Sage und schreibe neun Awards in fünf Ländern hat sie abgeräumt: die siebenminütige Kurzfilm-Komödie „Der Wasser-Sommelier“ von Ryan Wichert (am Ende des Artikels gibt es den Link zum Film). Der Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler, der in Berlin vor allem für sein Engagement am Prime Time Theater bekannt ist, konnte mit seinem Kurzfilmprojekt international Festival-Jurys begeistern. Die Idee zu dem satirischen Werk hatte in den Corona-Jahren konkrete Gestalt angenommen. Wichert arbeitete das Drehbuch aus, stand als Akteur vor und als Regisseur hinter der Kamera und übernahm auch die Produktion. Unterstützt wurde der Weddinger unter anderem von Noémi Dabrowski (Co-Regie), die ebenfalls am Prime Time Theater tätig ist.
Herr Wichert, in Ihrem Kurzfilm spielen Sie Hugo Rehberg, der sich für den Beruf des Wasser-Sommeliers entschieden hat und dabei ist, sich auch noch zum Wasser-Flüsterer fortzubilden. Wie sind Sie denn auf dieses sehr spezielle Thema gekommen?
Ryan Wichert: Ich bin in einer „Gastro-Familie“ aufgewachsen und hatte schon sehr früh, als Kind, Kontakt zu dieser Welt von Fine Dining, Servietten-Faltkunst … und Käseplatte statt Schokokuchen zum Nachtisch. Zu diesen Erfahrungen kommt meine Liebe zur Comedy und eben auch zu schrägen Figuren, zum Beispiel auch Nerd „Kevin“, den ich im Prime Time Theater spiele – all das hat mich inspiriert. Und als ich dann auf Twitter tatsächlich einen echten Wasser-Sommelier aus Los Angeles gesehen und über diese „Welt“ recherchiert habe, fand ich das sehr verlockend. So entstand das Drehbuch der Comedy, überspitzt natürlich.
… und historisch nicht ganz so genau.
Ryan Wichert (lacht): Genau, ob Aristoteles tatsächlich aufgefordert wurde, das Element Holz durch Wasser zu ersetzen, darf bezweifelt werden.
Und warum wählten Sie den Kurzfilm als Genre?
Ryan Wichert: Kurzfilme sind ein wunderbares Medium, um sich filmisch bemerkbar zu machen. Sie erfordern sehr viel weniger finanzielle und zeitliche Ressourcen, reichen aber aus, um eine Idee für ein Publikum „in den Kasten zu kriegen“. Warum etwas auf Kinofilm-Länge strecken, wenn wenige Minuten reichen? Im Englischen gibt es einen tollen Leitsatz: „Done is better than perfect“. Wenn man immer auf den perfekten Moment wartet, bleiben Einfälle oft nur eine Blaupause. Vielleicht das ganze Leben.
Der Film entstand in Berlin, hauptsächlich im Wedding. Wie lief die Produktion ab?
Ryan Wichert: Die Dreharbeiten sind beim Film grundsätzlich die kürzeste Phase, und wir waren nach zwei Tagen bereits durch. Der Kameramann, Nikita Lünnemann, und ich kennen uns gut und schätzen uns; alles ist sehr unkompliziert. Gleiches gilt für die Zusammenarbeit mit Noémi Dabrowski, die bei dem Film Co-Regie führte. Sie und ich stehen ja viel gemeinsam im Prime Time Theater auf der Bühne, schreiben auch zusammen Drehbücher. Wir sind also ein komplett eingespieltes Team. Support beim Dreh hatten wir übrigens vom wunderbaren Centre Français de Berlin in der Müllerstraße. Coronabedingt war es dort etwas ruhiger und wir durften dort drehen. Bei der Postproduktion bekam ich Unterstützung von Michael J. Hilli. Er ist bei YouTube sehr bekannt und übrigens auch Autor des Prime-Time-Stücks „Kevins Kampf um die Liebe“. Er hat ein feines Händchen für Comedy und jede Menge guter Ideen, und weil wir uns länger kennen, war er für mich die logische Wahl für den Schnitt. Die Audiobearbeitung übernahm das Mixwerk Studio im Prenzlauer Berg. Dort stehe ich mehrfach die Woche als Sprecher vor dem Mikrofon, und das Team hatte große Lust, sich meines Projekts anzunehmen.
Vom Ergebnis waren Sie dann so überzeugt, dass Sie es einem Juryurteil aussetzen wollten?
