Meinung. Für heute verlangt der Redaktionsplan einen Wahlaufruf. Doch wichtiger als dieser Aufruf ist der Appell an dich, am kommenden Sonntag (11.2.), über einen Parteieintritt nachzudenken. Fakt ist: Von der teilweisen Wiederholung der Bundestagswahl hängt nicht viel ab. Von der Unterstützung demokratischer Politik dagegen schon.
Wahlen und Weihnachten haben eines gemeinsam: sie sind nicht Kern, sondern Gradmesser. So wie eine Familie für ein gelingendes Weihnachten an 365 Tagen Aufmerksamkeit braucht, so gedeiht auch die Demokratie nur dann, wenn die Bürger auch außerhalb von Wahlen wach und interessiert sind.
Für den Bundestag wird der Wahlsonntag nur geringe Änderungen bringen; siehe Beitrag Kleines Kreuzchen, kleine Wirkung. Doch die großen Demonstrationen der letzten zwei Wochen könnten die Politik verändern. Nämlich dann, wenn viele Menschen überlegen, ob ihr Beitrag zur Stärkung der Demokratie darin bestehen könnte, in eine Partei einzutreten. Hier vier Argumente, genau das zu tun:
1. Jeder Tag ein Demo-Sonntag
Viele Menschen sind aufgeschreckt von der Meldung, dass bestimmte Leute Deutschland zu einer Ansammlung römischer Legionäre machen wollen, wo es normal ist, dass jeder zehnte vortreten muss, um bestraft zu werden. Zum Beispiel mit einem erzwungenen Exil in einem noch zu gründenden (Wüsten?-)Staat in Afrika. In den letzten Wochen sind deshalb außergewöhnlich viele Menschen demonstrieren gegangen. Mit deinem Parteieintritt ist jeder Tag ein Demo-Tag. Ob du nun beim neuen Penny amüsiert die neue Regalbeschilderung betrachtest, mit dem Hund im Volkspark Rehberge Gassi gehst oder leicht angesäuert auf die verspätete U8 wartest: Du tust etwas für die Demokratie, denn du bist Mitglied einer demokratischen Partei.
2. Spende hilft immer
Du hast keine Zeit: Familie, Job, Freunde, Sportkurs, Abendbier – wie soll da ein Parteiabend hineinpassen? Fragst du dich. Antwort: Muss nicht. Auch die stillen Mitglieder, die nie zu irgendeiner Versammlung gehen, zahlen Mitgliedsbeiträge. So heißt die finanzielle Unterstützung, die andernorts als Spende oder als Crowdfunding bezeichnet wird. Dein Beitrag stärkt aktive Menschen, die Zeit haben, etwas für die Demokratie und etwas gegen Demagogen zu tun.
3. Nachrichten aus der Realität
Worüber im Wedding gerade wirklich diskutiert wird, das bekommst du mit, wenn du wöchentlich ein Bad im Informationsfluss deiner demokratischen Partei nimmst. Newsletter, E-Mail, WhatsApp-Gruppe – über eine Partei erfährst du direkt, was ansteht, warum manches nicht so einfach wie gedacht ist, wer blockiert, wer vorantreibt, wo öffentlicher Rede etwas zum Guten wenden könnte. Instagram und Co. verblassen gegen die Nachrichten aus der Realität.
4. Nimm die GDL zum Vorbild
Alle streiken. Bäuerinnen, Erzieher, Krankenschwestern, Lokführerinnen, Busfahrer. Vor 20 Jahren war es daran interessierten Lobbyisten gelungen, Gewerkschaften und Streiks als altmodisch abzustempeln. Nun setzt sich die Erkenntnis durch: Höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen regelt nicht der Markt. Manch einer staunt, welche großzügigen Gehaltssprünge auch für Arbeitnehmer im Vergleich zu vor 20 Jahren drin sind. (Du arbeitest in einem nicht tarifgebunden Betrieb? Denk zusätzlich über einen Eintritt in eine Gewerkschaft nach!) Ähnlich verhält es sich mit der Demokratie. Vor 20 Jahren haben nicht wenige geglaubt, der Politikbetrieb sei überflüssig. Doch auch in der Politik ist es so, dass die für dich wichtigen Themen nur dann nach vorne rücken, wenn du in einer demokratischen Partei deiner Wahl mitsprichst. Wer schweigt, hat nichts zu melden.
