„Ist die Technik noch so weit – Handarbeit bleibt Handarbeit“ ist das Motto der gelernten Maßschneiderin Roswitha Lucas. Sie hat über 30 Jahre lang die Puppenwerkstatt in der Kapernaumkirche an der Seestraße 34 geführt. Nun wird eine Nachfolge gesucht, denn mit 83 Jahren möchte Frau Lucas gern weitergeben. Sie stellte Puppen komplett in Handarbeit und aus Naturmaterialien her, und das soll auch das weitere Konzept sein.
Frau Lucas im Clubraum der Kapernaumkirche – Foto: Renate Straetling
Ich führte ein Gespräch mit Frau Lucas über die Freude an der Arbeit für Hunderte Puppen, die im Laufe der Jahrzehnte entstanden.
Wie fing alles an? Wie kam es zur Gründung der Puppenwerkstatt im Clubraum der Kapernaumgemeinde?
Es fing schon früher an, aber vor 30 Jahren habe ich, ehrenamtlich gemeinsam mit meiner Freundin Sigrid Fink, die hauptamtlich bei der Kirche beschäftigt war und leider schon verstorben ist, die Idee für die Puppenwerkstatt aufgegriffen. Wir suchten andere Puppenwerkstätten auf und schauten uns einiges ab. Dabei lernten wir etliche Puppenmacherinnen kennen und wir tauschten uns aus.
Wie ging es dann im Clubraum los?
Frau Lucas Wir lernten vor allem bei einer Zehlendorfer Puppenmacherin. Einmal kamen wir von dort heim in den Wedding, und ich hatte vor, zunächst ein Vorzeigebeispiel zu gestalten. Aber Sigrid Fink hatte vor Begeisterung schon so viel Werbung gemacht, dass plötzlich viele Teilnehmer da waren. Wir waren zudem erstaunt, dass Puppen nach Waldorfpädagogik so viel Anklang in der Umgebung der Kapernaumkirche fanden.
Was war am Anfang besonders, denn Sie mussten selber lernen und üben?
Es gab Kurse in anderen Bezirken, die aber nicht kostenfrei waren wie unsere Werkstatt, sondern an einem Wochenende einen Workshop anboten, was aber nicht garantierte, dass eine Puppe fertig wurde. Wir rechnen 25 Stunden für die Anfertigung nur des Körpers der Puppe, die Anziehsachen zu machen ist ein weiterer Arbeitsschritt. Am wichtigsten ist die Handarbeit, die man selbst für die Puppe aufwendet und das Basteln mit Hingabe.
Wie viele Teilnehmende hatten Sie im Laufe der Zeit?
Es kamen viele Teilnehmerinnen, und in den gesamten Jahrzehnten machten zwei Herren engagiert mit. Auch etliche Lehrerinnen nahmen teil. Manche waren in der Waldorfpädagogik tätig und brauchten über die dortige Einarbeitung hinaus nochmals einen Versuch bei mir, um Sicherheit im Unterricht mit ihren Schulkindern zu haben, denn eine Waldorfpuppe im Laufe der Schulzeit herzustellen, gehört in das Pflichtprogramm für jeden Waldorfschüler der Waldorfschulen.
Wie viele Puppen sind in diesen Jahrzehnten entstanden?
Wenn ich das wüsste! Ich wollte schon einmal die Adressen in meinem Adressbuch nachzählen, dann könnte ich die Anzahl besser schätzen. Sicherlich sind es viele und es sind vor allem auch unterschiedliche Puppen entstanden, also Puppen, Kasperle, Zwerge und Engel, und auch große, kleine, manchmal auch exotische, Handpuppen und Krippenfiguren. Bei den Krippenfiguren werden die Tiere wie Ochs und Esel gestrickt und nicht in diesem vielfältigen Stil zugeschnitten, genäht, bestickt.
Wer kam noch?
Man kann sagen, dass viele kamen, ein gemischtes Publikum nahm teil. Dabei lernte ich bis zu vier Generationen kennen. Ich selber bin in der Kapernaumkirche getauft worden, und so kamen auch viele als junge Frauen, wenn sie geheiratet hatten und schwanger wurden, und später bis hin zum Gestalten für die eigenen Enkelkinder.
Oft hatten wir während der Werkstatt Babys im Körbchen in der Mitte des großen Arbeitstisches und alle freuten sich über schlafende oder lauschende Kindchen.
Haben Sie weitere Dinge gebastelt?
Ja, parallel zur Puppenwerkstatt gab es eine Bastelgruppe, die eine Pastorin gegründet hatte: Dort hat man nur für den Kirchenbazar hergestellt. Es gab Seidenmalerei, Bemalung von Stoffen und Makrameearbeiten, die schön und gut für den Verkauf waren. Die gebastelten Puppen allerdings waren immer für den privaten Gebrauch bestimmt.
Was ist das Besondere an dem verwendeten Material nach Waldorf-Konzept?
Es entstanden anspruchsvolle Puppen, die vom Material her auch nicht billig waren. 30 DM oder heute 30 € muss man dafür mindestens einplanen. Dabei ist der Baumwoll-Trikotstoff sehr wichtig, denn der wird vor allem für den Kopf verwendet und bestickt. Aber auch Schafwolle wird für das Ausstopfen der Körper vorgesehen. Diese Materialien und Stoffe wie die eher teuren Trikot- oder Westfalenstoffe sind heute nicht einfach in nahegelegenen Läden zu finden, man muss schon die verbliebenen wenigen Fachgeschäfte aufsuchen. Auch die Riesennadeln, die man benötigt, um den Kopf der Puppen zu bearbeiten, gibt es nicht in den Kurzwarengeschäften.
Welche Erfahrungen machten Sie mit dem Material?
Anfangs haben wir echte direkt geschorene Schafwolle im Hof der Kirche in Bottichen selbst gewaschen, aber das Fett ging dabei nicht raus. Wir hatten so fettige Hände, dass Seidenstoffe, mit denen wir sonst noch arbeiteten, nicht fleckenfrei blieben. So haben wir die Schafwolle nur noch vorbehandelt gekauft und eingesetzt.
Gibt es Abweichungen vom Original der Waldorfpuppen nach Rudolf Steiner?
Rudolf Steiner hatte keine Gesichter, keine besondere Mimik oder maskenhaften Ausdruck für die Puppengesichter vorgesehen. Das spielende Kind solle sich selbst die Stimmung der Puppe wünschen oder durch das eigene Spiel erleben.
Ist eine Werkstatt für Kuscheltiere denkbar?
Es soll hier im Clubraum der Kapernaumkirche eine Puppenwerkstatt bleiben!
Wie sieht es mit der Nachfolge für die Werkstatt aus?
Ja, es wurde bekannt gemacht, dass eine Nachfolge gesucht wird. Und es wurde auch annonciert. Meiner Auffassung nach sollte dies eine ausgebildete Schneiderin machen, denn die Schnitte zu erstellen und die Proportionen der Puppenteile zu beachten, erfordert Geschick.
Fotos: Renate Straetling
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http://kapernaum-berlin.de/puppenwerkstatt/
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