Vorschnell hatten wir im letzten Jahr schon das herannahende Ende der Siebzigerjahre verkündet. Zumindest was die Optik der Müllerstraße mit ihrem hässlichen Mittelstreifen und das Fehlen einer Radspur angeht.
Noch vor dem ersten Spatenstich der millionenschweren Bauarbeiten ist es nämlich zu Verzögerungen gekommen. “Die Maßnahmen im Bereich Sellerstraße bis zum S‑Bahnhof Wedding konnten bisher nicht umgesetzt werden, da laut Verkehrslenkung Berlin verschiedene Leitungsträger in dem Bereich Maßnahmen durchführen wollten bzw. durchgeführt haben”, teilt uns Karsten Scheffer vom Planungsbüro JMP (Jahn, Mack und Partner) mit. Von dort wird die Sanierung der Müllerstraße im Rahmen des Programms “Aktive Zentren” koordiniert. Auch die BVG hat bestätigt, dass der U‑Bahn-Tunnel der U 6 in nächster Zeit nicht saniert werden soll. Solche Arbeiten hätten Vorrang vor dem Umbau der Straße gehabt. Nun sollen noch in diesem Frühjahr die Bauarbeiten beginnen. Der genaue Starttermin steht jedoch noch nicht fest.
Zeit für eine Umplanung nutzen
Die Stadtteilvertretung Müllerstraße will die eingetretene Verzögerung nutzen, um an einer stark frequentierten Kreuzung nochmals über eine Neuplanung nachzudenken. An der Einmündung der Nazarethkirchstraße in die Müllerstraße und am Vorplatz des Rathauses Wedding rechnet das Bürgergremium mit einem stärkeren Fußgängerverkehr. Denn der derzeit leer stehende Hochhausturm wird bald das Job-Center Berlin-Mitte beherbergen. Auch ist die neue Schillerbibliothek schon im Bau, die auf das lesefreudige Publikum eine starke Anziehungskraft ausüben dürfte. Dafür hat die Stadtteilvertretung eine Umfrage unter den Weddingerinnen und Weddingern durchgeführt, an der sich mehr als hundert Personen beteiligt haben. Die große Mehrheit der Befragten spricht sich für eine Einbahnstraßenregelung in der Nazarethkirchstraße zwischen Müllerstraße und Turiner Straße in Richtung Turiner Straße aus. Ebenso klar wird die Umwandlung der östlichen Nazarethkirchstraße als verkehrsberuhigter Bereich befürwortet.
Eine weitere Idee der Stadtteilvertretung ist eine Gehwegvorstreckung an der Müllerstraße, vor dem Rathausplatz – selbst wenn dafür Parkplätze wegfallen. Das fänden die meisten Befragten ebenfalls wünschenswert. “Die Anregungen der Stadtteilvertretung im Bereich des Rathausplatzes wurden von Seiten des Bezirksamts und von Seiten der Fachplaner generell positiv gewertet”, so Karsten Scheffer vom Büro JMP. Bei einem Umbau im Bereich der Pkw-Stellplätze müssten allerdings einige Entwässerungsschächte versetzt werden. Kosten – derzeit unbekannt.
Eine neue Ampel wird es nicht geben
Noch klarer fällt das Votum der von der Stadtteilvertretung Befragten für eine zusätzliche Fußgängerampel an der Nazarethkirchstraße aus. Doch daraus wird nichts: “Die Anregung einer breit angelegten Ampelanlage zwischen der Kreuzung Müllerstraße/ Schulstraße und dem alten Rathaus mit einer Vorstreckung am Rathausplatz und einer Vorstreckung im Bereich gegenüber wurde durch die Fachplaner und den Bezirk abgelehnt”, erklärt Stadtplanungsingenieur Karsten Scheffer. Die Experten befürchten nämlich, dass durch Rückstaus der Verkehrsfluss auf der Müllerstraße erheblich beeinträchtigt und behindert würde. Maßnahmen im Bereich der Nebenstraßen, wozu auch die Nazarethkirchstraße zählt, seien derzeit noch nicht geplant.
Und während der Wedding auf den Baubeginn wartet, werden sich die Fußgänger, statt sicher die Müllerstraße zu überqueren, wohl noch weiter die Beine in den Bauch stehen…
Ein Fußgängerüberweg darf ausschließlich auf einbahnigen, zweistreifigen Straßen außerhalb von Tempo 30-Zonen angeordnet werden. Die Müllerstraße ist an dieser Stelle jedoch eine zweibahnige, sechsstreifige Straße.
[…] Der AG kommt diese Verzögerung allerdings gar nicht mal so unrecht. Denn inzwischen hat sie sich richtig warmgelaufen und etliche konkrete Vorschläge erarbeitet, wie die Planungen verbessert werden könnten, etwa an der Einmündung der Triftstraße in die Müllerstraße. Die Triftstraße war früher eine übergeordnete Verkehrsstraße und ist deshalb sehr breit, was zu erhöhter Geschwindigkeit verleitet. Im Interesse der Sicherheit der Schüler der Leo-Lionni-Grundschule fordert die AG, die Fahrbahn im Einmündungsbereich wesentlich deutlicher als geplant zu verschmälern. Zusätzliche Ampel über die Müllerstraße? […]
Es gibt einige nicht ganz niedrige Hürden bei der Umwandlung von einer Straße mit Fahrbahn in einen verkehrsberuhigten Bereich. Vor allem müsste aufgezeigt werden, dass der vornehmliche Bedarf dieser Straße bzw. des Straßenstücks nicht (mehr) der Erschließung von Grundstücken/Häusern oder der Verbindung/Umfahrung ist, sondern der schlichte Aufenthalt im Straßenraum.
Wie wäre es denn mit Zebrastreifen, statt Ampel?