“Es gibt doch schon jede Menge Studien zu Crack aus den USA. Wir brauchen jetzt doch nicht noch eine für Berlin – das Geld könnten wir besser einsetzen!” Am Runden Tisch formuliert ein Anwohner Widerspruch. Ein anderer fordert die Studie hingegen umso vehementer: “Die Drogenszene kriegt eine ganz andere Dynamik, wenn Crack gehandelt wird. Nur wenn wir die verstehen und mehr darüber wissen, haben wir überhaupt eine Chance, mit diesem Problem zurecht zu kommen.”
Ganz neu ist Crack bei uns nicht. Denn um Crack herzustellen, sind keine großen Labore und keine speziellen Kenntnisse erforderlich: Man braucht nur Kokain, Natron und idealerweise eine Küche, ein Feuerzeug tut‘s zur Not aber auch. Deshalb kochten auch früher schon einzelne bei sich zuhause für den Eigengebrauch Crack. Ein prominentes Beispiel aus München war Konstantin Wecker. Crack ist Kokain, das rauchbar gemacht wurde und über die Lunge statt über die Schleimhäute aufgenommen wird. Es wirkt wesentlich stärker, schneller und kürzer als normales Kokain – und macht extrem abhängig. Eine Dosis Crack ist wesentlich billiger als Kokain, deshalb gilt Crack auch als “Koks für Arme”.
In den USA bildeten sich lokale Crack-Szenen schon in den 1980er Jahren, betroffen waren hier fast nur sozial abgehängte Viertel in großen Ballungsräumen, im ländlichen Raum oder in den Vorstädten findet man Crack-Szenen kaum. In den betroffenen Vierteln nahm die Gewaltkriminalität stark zu, die Zahl der Schusswaffenopfer verdoppelte sich oftmals binnen kurzem. Denn es bildeten sich schnell kriminelle Gruppen, die die Suchtkranken mit Crack versorgten und sich gegenseitig bekämpften. Die großen Drogenkartelle liefern dabei nur das Kokain, die Gewinne aus dem Crack-Handel sind ihnen angesichts der Risiken viel zu spärlich.
Auch in Deutschland haben sich schon lokale Crack-Szenen gebildet: in Hamburg, Hannover und Frankfurt, also in großen Ballungsräumen. Hier herrschen aber ganz andere Rahmenbedingungen als in den USA : die soziale Entmischung ist lange nicht so ausgeprägt und Schusswaffen gibt es hier nicht im Supermarkt. Zudem wird in Deutschland Sucht zumeist als Krankheit und nicht als Sünde begriffen.
Allerdings gibt es für Crack keine Medikamente wie Methadon für Heroin, die den Suchtkranken ein relativ normales Leben ermöglichen können.
Eine der großen offenen Fragen ist also, unter welchen Bedingungen sich hierzulande Crack-Szenen überhaupt bilden. Ist verbreitete Obdachlosigkeit eine Voraussetzung oder eher die Folge? Braucht es eine größere Gruppe sozial abgehängter Menschen ohne familiäre Bindungen? Und warum ballen sich solche Problemgruppen eigentlich immer am Leopoldplatz? Die Kernfrage ist aber: Mit welchen Strategien lässt sich die Crack-Epidemie eindämmen? Darauf wird die Wissenschaft zwar keine sichere Antwort geben können, aber gewisse Hinweise können wir uns von dieser Studie durchaus erwarten
Autor: Christof Schaffelder
Dieser Text erschien zuerst in der Sanierungszeitschrift Ecke Müllerstraße Ausgabe 4/5/2024
Veranstaltungshinweis:
#WIRamLEO veranstaltet am 4. Juni ein Kiez-Treffen mit dem Schwerpunktthema Sicherheit am Leopoldplatz. Wir wollen mit Euch über die aktuelle Situation sprechen und gemeinsam mit der Polizei uns über ihre Arbeit austauschen. Dafür sammeln wir noch Fragen zum Thema Sicherheit, die beim Kiez-Treffen unter anderem von der Abschnittsleiterin Silke Rothhardt beantwortet werden.
Teilnehmer*innen:
- Abschnitt 17 der Polizei: Silke Rothhard, Herr Zimmermann, Wulf Dornblut
- Präventionskoordination des Bezirks Mitte
- Vertreter*innen des gemeinwesenorientierten Platzdienstes
Unter anderem möchten wir über diese Fragen diskutieren:
- Welche Maßnahmen hat die Polizei bisher umgesetzt?
- Wie verhalte ich mich, wenn sich Dealer vor meiner Haustür aufhalten?
- Warum können Dealer ohne Probleme direkt neben Spielplätzen mit Drogen handeln?
Termin: Dienstag, 04.06. | 18 bis 20 Uhr im Gemeindesaal der alten Nazarethkirche (Nazarethkirchstraße 50). Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Danke für die Info.
Eine Zusammenfassung von dem Treffen und den Antworten auf die obigen Fragen wäre auch sehr schön.
Da die Initiative dazu bestimmt etwas schreibt, wäre es schön, wenn ihr es hier verlinkt.
Es gab zu allen Zeiten Menschen, die ihr Dasein nur im Rausch ertragen konnten. Die Duldung des Drogenkonsums ist Ausdruck freiheitlicher westlicher Wertordnung und muß in Kauf genommen werden. Eine derart profane Erkenntnis mag erstaunen oder auch nicht. Das probate Mittel zur Prävention und zum Entzug harrt noch seiner Entdeckung. Ich entsinne mich noch gut an Ingo Warnke, der mit Synanon bis in die Neunziger einen harten Kurs fuhr. Keine Substitution und finanzielle Unterstützung für Junkies, kriminelle Junkies, ab in den Knast. Erst wer buchstäblich in der Gosse liegt, kann begreifen, und potentiellen Usern wird die Endstation der Sucht anschaulich. Also Prävention durch Abschreckung. Wer den festen Willen hatte, sein Leben zu ändern, der ging zu Synanon und lernte mühselig Askese. Die Erfolgsquote konnte sich seinerzeit durchaus sehen lassen. Der Ansatz ist heutzutage natürlich nicht mehr haltbar.