Am Samstag (24.6.) wurde an der Grüntaler Straße 32 nahe der Bösebrücke ein Stolperstein für den im Jahre 1944 hingerichteten Widerstandskämpfer Wilhelm Böse verlegt. Nach ihm ist die dort angesiedelte Brücke, die Pankow und Mitte verbindet, benannt. Eine Brücke, die weltberühmt wurde, da dort einer der Grenzübergänge zwischen Ostberlin und Westberlin existierte und der Schlagbaum an der Berliner Mauer am 9. November 1989 nachts als erster aufging. Der Soldiner Kiez e.V. hat diesen Stolperstein initiiert; mittlerweile gibt es fast 70 Stolpersteine im Wedding.
Soldiner Kiez e.V. initiierte das Gedenken
Der Soldiner Kiez e.V. aus dem Stadtteil Gesundbrunnen im Wedding hat Gunther Demnig beauftragt, den Stolperstein für den Widerstandskämpfer Friedrich Wilhelm Böse zu verlegen, gefördert vom Quartiersmanagement Badstraße. In Kooperation mit der Begegnungsstätte Grüntaler Treff konnte ein Festakt angeboten werden. Etwa 50 Personen besuchten dieses Event, ein paar Häuser von dem Gedenkort des Stolpersteins entfernt. Es gab einen Lichtbildvortrag von Diana Schaal und einen historischen Überblick zur Bösebrücke durch Thomas Kilian. Mit politischen Liedern vom Weddinger Liedermacher Lari wurde dies begleitet. Lari sang unter anderem sein Lied über “Otto und Elise” (Hampel), Bezug nehmend auf Hans Fallada‘s Buch “Jeder stirbt für sich allein”.
Friedrich Wilhelm Böse, geboren 1883, war als Erwachsener Widerstandskämpfer in der NS-Zeit. Er wuchs im Berliner Norden auf, in den Mietskasernen seiner Zeit. Als sein Vater früh verstarb, musste er bereits als Zehnjähriger zum Lebensunterhalt durch Botengänge beitragen. Er erlernte den Beruf des Elektrikers und war ab 1905 gewerkschaftlich und in Arbeitervereinen organisiert. Nach dem 1. Weltkrieg kehrte er aus russischer Gefangenschaft zurück und engagierte sich in der KPD. Nach 1933 war er politisch im Untergrund für die KPD aktiv und wirkte am Vertrieb der Roten Fahne und der Sturmfahne mit. Trotz und nach der Verhaftung im Jahr 1934 und zweijähriger Haft verfolgte er seine politischen Ziele weiter. „Er erhielt die Aufgabe, als Kurier für die Verbindung von Robert Uhrig und John Sieg zu den Widerstandsgruppen bei den Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken und anderen Betriebsgruppen der KPD zu sorgen.“ (wikipedia.de) Im Jahr 1942 wurde er verhaftet und erneut für zwei Jahre in ein Konzentrationslager gesteckt, im Gerichtsgefängnis Potsdam wurde er im Juni 1944 zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde im August 1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden durch Fallbeil vollstreckt.
Friedrich Wilhelm Böse und die Brücke
Diana Schaal stellte in ihrem Vortrag weitere neun Weddinger Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer vor: Walter Strohmann, Egmont Schultz, Paul Junius, Paul Knorr, Hermann Korus, Käthe Simon, Stephanie Hüllenhagen, Georg Benjamin und Paul Kuchenbäcker. Thomas Kilian berichtete von der Bösebrücke (eröffnet 1916) und wies darauf hin, dass die Brücke früher Hindenburgbrücke hieß und im Jahr 1948 nach Wilhelm Böse umbenannt wurde. Jedoch sei bemerkenswerterweise keinerlei Inschrift, Gedenktafel oder Stein angebracht, woraus die Umbenennung der Brücke hervorgehe. Von den Teilnehmenden wurde vorgeschlagen, dies nachzuholen, um weitere Unkenntnis zu vermeiden, denn die Bezeichnung Bornholmer Brücke sei fälschlicherweise in die Alltagssprache eingegangen und der Name der Brücke ohne Nennung des Vornamens missverständlich.
Verlegung des Stolpersteins in der Grüntaler Straße 32. Fotos: Renate Straetling
Hannelore Stippel, Mitarbeiterin in dem Stolpersteinprojekt von Gunter Demnig, die auch bei der Einweihung des Stolpersteins für Wilhelm Böse und dem Festakt zugegen war, stellte in Aussicht, dass bald elf Stolpersteine in der Londoner Straße zum Gedenken an eine damals gänzlich ausgelöschte Sinti und Roma-Familie verlegt werden.
