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Meine Wedding-Welt: Von wegen Anonymität!

13. Januar 2024
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Viel­leicht reagie­re ich beson­ders sen­si­bel, wenn ich inzwi­schen jeden zwei­ten auf mei­ner Stra­ße vom Gesicht her oder sogar vom Namen her ken­ne. Die­ser Effekt tritt zwangs­läu­fig ein, wenn man wie ich schon 14 Jah­re im glei­chen Kiez wohnt. Denn jeder Kiez ist ein gro­ßes Dorf, und genau das ken­ne ich noch aus mei­ner Kind­heit in den rhein­land-pfäl­zi­schen Wein­ber­gen. Die klei­ne­re Unter­ein­heit des Kiezes ist der Wohn­block, und wenn sich da auf dem Hof die Hälf­te der Bewohner:innen trifft, wird es noch kusche­li­ger – und wie ich fin­de, auch enger. 

Gehe ich die Stra­ße ent­lang, muss ich zwangs­läu­fig fünf Minu­ten mehr ein­pla­nen, nur für den Fall, dass ich Nach­barn tref­fe. Nur mit einem “Hal­lo” ist es meist nicht getan, und ich muss dann auch noch erklä­ren, wohin des Wegs ich gera­de gehe. Ob es der Zustand der ver­nach­läs­sig­ten Grün­an­la­gen ist, die Fra­ge, ob man sich wegen eines Urlaubs schon län­ger nicht gese­hen hat oder ob man schon die neue Piz­ze­ria an der Ecke kennt, die The­men gehen in unse­rem klei­nen Block nie aus. Und wenn man sich seit Jah­ren aus dem glei­chen Auf­gang kennt, beginnt irgend­wann auch die sozia­le Kon­trol­le: Nichts bleibt unbe­merkt und oft auch nicht mehr unkommentiert. 

Anony­mi­tät in der Groß­stadt? Ja, man lässt sich in Frie­den, oft, manch­mal zu oft, wird auch weg­ge­schaut, wenn ande­re Hil­fe brau­chen. Aber in den Kiezen mit wenig Fluk­tua­ti­on und funk­tio­nie­ren­den Haus­ge­mein­schaf­ten wis­sen die Bewohner:innen auch viel über­ein­an­der. War­um hat der Paket­bo­te das Päck­chen der Ober­mie­te­rin heu­te bei mir abge­ge­ben, die ist doch immer zu Hau­se? Wer stellt sei­nen Rest­müll immer vor die Müll­ecke, um sich das Auf- und Zuschlie­ßen zu spa­ren? Und war­um hat der Nach­bar im Neben­auf­gang einen so der­ar­tig schlech­ten Musikgeschmack? 

Ich gebe zu, ich mag den nach­bar­schaft­li­chen Aus­tausch, aber an man­chen Tagen hät­te ich auch ger­ne die Anony­mi­tät der Groß­stadt zurück. Wenn ich nicht ange­spro­chen wer­den will, wer­de ich in Zukunft viel­leicht einen ent­spre­chen­den But­ton tra­gen: Heu­te kein Small Talk! Und ansons­ten: Lasst uns ger­ne quatschen.

Weddingerinnen im Gespräch

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

1 Comment Leave a Reply

  1. Hal­lo und guten Morgen

    in unse­rer Haus­rei­he ach­te ich auch dar­auf , wer gera­de jetzt im Win­ter sel­te­ner draus­sen zu sehen ist und ob dann alles ok ist . Vor­ne an der Ecke trifft man sich beim Kiosk – trinkt sei­nen Kaf­fee und tauscht sich aus.…trifft sich in ein paar Tagen dann wie­der – trotz allem ist es dann doch pas­siert . Ein Nach­bar der am Frei­tag noch ok war , ist am Wochen­en­de im Novem­ber in sei­ner Woh­nung ver­stor­ben und lag dort bis zum Don­ners­tag , bis ein Bekann­ter von mir der die­sen Nach­barn bes­ser kann­te die Poli­zei hol­te, weil er eben zum 2.ten mal nicht ans Tele­fon ging.… 

    den­noch wie immer net­tes WE

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