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Baukunst der Nachkriegsmoderne – auch im Wedding

3. Juni 2014
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Die Dankeskirche (Quelle: E.Elfert)
Die Dan­kes­kir­che (Quel­le: E.Elfert)

In kei­nem ande­ren Bezirk schei­nen sich die Städ­te­pla­ner der Nach­kriegs­jah­re so radi­kal über die his­to­ri­sche Stadt hin­weg gesetzt zu haben wie im Wed­ding. Um dem Bezirk sei­ne Zweit­klas­sig­keit zu neh­men und den Bevöl­ke­rungs­rück­gang zu stop­pen, so jeden­falls die his­to­ri­schen Quel­len, soll­te der Wed­ding radi­kal umge­baut wer­den. Allei­ne im soge­nann­ten Brun­nen­vier­tel wur­den im Rah­men von Sanie­rungs­pro­gram­men Wohn­ein­hei­ten von ca. 50.000 Bewoh­nern ohne Not dem Erd­bo­den gleichgemacht.

Buchcover NachkriegsmoderneGenau die­ser Zeit und den damals in Ber­lin errich­te­ten Bau­wer­ken wid­met sich der von Adri­an von But­ler, Kers­tin Witt­mann-Engel­bert und Gabi Dolff-Bone­käm­per her­aus­ge­ge­be­ne  „Archi­tek­tur­füh­rer Bau­kunst der Nach­kriegs­mo­der­ne“.  Von den 262 genann­ten Objek­ten ent­fal­len lei­der nur elf auf den eins­ti­gen Arbeiterbezirk.

Das Buch ent­hält aller­dings, eher unty­pisch für sol­che Hand­bü­cher, sehr lesens­wer­te Ein­füh­run­gen, die die Archi­tek­tur­theo­rie der Zeit dar­stellt. Es  wird deut­lich, wie das Bau­ge­sche­hen der 1950er und 60er Jah­re in Ber­lin nicht nur Aus­druck der Sys­tem­kon­kur­renz in Ost- und West-Ber­lin war, son­dern zugleich des­sen Medi­um wird. Dies gilt vor allem auch für den damals an der Sek­to­ren­gren­ze gele­ge­nen Bezirk Wed­ding. Die in den Jah­ren 1953 bis ‑55 zwi­schen der Acker- und der Gar­ten­stra­ße errich­te­te Ernst-Reu­ter-Sied­lung bil­det dafür ein anschau­li­ches Beispiel.

Dankeskirche und BAYER-Hochhaus
Dan­kes­kir­che und BAYER-Hochhaus

Zu den bekann­ten und bereits mehr­fach gewür­dig­ten Bau­ten aus jener Zeit gehö­ren das Rota­print-Gelän­de, das Neue Rat­haus Wed­ding von Ernst Born­emann mit dem BVV-Saal, die ehe­ma­li­ge Men­sa der Beuth Hoch­schu­le, die heu­te vom Atze Musik­thea­ter genutzt wird und  – wie soll­te es anders sein – die Ver­wal­tungs- und Labor­ge­bäu­de von Sche­ring aus den 1970er Jah­ren. Her­vor­zu­he­ben ist, dass das Arbeits­amt Mül­lerstra­ße von Bru­no Grim­mek mit sei­ner zeit­ty­pi­schen Ras­ter­fas­sa­de, aber vor allem auf das Alten­heim in der Schul­stra­ße von Wer­ner Dütt­mann Erwäh­nung findet.
Ange­sichts der Wert­schät­zung für die Nach­kriegs­mo­der­ne belieb das Inter­es­se an den Kon­zep­ten der unmit­tel­ba­ren Nach­kriegs­zeit eher gering. Dabei wäre gera­de die Fra­ge der Kon­ti­nui­tät der Zeit von und nach 1945 ein wich­ti­ges The­ma. So fehlt für den Wed­ding eines der beach­tens­wer­ten Gebäu­de, das Haus der Jugend am Naue­ner Platz, das mit Mit­teln des Mar­shall­pla­nes errich­tet wor­den ist. Wer die Wohn­an­la­ge am Nach­ti­gal­platz im Afri­ka­ni­schen Vier­tel von Wer­ner Har­ting aus dem Jah­re 193839 kennt, wird hier star­ke Ähn­lich­kei­ten entdecken.

Siedlung Kösliner Straße
Kös­li­ner Stra­ße (Quel­le: E.Elfert)

Auch eines der zen­tra­len Bau­vor­ha­ben der Nach­kriegs­zeit im Wed­ding ‚die Neu­bau­ten in der Kös­li­ner Stra­ße, fehlt. Es wäre erwäh­nens­wert gewe­sen, da es sich um das ers­te Sanie­rungs­ge­biet han­delt. Ganz neben­bei haben hier die orts­an­säs­si­gen SPD-Genos­sen ihre eige­ne Geschich­te, näm­lich des eins­ti­gen „Roten Wed­ding“, mit der Abriss­bir­ne entsorgt.

Es hät­te dem Buch mit sei­nen 460 Sei­ten sicher auch gut getan, wenn die Autoren nicht auch die bereits oft beschrie­be­nen zen­tra­len Ber­li­ner Bau­wer­ke die­ser Epo­che mit behan­delt hät­ten. So wäre sicher Platz gewe­sen für die die Ernst-Reu­ter-Schu­le in der Stral­sun­der Stra­ße, des Stu­den­ten­wohn­heim “Ernst Reu­ter“am Sparr­platz, das Kurt-Schu­ma­cher-Haus in der Mül­lerstra­ße oder das ehe­ma­li­ge Dies­ter­weg-Gym­na­si­um in der Swi­ne­mün­der Straße.

Himmelfahrts Kirche
Him­mel­fahrts­kir­che im Hum­boldt­hain (Quel­le: E.Elfert)

Unbe­ar­bei­tet blie­ben die Not­kir­che auf dem Fried­hof an der Grenz­stra­ße und die Him­mel­fahrts­kir­che an der Gus­tav-Mey­er-Allee (bei­de von Otto Bart­ning). Fans des Kir­chen­bau­es der Nach­kriegs­zeit kön­nen sich aller­dings freu­en. Ein Buch zu den Kir­chen aus die­ser Zeit, geschrie­ben von Niko­laus Ber­nau und mit Foto­gra­fien von Patrick Vogt, wird dem­nächst in den Buch­lä­den erhält­lich sein. Und da fin­det sich dann auch die Dan­kes­kir­che auf dem Wed­ding­platz von Fritz Born­emann, die im beschrie­be­nen Archi­tek­tur­füh­rer lei­der auch fehlt.

Autor: Eber­hard Elfert

Die Rezen­si­on ist ein ers­ter Ein­stieg in das The­ma. In Kür­ze folgt ein umfas­sen­der Bei­trag zum The­ma Nach­kriegs­mo­der­ne im Wedding.

Ehemaliges Audimax der TFH
Ehe­ma­li­ges Audi­max der TFH
Ehem. BVV-Saal und Rathausturm
Ehem. BVV-Saal und Rathausturm

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