In knapp drei Wochen, am 10. Februar, beginnt die Berlinale. Auch im Wedding sollen die Internationalen Filmfestspiele wieder ihren fliegenden roten Teppich ausrollen. Ein Interview mit Anne Lakeberg vom City Kino Wedding, das wieder Filmfestival-Spielstätte ist, über die Berlinale, aktuelle Filme und die Lage des Programmkinos in der Pandemie.
Die Corona-Infektionszahlen steigen, die Hygienemaßnahmen werden strenger und ändern sich häufig. Kommen die Menschen trotzdem noch ins Kino?
Anne Lakeberg: Ja, das stimmt, die Regeln ändern sich. Ich muss dann auch immer erst auf die Seite des Senats gehen, um genau zu wissen, was die Änderung für das Kino bedeutet und auch für meine Mitarbeiter:innen vor Ort. Allerdings kennen viele Gäste die Regeln dann auch schon von anderen Orten und sind nicht überrascht. Die allermeisten wissen Bescheid, bringen die Nachweise mit und beschweren sich auch nicht. Wenn sie erstmal im Saal sitzen und der Film beginnt, haben sie vielleicht auch schon vergessen, dass sie etwas länger anstehen mussten, weil eben nicht nur die Tickets sondern jetzt auch Perso und Impfnachweis und – jetzt neu – ein Test kontrolliert werden muss.
Der wirklich große Teil unserer Gäste fühlt sich augenscheinlich sicher bei uns im Kino und ich spüre da kein Unbehagen. Aber der Saal ist ja auch nur maximal bis zur Hälfte belegt und er ist eben auch sehr groß, zudem haben wir eine sehr gute Belüftungsanlage. Der Januar ist aber ansich einer der besten Monate bei uns im Kino und das merke ich leider bisher nicht. Also ja, es gibt anscheinend auch viele Leute, die sich gegen das Ausgehen, das Kino entscheiden. Das sehe ich an den Zahlen und ich fürchte schon, dass es mit 2G Plus Test für Geimpfte nicht besser wird.
Wie es das City Kino Wedding bisher geschafft zu überleben?
Anne Lakeberg: Glücklicherweise gab es für Kino, vor allem Programmkinos, ja einige Unterstützung. Die Kinoprogrammpreise die jährlich vom Medienboard und vom BKM (Bundesbeauftragte für Kultur und Medien - Anmerkung der Redaktion) vergeben werden, wurden im letzten und vorletzten Jahr deutlich angehoben. Außerdem habe ich auch November- und Dezemberhilfe bekommen und die Coronahilfen zu Beginn der Pandemie. Damit komme ich bisher ganz gut durch, allerdings habe ich bis auf die Miete und mich ja keine hohen Fixkosten.
Während der Lockdowns konnten meine Minijobber:innen nicht arbeiten und mein Midijobber hat glücklicherweise Kurzarbeitergeld bekommen. Dazu kam, dass ich im Oktober 2020 ja Mutter geworden bin und deshalb Elterngeld bekommen habe. Das hat mir auch sehr geholfen! Für meine Mitarbeiter:innen, also die Minijobber, war das natürlich großer Mist und ich bin sehr froh, dass zunächst alle wieder dabei waren und sie so über die Runde gekommen sind in den beiden Lockdowns.
Trotzdem, ich mach mir schon auch Sorgen wie es weitergeht, denn jetzt sind wir zwar nicht geschlossen, aber die vollen Vorstellungen, die meine Mischkalkulation ausmachen – also mal eine volle Festivaleröffnung, dafür bei einem regulären Film mal weniger Gäste – die geht natürlich nicht auf, weil ganz voll eben nicht geht. Und die Getränkeeinnahmen, die bei so gut besuchten Veranstaltungen sehr wichtig sind, fallen auch sehr viel geringer aus, weil weniger Leute, klar, aber auch, weil ich schon merke, dass die Leute schneller gehen und nicht mehr ausgelassen feiern.
Viele Produktionen wurden wegen Corona verschoben, Filme kamen nicht ins Kino. Lohnt es sich im Moment überhaupt, in den Kinosaal zu gehen?
