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Bericht aus der BVV:
Bezirk muss wieder sparen

22. März 2022
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In der BVV hat es nur zwei The­men am letz­ten Don­ners­tag gege­ben. Die Bezirks­ver­ord­ne­ten dis­ku­tier­ten über die Ukrai­ne, ins­be­son­ders über die Fra­ge, wie der Bezirk als Behör­de den am Haupt­bahn­hof ankom­men­den Flücht­lin­gen hel­fen kann. Schu­le, Sozi­al­hil­fe und Gesund­heits­ver­sor­gung waren die Stich­wor­te. Und im zwei­ten Teil wur­de der Haus­halt für die Jah­re 2022 und 2023 dis­ku­tiert. Eines wur­de dabei klar: Wäh­rend Chris­ti­an Lind­ner als Bun­des­fi­nanz­mi­nis­ter den nie ver­sie­gen­den Geld­topf aus dem Mär­chen zu besit­zen scheint, beginnt im Bezirk der Geld­quell zu ver­sie­gen. Quiet­schen tat es nicht, aber nach vie­len Jah­ren der Erho­lung ging es plötz­lich wie­der ums Sparen. 

Bezirkshaushalt

Nicht am Don­ners­tag, son­dern am Frei­tag um 0:17 Uhr ist es geschafft. Die Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung (BVV) hat den Haus­halt für den Bezirk beschlos­sen. Auf den ers­ten Blick geht es um viel Geld: 1,2 Mil­li­ar­den Euro kann Mit­te pro Jahr aus­ge­ben. Auf den zwei­ten Blick geht es um wenig Geld: wirk­lich frei ver­füg­bar ist für den Bezirk nur wenig. Und von die­sem klei­nen frei­en Bud­get soll abge­knappst wer­den. So lau­tet die Vor­ga­be des Senats. Der Bezirk muss acht Mil­lio­nen Euro ein­spa­ren. Ein Betrag, der ange­sichts der frei ver­füg­ba­ren Posi­tio­nen viel Geld dar­stellt. Im nächs­ten Jahr soll Mit­te zehn Mil­lio­nen Euro ein­spa­ren. Das Wort “Unter­fi­nan­zie­rung”, bekannt aus den Spar­jah­ren, kehrt in den Sprach­ge­brauch der Bezirks(!)-politik zurück.

Die altvertraute Frage: Sparen mit der Gießkanne?

Der Streit in der Ver­samm­lung der Bezirks­ver­ord­ne­ten dreh­te sich zum einen die Fra­ge, wie das Minus auf­ge­teilt wer­den soll. Sol­len die ein­zu­spa­ren­den Gel­der bei den Fachäm­tern gestri­chen wer­den oder sol­len sie auf einen Schlag bei all­ge­mei­ne Finanz­an­ge­le­gen­heit unter­ge­bracht wer­den? Für letz­te­res hat sich die Par­tei Die Lin­ke stark­ge­macht. Uner­müd­lich warb der Spre­cher für Finan­zen, Thi­lo Urchs, für die­se Idee. Er sag­te, durch eine Auf­tei­lung der Ein­spa­run­gen auf ein­zel­ne Berei­che wird die Kon­kur­renz zwi­schen die­sen for­ciert. Die Bezirks­po­li­tik sol­le statt­des­sen die wei­te­re Ent­wick­lung abwar­ten und anschlie­ßend ent­schei­den. Er führ­te als Bei­spiel mehr­mals die Jugend­hil­fe an. Er sag­te, dass es bis­her Kon­sens gewe­sen sei, die Gel­der bei den Schwächs­ten ein­zu­set­zen und nun wer­de gespart. 

