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Achtsamkeitskolumne:
Augen auf im Supermarkt des Lebens!

28. April 2024
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„Du schreibst in deinen Kolumnen ja gern über das, was wir bei unseren Treffen besprechen“, sagte meine Weddinger Freundin letztens, als wir mal wieder zusammen im Café saßen. „Wenn ich dir jetzt erzähle, dass ich letztens im Gesundbrunnen-Center richtig irritiert war – landet das dann in deinem nächsten Beitrag?“ Das käme darauf an, antwortete ich und fragte, was genau sie denn so irritiert habe. Es ging um ihren Lieblings-Supermarkt beziehungsweise um ein bestimmtes Lebensmittelregal dort. „Ich gehe da immer als erstes hin“, sagte sie. „Aber plötzlich waren ganz andere Waren drin – die haben einfach umgeräumt. Für mich war das die totale Zumutung.“ Bingo! Da hatte ich mein nächstes Thema für die Kolumne: die Komfortzone.

Ein alte Kasse. Foto: Sulamith Sallmann
Ein alte Kasse. Foto: Sulamith Sallmann

Landauf, landab hört und liest man von dieser Zone, in der wir uns alle befinden und die wir gefälligst alle verlassen sollen. Tun wir das nicht freiwillig, werden wir irgendwann mit kleineren oder größeren Zumutungen konfrontiert, die uns aus dem gewohnten Komfort herausbringen. Das kann die kurze Irritation im Supermarkt sein inklusive einem Unbehagen, weil man auf die Suche nach den Lieblingswaren gehen muss. Es kann aber auch etwas viel Größeres sein, das uns aus dem Gewohnten schleudert, ob wir wollen oder nicht.

Was aber ist der Sinn davon, die Komfortzone zu verlassen? Für die Supermarkt-Leitung ist es klar: Die Kundin muss quer durch den Laden laufen, sieht dabei neue Waren, für die sie schon blind geworden war, und kauft dadurch hoffentlich mehr als sonst. Die Kasse klingelt, der Supermarkt macht Gewinn.

Unser Leben ist quasi unsere private Supermarkt-Leitung. Wenn wir zu lange auf eingetretenen Pfaden laufen, wenn wir immer wieder dasselbe denken, sagen, tun – dann werden wir blind für das, was es sonst noch so gibt. Und nicht nur blind werden wir, sondern auch träge. Wir erstarren und rosten ein. Unser Leben gleicht einem Museum für verrostete Blindschleichen. Wer würde dafür auch nur einen Cent Eintritt bezahlen?

Natürlich ist es oft alles andere als leicht, den gewohnten Pfad zu verlassen. Denn er ist freigetrampelt und man sieht, wo es lang geht. Ganz anders der Weg, der sich links oder rechts nur andeutet, der aber mit Geröll bedeckt und von Pflanzen überwuchert ist. Auf dem Hinweisschild steht vielleicht: „Hier entlang weht frischer Wind und andere, bessere Dinge warten auf dich.“

Aber woher sollen wir wissen, ob das auch wirklich stimmt? Da schleichen wir lieber mühsam über den zuverlässigen Pfad. Nur Spaß und Freude, die Aufregung, etwas Unbekanntes zu entdecken – die erleben wir dann nicht. Weil wir die Veränderung als Zumutung empfinden. Dabei haben wir ja keine Ahnung, ob unser gewohnter Weg nicht irgendwann eine rasante Kurve hinlegt und wir plötzlich vor einem Abgrund stehen. Und genauso wenig wissen wir, was passiert, wenn wir uns trauen würden, dem Hinweisschild zu folgen. Wenn wir die Pflanzen beiseite schieben und vorsichtig über das Geröll gehen. Womöglich lichtet sich schon nach wenigen Metern das Dickicht und statt Steinen liegt weiches Moos auf dem Weg.

