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Das macht der Pflegestützpunkt:
Beratung zur Pflege: unabhängig, umfassend, kostenfrei

29. Mai 2024
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Unse­re Autorin stellt den Pfle­ge­stütz­punkt Wed­ding vor. Die Pfle­ge­stütz­punk­te sind eine gro­ße Errun­gen­schaft für die Sicher­stel­lung des Wis­sens und der Ent­schei­dun­gen zu den per­sön­li­chen Pfle­ge­be­dar­fen im Alter und för­dern durch ihre umfas­sen­den Bera­tungs­tä­tig­kei­ten ins­be­son­de­re auch den Ver­bleib in der eige­nen Wohnung.

Auf der Basis des im Jahr 2008 geän­der­ten Pfle­ge­ver­si­che­rungs­ge­set­zes (§ 7c SGB XI) hat jeder Pfle­ge­be­dürf­ti­ge Rechts­an­spruch auf qua­li­fi­zier­te und indi­vi­du­el­le und zudem kos­ten­freie Bera­tung. In Ber­lin gibt es je Bezirk drei wohn­ort­na­he Pfle­ge­stütz­punk­te (PSP), die im Auf­trag der Pfle­ge­kas­sen und des Lan­des Ber­lin tätig sind.

Seit wann ist die­ser PSP-Stand­ort aktiv und wie umfang­reich ist Ihre Tätig­keit hier vor Ort im Wedding?

Diet­mar Kru­schel: Der Wed­din­ger Pfle­ge­stütz­punkt in der Rei­ni­cken­dor­fer Stra­ße 61 hat eine lan­ge Tra­di­ti­on an die­sem Stand­ort. Wir sind ein Bera­tungs­team und ste­hen zu Sprech­zei­ten und nach Ver­ein­ba­rung für Bera­tun­gen zur Ver­fü­gung. Wir bera­ten auch per Tele­fon, per Mail, per Video und wir machen bei Bedarf auch Haus­be­su­che. Die Bera­tung erfolgt trä­ger­un­ab­hän­gig und kostenlos.

Was genau ist die Tra­di­ti­on und Geschich­te die­ses Ortes?

Das Anlie­gen, älte­re Men­schen zu bera­ten, begann vor mehr als 30 Jah­ren, als das EGZB hier vor Ort das Pro­jekt Alten­be­ra­tung eröff­ne­te. Es gab die enga­gier­te Ärz­tin der Ger­ia­trie, Pro­fes­sor Dr. Stein­ha­gen-Thies­sen, die ein mehr­stu­fi­ges Ver­sor­gungs­sys­tem mit u.a. einem Ger­ia­tri­schen Kran­ken­haus, einer Tages­kli­nik, ger­ia­tri­scher For­schung und, Bera­tung der älte­ren Men­schen in ganz­heit­li­cher Per­spek­ti­ve ent­wi­ckelt hat. Ziel war es, älte­re Men­schen best­mög­lich zu unter­stüt­zen. Das Pro­jekt wur­de durch den Bezirk und ab 1999 durch das Land Ber­lin geför­dert. Es ent­wi­ckel­ten sich Koor­di­nie­rungs­stel­len. Der Bezirk Wil­mers­dorf war im Jahr 1988 damit eine der ers­ten. Im Jahr 2009 wur­den aus den Koor­di­nie­rungs­stel­len vom Land Ber­lin geför­der­te Pfle­ge­stütz­punk­te. Dazu kamen wei­te­re Pfle­ge­stütz­punk­te die von den Pfle­ge­kas­sen getra­gen wur­den. Inzwi­schen gibt es in jedem Ber­li­ner Bezirk drei Pflegestützpunkte.

Herr Kru­schel, Sie lei­ten die­sen Bera­tungs­dienst seit eini­ger Zeit und sind nicht nur als Lei­ter tätig, son­dern auch im Wed­ding für Ihre Auf­ga­be ver­netzt. Wo sind Sie aktiv?

Es gibt drei Run­de Tische Senio­ren (RTS) im Bereich des ehe­ma­li­gen Bezirks Wed­ding, im Spren­gel­kiez, im Gesund­brun­nen und im Park­vier­tel. Einen wei­te­ren run­den Tisch gibt es in Moa­bit. Den Run­den Tisch Senio­ren Park­vier­tel habe ich mitbegründet.