Die Par­tei­en der Zähl­ge­mein­schaft, das Grü­ne und SPD, ver­tei­dig­ten ihren Vor­schlag, die Ein­spa­run­gen auf­zu­tei­len. Dies sei ein Haus­halt, der eben nicht auf rote oder grü­ne The­me schaue, sag­te Hoang Anh Nguy­en von den Grü­nen. Susan­ne Fischer von der SPD sag­te, der künf­ti­ge Haus­halt sei zukunfts­si­cher und set­ze die rich­ti­gen Schwer­punk­te. Bei der Schul­bil­dung, bei Grün­flä­chen, bei den Obdach­lo­sen, bei der ehren­amt­li­chen Gremienarbeit.

Fazit: Zu beob­ach­ten war eine von frü­her ver­trau­te Rotstift-Debatte.

Handwerkliche Mängel oder weise Voraussicht?

Ein ande­rer Streit­punkt war der Vor­wurf “hand­werk­li­cher Män­gel”, die Sebas­ti­an Pie­per von der CDU bemän­gel­te. Zu kon­kre­ten Punk­ten wie das Bera­tungs­an­ge­bot Mach­Bar im Brun­nen­vier­tel habe das Bezirks­amt ledig­lich vage Lis­ten zur Ver­fü­gung gestellt. Es fal­le das Wort “vor­aus­sicht­lich”, es fehl­ten kon­kre­te Sum­men für kon­kre­te Fra­gen. Bezirks­bür­ger­meis­ter Ste­phan von Das­sel ant­wor­te­te, nur durch “ca. und vage” las­se sich in der augen­blick­li­chen Situa­ti­on über­haupt ein Haus­halt auf­stel­len. Es dro­he, dass der Bezirk Regu­lie­rungs­wün­schen des Senats nach­kom­men müs­se; des­halb müs­se der Haus­halt “atmen” kön­nen. Sebas­ti­an Pie­per hielt dage­gen, dass nicht das Bezirks­amt über den Haus­halt ent­schei­de, son­dern die Ver­ord­ne­ten. Tat­säch­lich ist laut Gesetz der Beschluss des Bezirks­haus­halts eines der weni­gen Punk­te, über die die BVV aus­drück­lich ent­schei­den darf.

Für die Zähl­ge­mein­schaft um Grü­ne und SPD ist der “atmen­de” Haus­halt wich­tig, denn der Senat war bei der Debat­te um das lie­be Geld der stets unsicht­ba­re Ver­hand­lungs­part­ner. Immer wie­der spe­ku­lier­ten die Poli­ti­ker, was der Senat als Nächs­tes tun wer­de. Grund dafür ist, dass der Bezirk nur weni­ge Mög­lich­kei­ten hat, um selbst an Geld zu kom­men. Er darf kei­ne Steu­ern erhö­hen oder ein­füh­ren. Die Höhe der Gebüh­ren ist fest­ge­legt. Den Löwen­teil sei­ner Ein­nah­men bekommt er vom Senat zuge­wie­sen wie ein VEB-Betrieb in einem Kom­bi­nat der DDR. 

Beschluss in letzter Minute

Nach zahl­rei­chen Anträ­gen schaff­ten es die Ver­ord­ne­ten in bei­na­he letz­ter Minu­te die alles ent­schei­den­de Druck­sa­che 3374 noch vor 23 Uhr auf­zu­ru­fen. Damit durf­te 3374 noch bis zu Ende ver­han­delt wer­den. Und das dau­er­te deut­lich mehr als eine Stun­de. Es gab unge­wöhn­li­che zahl­rei­che Ände­rungs­an­trä­ge, Beschluss­emp­feh­lun­gen und Unter­punk­te. Dabei den Über­blick zu behal­ten ist auch ein Grund von vie­len, war­um Haus­halts­be­ra­tun­gen im poli­ti­schen Geschäft als Königs­dis­zi­plin gel­ten. Und das auch dann – oder vor allem dann – wenn das Ver­tei­len von Mehr­ein­nah­men aufhört.

