Klammheimlich sind sie erschienen, die blau-weißen Schilder mit der Aufschrift „Fahrradstraße“. Schon vor Jahren angekündigt, sind nun einige Straßen im Afrikanischen Viertel und im Brüsseler Kiez als erste Weddinger Straßen überhaupt zu „Fahrradstraßen“ umgewidmet worden. Was bedeutet das, und ändert sich dadurch überhaupt etwas?
Weil die Müllerstraße für die Radfahrenden, denen ihr Leben lieb und teuer ist, als Strecke ausscheidet, hat sich westlich von ihr ein durchgehender Straßenzug als Alternative etabliert. Von Reinickendorf kommend, fahren viele mit ihren Rädern lieber durch die Togostraße und die Antwerpener Straße – über den Zeppelinplatz und den Campus der BHT – in die Tegeler Straße und dann weiter nach Mitte. Viele Schulen in der Nähe führen ebenfalls zu einer starken Nutzung der Strecke. Da war es eigentlich nur konsequent, diesen Straßenzug zwischen der Kongostraße und dem Zeppelinplatz zur ersten Fahrradstraße im Wedding zu machen. Die querende Kameruner Straße wurde zwischen der Togostraße und der Müllerstraße asphaltiert und ebenfalls zur Fahrradstraße erklärt. Die Strecke hat einige Pferdefüße, von denen die zeitaufwändige Querung der Seestraße mit drei Ampelphasen, die per Knopfdruck angefordert werden müssen, nur einer ist.
Anspruch und Wirklichkeit
Was sind Fahrradstraßen? Sie dienen erst einmal nur dem Radverkehr. Es dürfen zwei Räder nebeneinander fahren. Autos sind grundsätzlich tabu, aber: Durch das Zusatzschild „Anlieger frei“ sind Autos dann doch genauso omnipräsent wie vorher. Das Einzige, was dadurch offiziell verboten wird, ist der Durchgangsverkehr, zum Beispiel zur Umgehung der Seestraße oder der Transvaalstraße. Kontrolliert wird es wohl kaum. In der zugeparkten Kameruner Straße wiederum können sich Autos kaum begegnen – auch mit dem Fahrrad fährt man da oft mehr Slalom als dass es vorangeht. Auf diesen Fahrradstraßen können Fahrräder nicht regelkonform überholt werden, aber in der Kameruner Straße hält sich daran kaum ein Autofahrer. Auch das automatisch dort geltende Tempolimit von 30 km/h ist nicht jedem geläufig.
Was also hat sich nun geändert? Im Grunde nichts, nur die Rechtslage. An den Kreuzungen werden die neuen Fahrradstraßen immer wieder aufgehoben, für jede Richtung gilt als Vorfahrtsregelung rechts vor links. Ansonsten bleiben die Autos tonangebend, denn sie verstopfen durch Ein- und Ausparken und Begegnungssituationen die neuen Fahrradstraßen.
Bitte nachbessern!
Bleibt die Hoffnung, dass die Schilder zu mehr Rücksicht und zu mehr Verständnis füreinander führen, auch wenn sich baulich bis auf mehr Fahrradbügel und ein paar Gehwegvorstreckungen nicht viel geändert hat. Es wäre schön, wenn der Durchgangsverkehr auch durch eine Sperre, einen sogenannten Modalfilter, unterbunden werden würde. Und wenn an der Ampel über die Seestraße die vielen wartenden Fußgänger und Radfahrer ein wenig mehr Vorrang bekämen als nur durch mehrere Bettelampeln. So wie es jetzt ist, sind die Fahrradstraßen Etikettenschwindel. Vielleicht hat der Bezirk deswegen auch keine Pressemitteilung dazu veröffentlicht. Das Beispiel Linienstraße hat bewiesen, dass man mehr machen muss als ein paar Schilder aufstellen.
Die Kameruner Strasse ist sowohl für Fahrradfahrer als auch für Fußgänger extrem gefährlich. Die Regelung rechts vor links wird von den Autofahrern am laufenden Band gebrochen – nach dem Motto “Hier gilt das Recht des Stärkeren”. Neulich kurbelte ein Autofahrer dem ich zuvor ausgewichen war sein Fenster runter und meinte, dass ich mehr aufpassen sollte. Auf meinen Hinweis, dass hier rechts vor links gelten würde und er mir gerade die Vorfahrt genommen hat erwiderte er, dass diese Regel nicht für Radfahrer und Fußgänger gelten würde nur für Autofahrer. Es ist lange überfällig, dass hier Polizeikontrollen stattfinden.
Ich stimme vollkommen zu. Seitdem die Straße geteert ist, ist der Autoverkehr eher mehr und schneller geworden.
Die haltenden Autos bei der Dönerbude sind auch ein Problem beim Einbiegen auf die Müllerstr.
Tempolimit 30km/h? An der Antwerpener/Brüsseler bzw. /Ostender sind Schilder: Tempo 30 km/h AUFGEHOBEN!!!!
Ja, weil in der Fahrrad Straße automatisch Tempo 30 gilt.
Danke für den Bericht. Er spricht mir aus dem Herzen. Wie viel Zeit habe ich schon an der Ampel an der Seestraße verbracht… Und einfach drüberfahren geht nicht, weil dort immer Eltern mir ihren Kindern stehen, die in eine der vielen Kitas wollen. Mittlerweile bröckeln übrigens schon die auf die Fahrbahn aufgemalten Fahrradzeichen. Dieses Green Washing durch unseren grünen Bezirksbürgermeister war der Grund, in diesmal nicht wieder zu wählen.
“Auf Fahrradstraßen dürfen Fahrräder nicht überholt werden”: wäre schön, finde ich aber in der StVO nicht.
Steht da auch nicht drin. Es ergibt sich in diesen konkret genannten Straßen aber im Umkehrschluss durch Einhaltung des Überholabstands von 1,50 m und unter Berücksichtigung des Tempolimits von 30 km/h. Der Text wurde entsprechend geändert.
StVO §2 (4): (4) 1Mit Fahrrädern darf nebeneinander gefahren werden, wenn dadurch der Verkehr nicht behindert wird; anderenfalls muss einzeln hintereinander gefahren werden.
Das gilt generell und in ALLEN Straßen. Der Normalfall ist das Nebeneinanderfahren, das Hintereinanderfahren eine freundliche Geste. Wurde vor ein paar Jahren geändert.