Ryan Wichert: Ja, tatsächlich. Ich habe den Film bei einigen Festivals eingereicht. Favorisiert habe ich natürlich solche, die sich auf hochwertig hergestellte Kurzfilme spezialisieren, aber auch welche, von denen ich wusste, dass man dort ein Faible für das satirische Genre hat, oder bei denen in der Vergangenheit bereits Filme mit mir – als Schauspieler – erfolgreich liefen. Es gab insgesamt in fünf Ländern Preise: von „Beste Comedy“ über „Bester Schauspieler“ und „Beste Regie“ war alles dabei. Mein Team und ich sind natürlich unglaublich stolz, dass der Film so gut ankommt.
Haben Sie mit diesem Erfolg gerechnet?
Ryan Wichert: Nein! Ich ahnte, dass wir einen kleinen, aber feinen Film hergestellt hatten. Natürlich entwickelt man ein Bauchgefühl dafür, was ankommen könnte. Auf das verlasse ich mich ja beim Entwickeln und Inszenieren der neuen Stücke am Prime Time Theater. Für „Der Wasser-Sommelier“ hätte ich aber mit neun Awards nie gerechnet! Zumal, wenn man sich die Gewinnerlisten der Festivals anschaut, dann sind die meisten Titel englischsprachig. Und so richtig Spaß macht es ja auch nicht, die gesamte Zeit Untertitel mitlesen zu müssen. Daher ist es für uns ein doppelter Triumph, dass „Der Wasser-Sommelier“ – auf Deutsch – auch im Ausland so viele Erfolge feiern darf.
Was hat die Jurys so begeistert, haben Sie das erfahren?
Ryan Wichert: Was ich immer wieder bei den Festivals höre, ist, dass die Figur „Hugo Rehberg“ besonders ankommt … und auch, dass bei uns aus dem doch recht konservativen Thema „Wasser“ komödiantisches Potenzial entspringt, das ist nichts Alltägliches. Deshalb fällt „Der Wasser-Sommelier“ einfach auf. Es ist eben nicht die 100ste Comedy über ein Date, das schiefläuft.
Was kommt als nächstes?
Ryan Wichert: Der Film ist Anfang März beim Euregion Film Forum in Maastricht eingeladen, bei dem ich auch als Gast vor Ort sein werde. Das Event findet bereits zum achten Mal statt und konzentriert sich auf Zusammenarbeit, Koproduktion und Talententwicklung in der grenzüberschreitenden Region der Niederlande, Belgiens, Deutschlands und Luxemburgs.
Und wird es weitere solcher Filmprojekte geben?
Ryan Wichert: An Ideen mangelt es nicht. Zwischen meinen anderen TV- und Kino-Dreharbeiten und meiner Arbeit am Prime Time Theater werden weitere Filme entstehen. Mit Michael J. Hilli bin ich da auch im Gespräch, denn unsere Zusammenarbeit macht uns großen Spaß.
Bleiben Sie dem Prime Time Theater denn trotzdem treu?
Ryan Wichert: Auf die Frage gibt es nur ein ganz großes: JA! Das ist doch mein Comedy-Zuhause!
Link zum Film: https://vimeo.com/580528467
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Über Ryan Wichert
In Hamburg geboren, zog es den bilingualen Ryan Wichert (*1985) nach dem Abitur nach England, um am Drama Centre London Method Acting zu studieren. Bei der Finanzierung bat er Prominente per Brief um Unterstützung – und die kam tatsächlich, unter anderem von Größen wie Sir Ian Mc Kellen, Alan Rickman oder Judi Dench.
Seit seinem Abschluss 2010 arbeitet Ryan Wichert sowohl in UK als auch in Deutschland auf der Bühne und vor der Kamera, spielte etwa in der mit dem Golden Globe prämierten Serie „The Queen‘s Gambit“ oder dem Kinofilm „Spencer“ mit Kirsten Stewart.
Ryan Wichert lebt im Wedding und fühlt sich dem Prime Time Theater tief verbunden. Bei „Gutes Wedding, Schlechtes Wedding“ erlebt das Publikum ihn zum Beispiel als Hygiene-Nerd Kevin, Dönerverkäufer Ahmed oder Detektiv James Worthingbottom. Zurzeit ist der Schauspieler zu sehen in „Der Gefangene von Instagram“. Auch bei diesem Stück zeichnet er überdies für Drehbuch und Regie verantwortlich.
mehr über Ryan Wichert: www.ryanwichert.com