Sehr wich­tig sind bei die­sen Netz­werktref­fen z. B. die Blitz­licht­run­den, um den aktu­el­len Stand der Ange­bo­te für älte­re Men­schen zu erfah­ren. Wei­ter­hin bin ich Spre­cher im GGVM (Ger­ia­trisch-Geron­to­psych­ia­tri­scher Ver­bund Mit­te), ein Ver­bund, der sich um ver­bes­ser­te Ver­sor­gung älte­rer Men­schen, unter ande­rem auch bei demen­ti­el­ler Erkran­kung bemüht. Soeben berei­te ich mich auf die 69.Verbundskonferenz des GGVM, die Mit­te April 2024 im Wed­din­ger Allo­heim statt­fin­den wird, vor.

Wie vie­le Bür­ge­rin­nen und Bür­ger kon­tak­tie­ren Sie monat­lich zur Pflegeberatung?

Im ver­gan­ge­nen Jahr wur­den über 3200 Per­so­nen bera­ten, das sind etwa 270 Bera­tun­gen pro Monat.

Es gibt eine aktu­el­le Stu­die des Insti­tuts für All­ge­mein­me­di­zin de Cha­ri­té auf der Grund­la­ge der COMPASS I und II-Stu­di­en, wonach 60% der hei­mi­schen Ärz­te die Pfle­ge­stütz­punk­te noch gar nicht kennen.

Ja, wir ken­nen die Stu­die auch. In den letz­ten Jah­ren hat sich zwar eini­ges ver­bes­sert. Auch Ärz­te erken­nen zuneh­mend, wie hilf­reich eine qua­li­fi­zier­te Bera­tung zu Pfle­ge­the­men ist. Trotz­dem wür­den wir uns wün­schen, dass noch mehr Ärz­te auf uns hin­wei­sen bzw. zu uns ver­mit­teln. Wir selbst machen sehr viel Wer­bung für unse­re Bera­tungs­an­ge­bo­te. Das geschieht u.a. im Inter­net, auf Insta­gram, mit Hil­fe des Hef­tes Jour­nal 55Plus, über Fly­er und auch über unse­re Refe­ren­ten vor Ort in den Seniorenbegegnungsstätten.

Wir sind tele­fo­nisch unter der Tele­fon­num­mer 030 4594–1103 zu errei­chen. Und nicht zu ver­ges­sen: Die Ber­li­ner Pfle­ge­stütz­punk­te haben eine kos­ten­freie 0800-Num­mer, über die man sich mit uns in Ver­bin­dung set­zen kann: Tele­fon 0800 59 500 59 (Mon­tag bis Frei­tag von 9 bis 18 Uhr)

Auch gibt es zur Zeit 15 sog. Brü­cken­baue­rin­nen, die selbst mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund ein­ge­setzt sind und wei­te­re 16 Spra­chen wie u.a. Tür­kisch und Ara­bisch spre­chen und uns bei der Bera­tung unter­stüt­zen. Auch die­se Ange­bo­te wer­den weit ver­brei­tet beworben.

Was sind die Haupt­an­lie­gen der Rat­su­chen­den zur Pfle­ge im Alter?

Geschätzt über 90% der älte­ren Men­schen möch­ten in ihrem Zuhau­se ver­blei­ben und dort ihre Tage ver­brin­gen. Wir geben des­halb vie­le Bera­tun­gen auch zu Haus­halts­un­ter­stüt­zun­gen und Ein­kaufs­hil­fen. Unser Anlie­gen ist die leis­tungs­er­schlie­ßen­de Bera­tung. Wir stel­len auch bei Bedarf Anträ­ge für die Ratsuchenden.

Was die Haus­halts­un­ter­stüt­zung angeht, gibt es mitt­ler­wei­le neben den eige­nen Ange­hö­ri­gen aner­kann­ter­ma­ßen auch die Nach­bar­schafts­hil­fe, wofür Hel­fen­de ein Zer­ti­fi­kat erwer­ben müs­sen, um dann ihrer­seits ihre Ein­sät­ze direkt mit der Pfle­ge­kas­se abrech­nen zu kön­nen. Neben den Pfle­ge­dienst­leis­tern gibt es Ange­bo­te zur Unter­stüt­zung im All­tag (AUA). Für eine prä­zi­se Suche steht auch die Web­sei­te der KPU (Kon­takt­stel­le Pfle­ge­un­ter­stüt­zung) zur Ver­fü­gung. Wer Hil­fe bei der Suche benö­tigt kann sich natür­lich ger­ne an uns wenden.