Anne Lakeberg: Oh, definitiv Ja! Klar werden Filme verschoben, zum Beispiel warte ich schon ewig auf den neuen Film von Pedro Almodovar (“Madres paralelas”) und bei James Bond haben es ja alle mitbekommen, was für eine Verschieberei das war! Aber viele Verleiher können jetzt auch nicht mehr warten und im letzten Jahr kamen tolle Filme, wie “Der Rausch”, “Nomadland” oder auch so ein Blockbuster wie “Dune”. Die sind alle auch ziemlich gut gelaufen.
Trotzdem, das Problem ist viel mehr, dass die kleinen Filme es noch schwerer haben als eh schon. Also Filme mit weniger bis gar keinem Werbebudget, die nicht durch das Gewinnen von Preisen in die Presse kommen, die keine bekannten Stars oder Regisseur:innen haben. Es gibt eben momentan weniger Leute, die ins Kino gehen und die konzentrieren sich noch mehr auf das, was sie eben in der Werbung/Presse sehen.
Welchen Film empfiehlst Du im Moment besonders?
Anne Lakeberg: Momentan läuft der neue Wes Anderson “The French Dispatch”- bei mir leider ja immer etwas später wegen der Verleihpolitik – und “House of Gucci”. Also, es gibt wirklich viele Filme und ich habe jetzt irgendwie nur die prominentesten genannt.
“Pleasure” zum Beispiel, der Debütfilm einer schwedischen Regisseurin (Ninja Thyberg) über eine junge Frau, die in der Pornobranche in Los Angeles Karriere machen will. Der ist wirklich sehr beeindruckend, mit einer ganz tollen Hauptdarstellerin. Er ist hart, weil er recht genau zeigt, wie die Pornobranche funktioniert, aber es geht auch um eine junge Frau, die mit viel Mut und Ehrgeiz einen eigenen Weg findet. Ich kann den wirklich sehr empfehlen. Abgesehen davon gibt es ja die vielen Festivals bei mir mit ihrer ganz eigenen Filmauswahl, die ja unabhängig von den regulären Starts sind und auch viele Premieren und Previews zu mir ins Kino bringen wie die “British Shorts”. Im Februar kommt dann das “Final Girls Film Fest”, das immer eine tolle Auswahl an Horrorfilmen von und mit Frauen hat.
Bald fliegt der rote Teppich der Berlinale wieder in die Kieze. Was kannst Du dazu schon verraten?
Anne Lakeberg: Also, ich kann sicher verraten, dass die Berlinale Goes Kiez wieder zu uns kommt! Nachdem der Teppich ja im letzten Jahr gar nicht geflogen ist… Leider kenne ich das Programm auch noch nicht und ich weiß auch noch nicht genau, wer und ob Gäste kommen. Das neue coronabedingte Konzept der Berlinale wurde ja gerade erst verkündet. Ich bin aber sehr gespannt!
Was bedeutet die Berlinale vor dem aktuellen Hintergrund fürs City Kino Wedding?
Anne Lakeberg: Das bedeutet mir immer viel! Natürlich kommt die Berlinale, weil wir im Wedding, vor allem da oben, so ein schönes Außenseiterkino sind 🙂 Deshalb kommt sie auch immer wieder, nun schon zum fünften Mal. Aber eben auch, weil es so ein besonderer Ort ist, der ganze Gebäudekomplex mit dem Centre Francais, und weil das Kino zum Glamour eines großen Filmfestivals passt. Und ich bin natürlich sehr dankbar, dass dadurch immer ein kleiner Werbungsbooster kommt, denn die Berlinale hat natürlich eine sehr große Reichweite! Von der kann ich ja sonst nur träumen.
Was wird in diesem Jahr Dein Berlinale-Moment?
Anne Lakeberg: Also, tatsächlich ist mein Plan jetzt, dass der Berlinale-Abend der Erste sein wird, den ich abends wieder im Kino arbeite! Mein Sohn muss das nun endlich mit Papa schaffen und das macht den Abend dann für mich persönlich zu etwas ganz Besonderem und alles irgendwie noch aufregender.
Mehr über die Berlinale 2022 im Wedding steht im Beitrag: Die Berlinale 2022 im Wedding