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Bericht aus der BVV:
Von allen guten Freunden verlassen

Erste Lesung zur Abwahl des Bezirksbürgermeisters
26. August 2022
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Er sieht sich als ers­ter Die­ner des Bezirks. “Ich kann sagen, dass ich das Bes­te für den Bezirk will und woll­te”, so Ste­phan von Das­sel. Doch der Bezirks­bür­ger­meis­ter Ste­phan von Das­sel steht vor der Abwahl. Ges­tern (25.8.) kam die Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung zur ers­ten Lesung zusam­men. Kei­ne Frak­ti­on woll­te Ste­phan von Das­sels Art und Wei­se der Die­ner­schaft unter­stüt­zen. Auch die eige­ne Par­tei, die Grü­nen, zeig­ten sich “ent­täuscht”. Einig waren sie sich die Par­tei­en, dass Ste­phan von Das­sel an zu vie­len Stopp­schil­dern vor­bei­ge­gan­gen ist.

Nach­dem eine belas­ten­de SMS an die Pres­se wei­ter­ge­reicht wur­de, fin­det Ste­phan von Das­sel kei­ne Erklä­rung, die die Ver­ord­ne­ten der Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung (BVV) über­zeugt. Er ist beim krea­ti­ven Umgang mit den nicht sel­ten hin­der­li­chen Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten zu weit gegan­gen. Der Bezirks­bür­ger­meis­ter bestä­tigt in einer Son­der­sit­zung der BVV am 25. August, dass er nach einer “pri­vat­recht­li­chen” Lösung gesucht habe. Hat er Geld gebo­ten, damit ein unter­le­ge­ner Bewer­ber für eine wich­ti­ge Stel­le im Bezirks­amt sei­ne Kla­ge zurückzieht?

Bas­ti­an Roet von der FDP fasst die Vor­wür­fe der Bezirks­po­li­tik zusam­men: “Auch wir von der FDP wün­schen uns man­ches anders, direk­ter. Aber es gibt Spiel­re­geln, die manch­mal stö­ren, aber ihre Grün­de haben.” Ste­phan von Das­sel hat­te sich zuvor ver­tei­digt mit dem Argu­ment, er habe bei der Stel­len­be­set­zung eine “jah­re­lan­ge Hän­ge­par­tie” ver­mei­den wollen. 

Verteidigungslücken bei Stephan von Dassel

Stephan von Dassel
Ste­phan von Das­sel vor der Abwahl. Foto: And­rei Schnell

Kon­kret dreh­te sich die Debat­te in der Son­der­sit­zung um die Fra­ge, ob Ste­phan von Das­sel tat­säch­lich Geld gebo­ten habe. Er selbst wählt die For­mu­lie­rung: “Es ist nie­mals Geld geflos­sen”. Zu einer belas­ten­den SMS, die der unter­le­ge­ne Bewer­ber an die Pres­se wei­ter­lei­te­te, sagt er: “Was ich gemeint haben könn­te, ist mir sel­ber nach wie vor nicht klar.” Den­noch ist ihm wich­tig, dass er nie habe Geld bie­ten wol­len. Aller­dings kön­ne er nicht dar­le­gen, um was es bei einer “pri­vat­recht­li­chen” Eini­gung habe gehen sol­len. Er spricht von Ver­zweif­lung, die dazu geführt habe, dass er mit dem unter­le­ge­nen Bewer­ber Kon­takt auf­ge­nom­men habe. Er woll­te mit ihm Kon­takt blei­ben, so Ste­phan von Das­sel bei der Sit­zung der BVV. Der Zuhö­rer durf­te ver­ste­hen: Ste­phan von Das­sel ist ein Macher, der zum Woh­le des Bezirks auch unkon­ven­tio­nell han­delt, sich durch die selbst gestrick­ten Fall­sei­le der Ver­wal­tung win­det. Mot­to: Alles, bloß kei­ne Blo­cka­den, bloß kein Verwaltungsstillstand. 

Die Ange­le­gen­heit dreht sich um die Beset­zung des Steue­rungs­am­tes. Für die­se maß­geb­li­che Posi­ti­on hat es im letz­ten Jahr meh­re­re Bewer­ber gege­ben. Das Ver­fah­ren hat­te zunächst ein enger Ver­trau­ter des Bezirks­bür­ger­meis­ters gewon­nen. Dar­auf­hin hat ein unter­le­ge­ner Bewer­ber gegen das Bewer­bungs­ver­fah­ren geklagt. Ste­phan von Das­sel woll­te außer­halb des Dienst­we­ges errei­chen, dass der leer aus­ge­gan­ge­ne Bewer­ber die­se Kla­ge vor Gericht zurück­zieht. (Ob der Inhalt der an die Pres­se wei­ter­ge­reich­ten SMS als Nach­weis aus­reicht, dass der Bewer­ber als bestech­lich anzu­se­hen ist, das war an die­sem Abend nicht The­ma der BVV.) 