Das ist der Weg... im Park am Nordbahnhof! Foto: Stephanie Esser
Das ist der Weg... im Park am Nordbahnhof! Foto: Stephanie Esser

Wenn wir uns also in einem bestimmten Bereich unseres Lebens auf einem ausgeschlichenen Pfad bewegen, der kaum noch Freude macht, dann wird es Zeit, mal innezuhalten, die Augen zu öffnen und uns umzuschauen. Das Leben ist voller Hinweisschilder, die tief in unserem Inneren das Gefühl von „Eigentlich würde ich ja gern …“ auslösen. Folgt danach sofort ein „Aber …“, können wir sicher sein, dass wir uns hier voll in der Komfortzone befinden. Wenn wir dann gewohnheitsmäßig weiterschleichen, ohne zumindest zu überlegen, wie sich etwas verwirklichen ließe, dann wird die Kasse unseres Lebens so bald nicht klingeln.

„Hat es denn lange gedauert, bis du das neue Regal gefunden hast?“, fragte ich meine Freundin.
„Nein, es war nur um die Ecke, doch die haben mein Produkt aus dem Sortiment genommen. Ich musste es im Späti bei mir gegenüber kaufen. Zuerst habe ich mich geärgert, aber der Späti-Inhaber ist wirklich nett.“
„Wirklich nett?“, fragte ich mit einem Augenzwinkern. Sie lächelte und schwieg vielsagend.

Sieht ganz so aus, als hätte die Supermarkt-Leitung ihres Lebens sie auf einen spannenden neuen Pfad geschickt 😉

Faksimile: Stephanie Esser

Stephanie Esser

Stephanie Esser lebt im Brunnenviertel, ist zertifizierte Lachyoga-Leiterin (CLYL), schreibt als Journalistin über Persönlichkeits- und Achtsamkeitsthemen und gibt Kurse im Lachyoga sowie zur hawaiianischen Konfliktlösungsmethode Ho'oponopono. Mehr darüber plus Praxistipps und Blogbeiträge gibt es auf ihren Websites www.frieden-freude-lachen.de sowie www.danke-ich-liebe-dich.de.

7 Comments Leave a Reply

  1. Hm, verrostete Blindschleichen habe ich wirklich noch nie gesehen. 😉 Ich muss jetzt aber viele neue Wege gehen, um viele alltägliche Dinge zu kaufen, seit Karstadt am Leopoldplatz geschlossen wurde. Vielleicht liegen auf diesen Wegen ja welche rum.

  2. Mein Eindruck vom modernen Leben, selbst in Großstädten, ist, dass man so viele Alternativen und konstruktive Abzweigungen vom Trott nicht finden kann. Es sei denn, man gibt sich mit dem Produktangebot zufrieden und findet da
    neue Auswahl und Zufriedenheit, meinethalben auch kleine Läden mit Flirtfaktor.
    Wie weit kommen nicht doch eher und vor allem die Zwischenmenschlichkeiten und Projekte ins Spiel, wenn es um (letztendlich doch wieder nur) vor-museale neue Pfade geht?

    • Hallo Renate

      es ging nicht wirklich in diesem Text um das einkaufen im Supermarkt. Es ging darum aus seinem Alltag herauszukommen und Neue Wege !! zu beschreiten, z,b. um seinen Blickwinkel zuverändern.... eine neue Denkweise einzunehmen.... sich von den Konditionen unserer Kindheit zubefreien... das Leben aus derVogelperspektive zu betrachten
      Machen sie eine Ausflug in den Tiergarten , anschließend gehen sie auf die Siegessäule und schauen sich den Tiergarten von oben an.... und was sehen sie dann !!??

      positiven Start in die Woche

      • ich bin ja auch nicht so ganz dumm. das habe ich auch verstanden. aber im laufe eines wirklich längeren lebens ist dieses wechseln zwischen frosch - und vogelperspektiven auch noch "zu wenig".

  3. Hallo
    Leiden ist für die meisten Menschen leichter als sich vom Leiden zu lösen
    Das Leben kann leidvoll sein , meistens verursacht es der Mensch in sich selber
    Es könnten bald Zeiten auf uns zukommen, welche bei den allermeisten eine kognitive Dissonanz hervor rufen wird…. wenn die alte Welt zerbricht – man daran festhält und nicht bereit ist neue Wege zu gehen….
    Wer genau hin sieht kann es schon jetzt erkennen….
    erbauliches WE noch

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