Mit künstlerischen Mitteln erzählt das Müll Museum Soldiner Kiez eine ungewohnte Geschichte des Wedding – und doch eine, die viele Menschen im Stadtteil bewegt. Jetzt ist die Mithilfe der Weddinger gefragt, wenn es um den anstehenden Müllgipfel geht.
Eine Bleistiftzeichnung zeigt einen Coffee-to-go-Becher, der eingeknickt auf der Straße liegt. Seine Oberfläche ist dunkel schaffiert. Der Rand glänzt weiß. Der Becher füllt die gesamte Fläche des Bildes aus. Man könnte meinen, er platze förmlich aus den Rahmen. Die Zeichnung ist 2018 während eines Spazierganges durch den Soldiner Kiez entstanden. Die Künstlerin war Schülerin des Oberstufenzentrums “KIM” und hatte dokumentieren wollen, was auch sechs Jahre später ist: 20 000 Kunststoffbecher werden stündlich in Berlin verbraucht.
Die Zeichnung hängt im Müll Museum Soldiner Kiez. Sie erinnert daran, dass auch der Müll die Berliner trennt, wie es sonst nur die Mauern konnte. Wer im Supermarkt auf Verpackung verzichten möchte, muss tief in die Geldbörse greifen. In Zeiten von Inflation und steigender Mieten können das nur wenige. Das Museum hat sich daher zur Aufgabe gemacht, mit seinen 28 Müll-Kunstwerken die Geschichte des Kiezes und seiner Bewohner zu erzählen. Das Cover des Kinderbuches Ede und Unku, ein Döner aus Knete oder eine Bretterbude in Form eines Autos: Die Kunstwerke spiegeln die politischen Säuberungen in den 1930er Jahre über das mühselige Ankommen der Gastarbeiter bis in die Gegenwart. Auf hohem ästhetischem Niveau wurden sie von der Nachbarschaft angefertigt – oder waren bereits da, wie die Digital Jesus-Skulptur aus Elektroschrott des kürzlich verstorbenen Fotografen Ron Gerlach und Oliver Breitengraser. In mystischen Farben glänzen Handy, Platinen & Floppie und dokumentieren eine Welt, die im rasenden Tempo Ressourcen ausbeutet – und die Menschen in Kunden und Konsumenten einteilt. Breitengraser, der einige Jahre auf der Straße lebte, konnte zusehen, wie die Menschen immer weiter in ihre Smartphones hereingezogen wurden, bis sie letztlich wie Zombies durch die reale Welt wandern. Einen Blick herunter auf Breitengraser, der auf dem Boden kauerte, gab es nicht.
Welcher Blick allerdings unvermeidlich ist: der in die eigene Mülltonne. Der erzählt nicht nur vom Lifestyle der Menschen, die ihn produzieren, sondern auch etwas über die Umstände, in denen sie leben. In vielen Mietshäusern quellen die Tonnen chronisch über. Nicht selten führt das zu Streitereien in der Nachbarschaft. Dabei sind sich alle einig: Der Müll ist mehr geworden.
Wie der Kiez den Müll bekämpfen könnte, das wird im November auf dem Müllgipfel Berlin-Mitte im Müll Museum Soldiner Kiez erörtert. Gemeinsam mit dem Bezirksamt, Vermietern, Bewohnern und Gewerbetreibenden des Soldiner Kiezes werden Hausmüll, Müll im öffentlichen Raum und Gewerbemüll unter die Lupe genommen werden. Zuvor bittet das Museum um Mithilfe und will von den Bewohnern von Mitte wissen:
Welcher Müll stört euch? Woran liegt das Müllproblem in eurem Haus? Und welcher Müll liegt euch auf dem Herzen?
Bitte sendet eine E‑Mail an [email protected] Betreff: Mein Müll
oder kommt zur Wieder-Eröffnungsparty am 6.9. ab 13 Uhr ins Müll Museum Soldiner Kiez.
Text: Lena Reich, Fotos: Müll Museum
Es ist recht einfach, sich einen leichten Henkelbecher und Besteck in den Rucksack zu stecken .und stets dabei zu haben … .. Und wenn schon absurde Umstände – wie das scheußlich viele Pappzeug, Sperrmüll und Spritzen auf den Straßen und in den Parks um sich greifen, kann man fast auf die Idee kommen, ein digitales Rückgabesystem im Freien einzuführen: für jedes in einen Mülleimer, also “BSR-Filiale” 🙂 entsorgte gemarkerte Muelldngs bekommt man Punkte auf einer ZeroWasteCard und irgendwann eine nette Belohnung dafür … vllt vom Müll Museum Soldiner Kiez