Eigene Zählgemeinschaft wendet sich ab

Bri­sant ist, dass auch die Frak­ti­on der Grü­nen in ihren eige­nen Bür­ger­meis­ter kein Ver­trau­en mehr fas­sen woll­ten. Ledig­lich Dan­kes­wor­te für die geta­ne Arbeit fie­len. Doch in der Haupt­sa­che baten die Grü­nen ihren Bür­ger­meis­ter, zurück­zu­tre­ten. Lela Sissau­ri sag­te, sie bedau­re, die Abwahl for­dern zu müs­sen. “Ich bin ent­täuscht, dass Ste­phan nicht mit der Frak­ti­on offen und ehr­lich kom­mu­ni­ziert hat”. Shirin Kre­ße sag­te: “Wir haben dich, Ste­phan, zum Rück­tritt auf­ge­for­dert.” Sie sei ent­täuscht, dass grü­ne Wer­te gebro­chen wor­den sei­en. Gute Inten­tio­nen reich­ten nicht aus, so die Politikerin.

Die Frak­ti­on der SPD, die vor weni­ger als einem Jahr mit den Grü­nen eine Zähl­ge­mein­schaft (eine Art Koali­ti­on) bil­de­te und so die Wahl Ste­phan von Das­sels mög­lich mach­te, for­der­te jetzt des­sen Rück­tritt. Die SPD habe sich von ande­ren Par­tei­en, der Pres­se und von Twit­ter nicht trei­ben las­sen; sie habe Ste­phan von Das­sel die Chan­ce gege­ben, sich zu recht­fer­ti­gen. “Ein Bür­ger­meis­ter muss ein gutes Vor­bild sein”, dür­fe Pri­va­tes und Amt nicht ver­men­gen, selbst wenn bes­te Absich­ten vor­lä­gen. Man habe in Erin­ne­rung, dass sich Ste­phan von Das­sel einst vor­ge­stellt habe mit den Wor­ten, sei­ne Schwä­che sei sei­ne Art der Amts­füh­rung. Doch auch, wenn der Bezirks­bür­ger­meis­ter kei­ne per­sön­li­chen Vor­tei­le gezo­gen habe, sei “für uns von der SPD ent­schei­dend, wie der poli­ti­sche Scha­den ist”, so Susan­ne Fischer von der SPD. 

Opposition mit deutlichen Worten

Sebas­ti­an Pie­per von der CDU beleg­te wie bei einer Gerichts­ver­hand­lung Schritt für Schritt, wie der Fehl­tritt des Bür­ger­meis­ters zu bewei­sen ist. Dass “pri­vat­recht­li­che Lösung” nur das Ange­bot einer Geld­zah­lung bedeu­ten kön­ne. Und er füg­te der Beweis­ket­te hin­zu, es han­de­le sich um einen ein­ma­li­gen Vor­gang. “Es gab in Ber­lin noch nie einen Abbe­ru­fungs­an­trag gegen einen Bezirks­bür­ger­meis­ter”. Wie “kri­tisch die Situa­ti­on ist” zei­ge der Umstand, dass alle Frak­tio­nen ein­schließ­lich der Zähl­ge­mein­schaft die Abbe­ru­fung for­dern. Pro­ble­ma­tisch sei, dass es “kei­ne Gewähr gibt, dass Sie nicht bei ande­ren Gele­gen­hei­ten wie­der genau­so handeln”. 

Sven Died­rich von den Lin­ken fin­det vie­les “nach­voll­zieh­bar”. Zum Bei­spiel den Wunsch nach einer Ver­trau­ens­per­son in einer Schlüs­sel­po­si­ti­on. Aber es sei “ein bei­spiel­lo­ser Vor­gang, dass ein Bezirks­bür­ger­meis­ter ver­sucht, sich sein Spit­zen­per­so­nal zusam­men­zu­kau­fen” (Ein Satz, dem Ste­phan von Das­sel sofort wider­sprach). „Wir und die Öffent­lich­keit sind empört, dass Sie als Bür­ger­meis­ter dem unter­le­ge­nen Bewer­ber ein unse­riö­ses Ange­bot gemacht haben.‟