Der Weddingweiser berichtet aus der BVV
Der Wed­ding­wei­ser berich­tet aus der BVV

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

6 Comments Leave a Reply

  1. 1200 Mil­lio­nen Euro ist die Zahl die man sich bes­ser vor­stel­len kann. Ein­tau­send­zwei­hun­dert­mil­lio­nen. Die­se Zahl ver­spricht das der Bezirk kei­nes Wegs an Armut lei­det. So könn­te man aus dem Schil­ler­pa­lais ein Park­haus machen
    und die Mül­lerstr. hät­te end­lich sei­nen Rad­weg. Fer­ner könn­te es viel­mehr Gale­rie­räu­me geben und der Freie Szene
    bes­se­re För­de­run­gen vergeben.

    • Ja, 1,2 Mil­li­ar­den Euro sind viel Geld. Den­noch ist der Groß­teil davon an einen bestimm­ten Zweck gebun­den. Der größ­te Bro­cken sind 800 Mil­lio­nen (0,8 Mil­li­ar­den) für den Bereich Sozia­les. Dar­un­ter fal­len unter ande­ren Kos­ten für Kita, Arbeits­markt­po­li­tik und Unter­kunfts­kos­ten Hartz IV. Das sind Gel­der, die der Bezirk vom Senat zuge­wie­sen bekommt und die er als Behör­de vor Ort aus­gibt. Er kann an die­sen Stel­len sehr wenig frei ent­schei­den, son­dern erfüllt Rechtsansprüche.
      Der Bezirk ist nur sehr begrenzt eigen­stän­dig, eher ver­gleich­bar mit einer Schu­le. Die zwar viel Umsatz macht, wenn man die Gehäl­ter der Leh­rer addiert. Aber den­noch hat der Direk­tor nur die Por­to­kas­se zur frei­en Ver­fü­gung. Des­halb füh­ren klei­ne Kür­zun­gen dazu, dass im Bezirk das Geld knapp wird wie im Arti­kel beschrieben.

  2. Zu aller­erst soll­te inner­halb des Bezir­kes geschaut wer­den, unnö­ti­ge kos­ten zu vermeiden.z.B.
    Durch Bau­ge­rüs­te, die schon län­ger als 2 gan­ze Jah­re an den schul­ge­bäu­den Antonstr./Plantagenstr. stehen.
    Inzwi­schen muß­ten die Sicher­heits­net­ze sogar erneu­ert wer­den, weil vom Wind zerfetzt.
    Jetzt sieht man hier u.da , dass etwas getan wird…die deut­schen Müh­len malen ein­fach viel zu lange !

    • Da spre­chen Sie die grund­sätz­li­che Fra­ge an, wie Ver­ant­wor­tung statt for­ma­le Pflicht­er­fül­lung in die Ver­wal­tung zu brin­gen sei. Das ist die nächs­te Her­ku­les­auf­ga­be, die auf Coro­na und Ukrai­ne fol­gen müss­te. Ich bin gespannt, wel­che Par­tei sich die­ses Pro­blems auf seriö­se Wei­se annimmt.

  3. Und nun ist das Man­tra vom Grün­flä­chen­amt noch stär­ker “Kein Geld, kein Per­so­nal” also kön­nen die Grün­an­la­gen im Kiez wei­ter wuchern und ver­fal­len.. Glückwunsch!!

    • Ich glau­be, Ceci­lia, hier kommt die Kri­tik zu früh. Ich jeden­fall beob­ach­te genau das Gegen­teil. Der­zeit sieht man ja über­all, dass das SGA (anders als in den Vor­jah­ren) die Grün­flä­chen bear­bei­tet. Sogar bei Dir vor der Haus­tür ist das so. Hast Du mal die Stral­sun­der ange­se­hen? Ich war sehr über­rascht, dass man sogar dort tätig gewor­den ist. Wann war da zum letz­ten Mal jemand, vor zehn Jah­ren? Ich sehe das gera­de an vie­len Stel­len im Wed­ding, dass Grün­flä­chen gepflegt wer­den. Ob das so bleibt, ist eine ande­re Fra­ge. Aber im Moment sieht es eher bes­ser als schlech­ter aus, fin­de ich.

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