Inwie­weit ist bar­rie­re­frei­es Woh­nen ein Pro­blem für Pfle­ge­be­dürf­ti­ge und was und wie­weit kann man für Mie­ter Posi­ti­ves errei­chen, wenn Umbau­ten nötig sind?

Da die alten Men­schen gern zuhau­se ver­blei­ben möch­ten, ist ein weit ver­brei­te­tes Anlie­gen die Bar­rie­re­frei­heit in den Woh­nun­gen. Hier hat man einen Rechts­an­spruch nach BGB auf Umbau der Schwel­len und der Bade­wan­nen und Dusch­bä­der. Man­che Mie­ter müs­sen dies aller­dings einklagen.

Die Bedin­gun­gen für einen behin­der­ten­ge­rech­ten Woh­nungs­um­bau sind bei man­chen Ver­mie­tern umfang­reich. Manch­mal sind 15 Punk­te zu erfül­len, bevor ein Umbau geneh­migt wird.

Man kann dafür auch bis zu 4000 € von der Pfle­ge­kas­se erhal­ten, wenn ein Pfle­ge­grad besteht. Schwie­rig wird die­se Ange­le­gen­heit dann, wenn der Ver­mie­ter auf dem kost­spie­li­gem Rück­bau der Umbau­ten zu Las­ten des Mie­ters besteht, wenn das Miet­ver­hält­nis endet.

Wenn Pfle­ge­geld bezo­gen wird, ist ab Pfle­ge­grad 2 eine regel­mä­ßi­ge Pfle­ge­be­ra­tung im häus­li­chen Umfeld Pflicht. Dies wird Bera­tungs­ein­satz genannt. Was kön­nen Sie dann tun?

Die Pfle­ge­be­dürf­ti­gen wer­den ange­schrie­ben, um in einem Gespräch sicher­zu­stel­len, dass die Pfle­ge sicher­ge­stellt ist. Bei Pfle­ge­grad 2 und 3 ist dies halb­jähr­lich ange­ord­net und bei Pfle­ge­grad 4 und 5 ist dies vier­tel­jähr­lich ange­ord­net. Wir wer­den die Rat­su­chen­den, die brief­lich ange­schrie­ben wer­den an die bera­ten­den Pfle­ge­diens­te wei­ter­lei­ten. Säu­mi­ge Pfle­ge­per­so­nen wer­den, wenn sie die Fris­ten über­schrei­ten, gemahnt. Wenn dann immer noch kei­ne Reak­ti­on erfolgt, wird die Zah­lung des Pfle­ge­gel­des eingestellt.

Herr Kru­schel, wie sehen Sie die nahe Zukunft der all­ge­mei­nen Pflegesituation?

Ins­ge­samt ist ein Anstieg der Bera­tungs­be­dar­fe zu bemer­ken. Frü­her gab es einen Arbeit­ge­ber­markt in der Pfle­ge, heu­te feh­len Pfle­ge­kräf­te und Fach­kräf­te. Es wird vom Pfle­ge­not­stand gesprochen.

Es gibt einen Man­gel an Angeboten.Iim Bezirk Mit­te schlos­sen 5 Pfle­ge­hei­me, allei­ne im Wed­ding waren es letzt­lich drei gro­ße Wohn­be­rei­che wie, in der Schul­stra­ße, das EGZB und das Wohn­heim des JSD im Paul-Ger­hardt-Stift. Man kann fest­stel­len, dass auf­grund der gerin­ge­ren Res­sour­cen wie Arbeits­kräf­te und Wohn­ein­hei­ten im Pfle­ge­be­reich Bera­tun­gen durch­aus schwie­ri­ger wer­den. Trotz­dem kön­nen wir in den aller­meis­ten Fäl­len Lösun­gen finden.