Abwahl am 8. September

Am 8. Sep­tem­ber folgt die zwei­te Lesung zur Abwahl. Der Ver­lauf der ers­ten Lesung zeig­te, dass die Abwahl in zwei Wochen höchst­wahr­schein­lich Form­sa­che sein wird. Bis dahin kann Ste­phan von Das­sel von sich aus zurück­tre­ten. Dazu haben ihn die Bezirks­po­li­ti­ker ges­tern ein­zeln und ein­dring­lich auf­ge­for­dert. Mit einem Rück­tritt ver­lö­re er erheb­li­che Ver­sor­gungs­an­sprü­che und hohe Wei­ter­zah­lun­gen. Bei einer Abwahl darf er die­se behal­ten. Ste­phan von Das­sel lehnt den Rück­tritt ab, weil er damit die Vor­wür­fe bestä­ti­gen wür­de, so der Bürgermeister.

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

19 Comments Leave a Reply

  1. Das wird ja immer uner­träg­li­cher mit die­sem Kerl…

    „ Zugleich gestand er erst­mals, dass auch das Finan­zi­el­le dabei von Bedeu­tung sei. „Natür­lich spielt es eine Rol­le, dass ich bei einem Rück­tritt sämt­li­che Ansprü­che verlöre.“
    …Nach den vie­len Jah­ren im Bezirks­amt, den Belei­di­gun­gen und Bedro­hun­gen, die er habe aus­hal­ten müs­sen, habe er etwas ande­res verdient. „

    Er hat wohl vie­le „hin­ter die Fich­te geführt“ und jetzt kommt sein wah­res Gesicht heraus!

    Gut, dass er weg ist…

  2. Poli­ti­ker-Bas­hing erweist sich in einer der­ar­ti­gen Situa­ti­on mög­li­cher­wei­se als wohl­feil. Dies trifft auch auf die For­de­rung nach einer Abschaf­fung der Ver­sor­gung nach einer Abwahl zu. Hier bin ich abso­lut ande­rer Mei­nung. Gera­de die Kom­mu­nal­po­li­tik ist mit der­ar­tig vie­len Fall­stri­cken durch­zo­gen, dass ich es für abso­lut rich­tig hal­te, im Zwei­fels­fall auch an eige­ner Selbst­ge­rech­tig­keit geschei­ter­ten Poli­ti­kern eine Absi­che­rung zuzugestehen.

    Herrn von Das­sel ken­ne ich noch aus der gemein­sa­men Zeit in der BVV, also vor sei­ner Wahl zum Stadt­rat und spä­ter zum Bür­ger­meis­ter. Er ist mir auch durch sei­ne schnel­le Auf­fas­sungs­ga­be, ins­be­son­de­re aber durch sei­ne aus­ge­präg­te Bereit­schaft, BA-Mit­glie­dern ande­rer Par­tei­en ein Bein zu stel­len, auf­ge­fal­len. Nun trifft es ihn selbst. Die Mit­glie­der sei­ner Par­tei, die jetzt als in inter­nen Macht­kämp­fen unter­le­ge­ne Per­so­nen ger­ne mal Nach­tre­ten, bekle­ckern sich damit nicht zwin­gend mit Ruhm. Posi­tiv ist mir beim Lesen des Berichts auf­ge­fal­len, dass offen­bar man­che Bezirks­ver­ord­ne­te ande­rer Par­tei­en sich um einen dif­fe­ren­zier­ten Blick auf die Situa­ti­on bemühen.

    Vie­le Grü­ße und Herr v. Das­sel alles Gute.

    Tho­mas Chris­tel, geb. Koch

  3. Tja. Denk ich an Deutsch­land in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht. Was haben wir nur für Poli­ti­ker und was tut sich Im Öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk.? Man kann direkt Angst kriegen.

    • Ich, auf­ge­wach­sen in der DDR, sehe es genau anders­her­um, bin ange­sichts der Nach­rich­ten zuver­sicht­lich statt ver­ängs­tigt. Anders als im Osten gibt es heu­te eine Öffent­lich­keit, die fal­sche Ent­wick­lun­gen beim Namen nennt und been­digt. Grund­sätz­lich und mehr­heit­lich ist der öffent­lich-recht­li­che Rund­funk gut und sind auch unse­re Poli­ti­ker gut.

    • Nach mei­ner Beob­ach­tung eher ein klei­ner Teil von Poli­tik. Der größ­te Anteil der Poli­ti­ker im Bezirk sind enga­giert und strei­ten red­lich für ihre Ziele.

    • Ja, und der Voll­stän­dig­keit hal­ber muss man sagen, dass ges­tern nach der Sit­zung auch noch die Son­ne unter­ge­gan­gen ist. 😉

        • Mit dem “erwar­tungs­ge­mäß” drückt der Kom­men­ta­tor Frank aus, dass das Bei­sprin­gen nicht gera­de der span­nends­te Punkt der Sit­zung war.