Das weltweit größte dezentrale Mahnmal
Gunter Demnig (geboren 1947 in Berlin), Künstler und Erfinder der Stolpersteine, die an die Vertreibung, Verfolgung und Hinrichtung von Menschen während der NS-Zeit zwischen den Jahre 1933 und 1945 erinnern, war wieder selbst zugegen, um auch diesen Stolperstein zu setzen. In diesen Tagen vom 23. bis 25. Juni gab es in fünf anderen Berliner Bezirken weitere Stolperstein-Verlegungen.
Über 10.000 Stolpersteine sind es mittlerweile in Berlin, auch etliche im Wedding. Über 100.000 Stolpersteine weltweit hat Gunter Demnig nun als sein großes Werk aufzuweisen; er alleine wirkt mit hands on. Im Jahr 2006 hat er die Stolpersteine patentrechtlich auf deutscher Ebene sowie ab 2013 auf europäischer Ebene schützen lassen.
In Nürnberg wurde am 26. Mai 2023 der genau 100.000 Stolperstein verlegt. Man bedenke das hohe und lang anhaltende Kommunikationspotential dieser großen Zahl an Gedenksteinen in den europäischen Nachbarschaften!
Er begann Anfang der 1990er Jahre damit, dies Projekt als Kunstprojekt zu gestalten, um im öffentlichen Raum Erinnern, Gedenken und Innehalten zu ermöglichen. Viele der Stolpersteine werden von heutigen Angehörigen initiiert, so dass der Akt der Verlegung auch ein sehr persönlicher ist.
Links: Diana Schaal hielt einen Lichtbildervortrag und legte Blumen nieder. Rechts: Thomas Kilian gab einen historischen Überblick zur Bösebrücke. Fotos: Renate Straetling
Viele der Deportierten waren in den Konzentrationslagern zu Nummern, die sie eingeritzt auf der Haut trugen, degradiert worden, so dass die persönliche Widmung eines Stolpersteins mit der Inschrift von Namen, Lebensdaten und Wohnort den NS-Opfern in den Nachbarschaften einen Teil der Identitäten an die ehemaligen Lebensorte zurückbringt.
Anfangs waren seine im öffentlichen Raum gesetzten Stolpersteine noch illegal, man verklagte ihn. Dann aber gingen die Verlegungen los, zuerst im Jahr 1996 in Berlin-Kreuzberg, was man später legalisierte, ab 2000 in Deutschland und in Europa, mittlerweile in 30 europäischen Ländern. Aber auch im Wedding gibt es bereits Stolpersteine, zum Beispiel für Evelyne Alexander.
Es handelt sich um Betonwürfel der Kantenlängen von je etwa zehn Zentimeter, die auf der Oberseite eine Messingplatte mit einer Inschrift zum Gedenken an diese Opfer tragen, und an deren letzter frei wählbarer Adressen niveaugleich in den Gehweg eingefügt werden.
Nun ist das Projekt von Gunther Demnig seit Mitte der 1990er Jahre enorm gewachsen, in 30 europäischen Ländern wird die Platzierung praktiziert und es gilt mittlerweile als das weltweit größte dezentrale Mahnmal. Die Stolpersteine kann man bei Gunter Demnig beantragen. Einzelpersonen, Personengruppen, Hausgemeinschaften, Schulen oder Initiativen können diese Mahnsteine stiften; die Herstellung und Verlegung eines Stolpersteins kostet 120 Euro, ein Betrag, der alle Kosten deckt.
Links zum Weiterlesen
- Mehr über das Stolperstein-Projekt: https://www.stolpersteine.eu/ und https://de.wikipedia.org/wiki/Stolpersteine
- Mehr über den Initiator der Stolpersteine: https://de.wikipedia.org/wiki/Gunter_Demnig
- Mehr zu Wilhelm Böse: https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_B%C3%B6se
- Mehr zu den Stolpersteinen in Berlin: https://www.stolpersteine-berlin.de/de und https://www.stolpersteine-berlin.de/de/stolpersteine-finden?page=0
- https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Berlin-Wedding
- Webseite der Gedenkstätte Deutscher Widerstand: https://www.gdw-berlin.de/home/
- https://soldinerkiezverein.de/
- Webseite von Diana Schaal: https://www.schoene-kiezmomente.de
Text und Fotos: Renate Straetling