Die Altenhilfe kommt nicht von ungefähr. Sie ist im SGB XII geregelt und ist bei der kommunalen Verwaltung angesiedelt. Wesentliche Ziele sind die Teilhabe alter Menschen und der Erhalt des selbständigen Lebens im Alter. Auch die Altenhilfe hat eine Geschichte mit sich ändernden Leitbildern und Zielen. Darüber haben ich ein Interview mit Altenhilfekoordinatorin des Bezirks geführt.
Lag der Fokus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch auf der Perspektive der Pflege im Alter und deren kommunaler Voraussetzungen, so wird heute die Altenhilfe in der Sozialplanung integriert, umfassend und erweitert vorgenommen, was auf die Einführung von § 71 im SGB XII im Jahr 2005 zurückgeht. Demnach wird Altenhilfe als Querschnittaufgabe angesehen, bei der man zudem die Angebote für die Senior*innen als ein abgestimmtes Zusammenspiel verschiedener relevanter Lebensbereiche für den Aufbau koordinierter Versorgungsketten plant und umsetzt.
In Berlin-Mitte wurde erstmals 2019 eine Stelle zur Altenhilfekoordination (AHK) eingerichtet. Frau Hartmann, Altenhilfekoordinatorin, im Rathaus Wedding ansässig, ist seit 2021 im Amt.
Frau Hartmann, seit wann sind Sie im Dienst und welches sind Ihre wesentlichen Aufgaben in der Altenhilfe nach § 71 SGB XII?
Meine Schwerpunkte sind unter anderem die Erstellung eines Seniorenentwicklungsplans, Sicherstellung gesellschaftlicher Teilhabe älterer Menschen, Zusammenarbeit mit bezirklichen Akteur*innen der Senior*innenarbeit und Vernetzung, die enge Zusammenarbeit mit Begegnungsstätten und regelmäßiger Austausch, Mitarbeit in bezirklichen Gremien und Gremien der Senior*innenpolitik und die Zusammenarbeit mit der Seniorenvertretung.
Was sind Ihre aktuellen Vorhaben? Ist der Seniorenentwicklungsplan für Mitte schon abgeschlossen? Was wird Mitte anders als die anderen Bezirke an Projekten entwickeln?
Aktuell wird die Fertigstellung des Seniorenentwicklungsplans priorisiert. Ein wichtiges aktuelles Vorhaben ist die Sanierung einer Begegnungsstätte im Prognoseraum Wedding. Hier sind wir auf einem guten Weg.
Können Einzelpersonen, Vereine und Organisationen aus der Seniorenarbeit, wenn es darum geht, die laut § 71 SGB XII “kommunale Infrastruktur zur Vermeidung sowie Verringerung der Pflegebedürftigkeit und zur Inanspruchnahme der Leistungen der Eingliederungshilfe zu verzahnen”, Vorschläge und Anregungen einbringen?
Ja, natürlich.
Frau Hartmann, was ist das Besondere an der Koordination der Aufgaben der Altenhilfe und wer und wie wird zwischen den Berliner Bezirken koordiniert? Wer entwickelt die Zielsetzungen?
Ein Beispiel ist die Entwicklung von Maßnahmen während der Pandemie zur Vermeidung von Einsamkeit. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Sensibilisierung für die Bedarfe von Senior*innen der LSBTI*-Gemeinschaft.
Im zweistufigen Berliner Verwaltungsaufbau sind die Senatsverwaltungen den Bezirksämtern übergeordnet. Das sind für uns die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales und die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung. Sie koordinieren die Arbeit in Arbeitsgemeinschaften und darüber hinaus gibt es ein selbst organisiertes Gremium der Altenhilfekoordinator*innen.
Besonders an der Aufgabe der Altenhilfekoordination ist die Förderung der Vernetzung von Verwaltung und Akteur*innen der Senior*innenarbeit. Dabei ist es spannend, die Bedürfnisse der älteren und jüngeren Generation aufeinander abzustimmen, um ein gutes generationsübergreifendes Miteinander zu fördern.
Wie stellen Sie den Kontakt zu den Älteren her? Sie haben eine Sprechstunde im Rathaus und Sie nehmen am Runden Tisch Senioren (RTS) teil. Was darüber hinaus gibt es für Sie an Austausch und Beratung? Was sind die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger?
Mit meinen Kolleg*innen des ASD (Allgemeiner Sozialer Dienst) und des Ehrenamtsbüros stehe ich eng im Kontakt. Anliegen sind zum Beispiel das Vorhandensein von Toiletten und Bänken im öffentlichen Raum, oder auch das (barrierefreie/barrierearme) Wohnen im Alter. Auch über den Kontakt zu den Begegnungsstätten erfahren wir von den Anliegen der Bürger*innen.
Was liegt an weiteren Ideen und wünschen in der Luft? Zum Beispiel sind die Plauderbänke eine gute Sache. Auch die Idee „Pinnwand in jedem Haus“ kann Älteren, eher noch internetfernen Mitbürgern helfen.
Wir spüren weiterhin die Nachwirkungen der Pandemie. Es besteht ein Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach gesellschaftlicher Teilhabe einerseits und Bedenken vor gesundheitlichen Risiken andererseits. Die Begegnungsstätten berichten, dass die Zahl der Besucher*innen immer weiter steigt. Vor allem sportliche und gesellige Angebote sind sehr gefragt.
Neben den zahlreichen Angeboten digitaler Schulungen für Senior*innen achten wir als Bezirksamt immer darauf, dass analoge Angebote bestehen bleiben und eine Teilhabe auch grundsätzlich ohne Kenntnisse der digitalen Welt und deren Chancen möglich bleibt.
Frau Hartmann, vielen Dank für dieses Interview!
Fragen und Text – © Renate Straetling
LINKS
Der Gesetzestext § 71 SGB XII
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_12/__71.html
Anfrage aus dem Jahr 2018
www.hauptstadtmitte.de/sites/default/files/2018–12/MA_1440_V.pdf
Studie LISA II
https://www.berlin.de/ba-mitte/aktuelles/pressemitteilungen/2021/pressemitteilung.1049291.php