Wähle deine Partei!
Der 11. Februar könnte ein guter Wahlsonntag werden, wenn sich viele eine Partei wählen. „Unser Land bräuchte mehr Bürgerinnen und Bürger, die dann am Montag auch in eine der demokratischen Parteien eintreten und sich der Mühe des politischen Alltags unterziehen. Nur dann bleiben wir eine wehrhafte Demokratie.“ Hat Friedrich Merz neulich gesagt. Im Wedding mag der CDU-Vorsitzende nicht wenige vor den Kopf gestoßen haben, als er sie als kleinen Pascha bezeichnet hat oder ihnen vorgerechnet hat, welch' gutes Leben sie doch mit dem Bürgergeld angeblich führen. Aber auch ein Friedrich Merz findet mal ein Korn. Und manchmal ist es sogar das Körnchen Wahrheit. Wie mit seinem Satz vom Eintritt in eine demokratische Partei. Also: Sei ein Samenkorn neben vielen anderen, damit das Feld der Demokratie gedeiht!
danke für den Weckruf...werde meinen ersten Parteibeitritt nun in die Wege leiten. Recht haste...hab deinen Artikel schon dreimal anderen vorgelesen...
Ich bin gespannt, welchen du Weg du gehst. Es gibt viele: vom Aktivmitglied bis zur zum stillen Beitragszahler. Alles hilft.
Genau das habe ich auch gedacht, als ich das von Merz gehört habe! Seitdem überlege ich, tatsächlich einer Partei beizutreten. Euer Beitrag bestärkt mich darin! – Interessant auch der Hinweis auf die Gewerkschaften. Ich wusste gar nicht, dass das möglich und sinnvoll ist in nicht-tarifgebundenen Betrieben. Da müsste ich erstmal schauen, wer da zuständig ist. Und sammelt man dann Minuspunkte beim Arbeitgeber? 🤔
Danke für den wertvollen Beitrag und die Anregung!
Eintritt in Gewerkschaft lohnt sich persönlich immer, zum Beispiel wegen des kostenfreien Rechtsschutzes bei Streit um Arbeitsverträge. Bei einem Betrieb ohne Tarifbindung wirbt die IG Metall zum Beispiel so um einen Eintritt: "Mit genügend Mitgliedern lässt sich auch in einem Betrieb, der nicht Mitglied in einem Arbeitgeberverband ist, ein Tarifvertrag durchsetzen." Allgemein gesprochen gibt es keine rechtlichen Gründe, die einen Eintritt verhindern: "Als EU-Bürger/in können Sie in Deutschland genauso wie Inländer in den Gewerkschaften Mitglied werden und gewerkschaftliche Rechte ausüben. Diese Rechte erfassen den Zugang zur Verwaltung und Leitung von Gewerkschaften sowie das aktive und passive Wahlrecht", schreibt die Bundesregierung.
Das ist ein guter und wichtiger Artikel. Ich bin im letzten Jahr aus diesen Gründen in eine Partei eingetreten und möchte damit unsere Demokratie mit gestalten. In einer Gewerkschaft bin ich schon länger und kann das nur allen empfehlen, auch in nicht tarifgebundenen Unternehmen. Arbeitnehmerrechte sind nicht vom Himmel gefallen, sondern mühsam erkämpft worden und müssen uns erhalten bleiben und ausgebaut werden.
Danke für die Worte.
Andrei! Gut gebrüllt, Löwe!
Manchmal laut, manchmal Luise.