          • Kom­plett feh­ler­haf­te Inter­pre­ta­ti­on. „Erwar­tungs­ge­mäß“ soll­te etwas über die Poli­tik des Herrn von Das­sels in den letz­ten Jah­ren aus­sa­gen, mit der er sich nun erwar­tungs­ge­mäß der Unter­stüt­zung der AfD sicher sein kann.

          • Mir ist schon klar, dass Sie Herrn Das­sel in eine bestimm­te Ecke stel­len wol­len. Ich wider­spre­che dem Ver­such ledig­lich. Das Wort “erwar­tungs­ge­mäß” so zu inter­pre­tie­ren, wie Sie nun erklä­ren, hät­te vor­aus­set­zen müs­sen, dass ich Ihnen Bös­ar­tig­keit unter­stel­le. Das liegt mir fern. Und es ent­täuscht mich, dass Sie so den­ken, wie Sie nun erklären.

        • Ich will damit aus­drü­cken, dass ich das von Herrn Ber­ter­mann genann­te für ein unwe­sent­li­ches Detail hal­te, das nichts an der Sache ändert, dass nie­mand, der es vor­her tat, mehr zum Bezirks­bür­ger­meis­ter hal­ten woll­te. Zumal mir aus ers­ter Hand berich­tet wur­de, dass gar nicht unmiss­ver­ständ­lich gesagt wer­den kann, ob die Par­tei tat­säch­lich bei­gesprun­gen ist, es nur erwo­gen oder gar wie­der ver­wor­fen hat. Inso­fern müs­sen wir doch bis zur Abstim­mung am 8. Sep­tem­ber war­ten. Das wer­den wir wohl aushalten.

          • Bei Jou­na­lis­mus geht es nicht dar­um, was ein/e Journalist*in für sich als ein „unwe­sent­li­ches Detail“ betrach­tet, son­dern um eine umfas­sen­de Infor­ma­ti­on der Leser*innen. So zumin­des­tens mein Ver­ständ­nis von Pres­se­dar­stel­lun­gen. Ich kann aus ers­ter Hand sagen, dass die AfD-Mes­sa­ge sehr ein­deu­tig war: Sie unter­stüt­zen die Abwahl­an­trä­ge nicht.

          • Ich war ja nicht dabei, was ich ja auch gesagt habe. Der anwe­sen­de Kol­le­ge hat es so berich­tet, dass es unverständlich/uneindeutig war, sie­he auch sei­nen Kom­men­tar dazu. Es gab wohl sogar Nach­fra­gen dazu in der Sit­zung, wur­de mir berich­tet. Aber bei der Abstim­mung wird es dann wohl für alle (also auch für mich) unmiss­ver­ständ­lich sein wie die AFD dazu steht. Trotz­dem dan­ke für die Ergän­zung. Wenn es für den einen oder die ande­re Leser:in erhel­lend ist, dann ist es gut.

            Beim Jour­na­lis­mus geht es um Infor­ma­ti­on, das stimmt. Aber ein Jour­na­list trifft immer eine Aus­wahl, wie neu­tral er auch sein will. Sonst wäre er ein Pro­to­kol­lant. Zu den Auf­ga­ben eines Jour­na­lis­ten gehört ganz klas­sisch auch das Aus­wäh­len und Bewerten/Einordnen von Infor­ma­tio­nen. Dass zum Bei­spiel die taz ihre Infos anders aus­wählt als der Tages­spie­gel oder die Welt oder der Spie­gel, ist ja offen­sicht­lich. Und das ist auch ok so. Die Leser:innen wis­sen das und lesen den Aus­wahl­me­cha­nis­mus dann sozu­sa­gen mit.

    • Ich habe das Stöck­chen von Herrn Dr. Bor­mann wohl bemerkt, konn­te aber nicht dar­über sprin­gen, weil ich inhalt­lich nichts verstand.

  4. „ Bei einer Abwahl darf er die­se behal­ten. Ste­phan von Das­sel lehnt den Rück­tritt ab,…“
    Nicht nur behal­ten … er wür­de sogar lt. Bericht­erstat­tung noch für 4 (vier ! )Jah­re monat­li­che Bezü­ge > 7.000 € erhal­ten! Damit kann er als Nichts­tu­er ent­spannt den stei­gen­den Gas­prei­sen ent­ge­gen sehen!

    • Bei einer Reform der Beam­ten­ver­sor­gung bin ich dabei. In der Tat scha­de, dass sich die grö­ße­ren Par­tei­en da nicht rantrauen.

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