Text und Fotos: Rena­te Straetling

LINKS

Pfle­ge­stütz­punkt (PSP) Wedding

Sozi­al­ge­setz­buch XI

https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11

Hil­fe­l­ot­sen

https://www.hilfelotse-berlin.de

IBIP

//paedagogische-professionalitaet.de/team-brueckenbauerinnen

Renate Straetling

Ich lebe seit dem Jahr 2007 in Berlin-Wedding, genauer gesagt im Brüsseler Kiez - und ich bin begeistert davon. Wir haben es bunt ohne Überspanntheit.
Jg. 1955, aufgewachsen in Hessen. Seit dem Jahr 1973 zum Studium an der FU Berlin bin ich in dieser damals noch grauen und zerschossenen Stadt. Mittlerweile: Sozialforschung, Projekte. Seit 2011 auch Selfpublisherin bei www.epubli.de mit etwa 55 Titeln. Ich verfasse Anthologien, Haiku, Lesegschichten, Kindersachbücher und neuerdings einen ökologisch orientierten Jugend-SciFi (für Kids 11+) "2236 - ein road trip in einer etwas entfernteren Zukunft" (Verlagshaus Schlosser, 28.11.22).-
Ich habe noch viel vor!
www.renatestraetling.wordpress.com

2 Comments

  1. Erkennt­nis­rei­cher Arti­kel. Zum Abriß des ehe­ma­li­gen, einst bezirks­ei­ge­nen Senio­ren­hei­mes, Schul­str. 91 ‑97 gele­gen, ledig­lich eini­ge Anmer­kung. Die Bau­kos­ten der Gebäu­de wur­den sei­ner­zeit, Anfang der Fünf­zi­ger, zum gro­ßen Teil durch die bri­ti­sche Regie­rung getra­gen. Ich selbst ken­ne Fotos, die den sei­ner­zei­ti­gen eng­li­schen Pre­mier, Cle­ment Att­le, bei der Grund­stein­le­gung zei­gen. Jahr­zehn­te­lan­ge Ver­nach­läs­si­gung der Bau­sub­stanz sowie ver­säum­te Moder­ni­sie­rungs­maß­nah­men führ­ten schließ­lich zum Abriß. In Erin­ne­rung blieb mir der groß­zü­gi­ge Spei­se­saal im Stil der klas­si­schen Moder­ne. Denk­mal­schutz griff lei­der nicht, wes­we­gen das schö­ne Ensem­ble in Pavil­lon­bau­wei­se auf Erd­glei­che gebracht wur­de. Eine Schan­de für die Stadt Ber­lin. Der an glei­cher Stel­le in Errich­tung befind­li­che Schul­bau ist pro­fan, lang­wei­lig und spie­gelt den Zeit­geist. So ist der Lauf der Zeit. Das vom Bezirk von der DeGe­Wo in der Graunstr. ange­mie­te­te Gebäu­de, hat­te noch eine weit­aus gerin­ge­re Lebens­dau­er. Wenn ich mich recht ent­sin­ne, etwa Anfang der Acht­zi­ger in Betrieb genom­men und bereits um 2010, wenn nicht frü­her, wie­der abge­ris­sen. Ledig­lich das Heim in der Schwy­zer Str., gleich­falls einst bezirk­lich betrie­ben, ist unter ande­rer Trä­ger­schaft erhal­ten geblieben.

    • Span­nend! Gibt es eigent­lich irgend­wo so etwas wie ein Foto­ar­chiv zur Bezirks- oder wenigs­tens zur Stadt­ge­schich­te?? Ich ver­mu­te mal – nein, oder?
      Wenn eines Tages über­all nur noch hip­pe Town­hou­ses her­um­ste­hen wird dann eben auch nie­mand mehr wis­sen, wie zu einer Zeit, als sich der sog. „Otto-Nor­mal­ver­brau­cher“ noch eine Woh­nung in der Stadt leis­ten konn­te, ein typi­scher Ber­li­ner Ori­gi­nal-Alt­bau ohne ein zum Pent­house umge­bau­tes Dach und die­se Plas­tik­fas­sa­den­däm­mung ursprüng­lich mal aus­ge­se­hen hat.
      Ande­rer­seits könn­te es aber genau­so­gut pas­sie­ren, dass in einer ver­mut­lich nicht mehr allz­uf­er­nen Zukunft die Bes­ser­ver­die­ner auf­grund des anste­hen­den Kli­ma­wan­dels (in Tat­ein­heit mit der wie stets hin­ter­her­hin­ken­den Poli­tik) vor den sich immer stär­ker auf­hei­zen­den Innen­stadt­be­zir­ken Reiß­aus neh­men werden…

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