Details gespürt hat.

  5. 4,50€ für ein Fla­schen­bier, null Per­sön­lich­keit und die schreck­li­chen Neon Lich­ter sind auch schon zur Hälf­te kaputt. Wer das Herz des Wed­dings ver­misst soll­te in die neue Wil­ma im Rit­ter­land­weg 31 gehen.

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