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Stadtteil-Initiativen bei gemeinsamer Veranstaltung:
Großes Interesse bei “Genug ist genug!”

14. Februar 2023

Eine durch­aus denk­wür­di­ge Ver­an­stal­tung fand am 30. Janu­ar im City Kino Wed­ding statt. Der gro­ße Saal umfasst über zwei­hun­dert Plät­ze und war bre­chend voll. Orga­ni­siert von der Initia­ti­ve „Genug ist genug!“ (GiG) ver­sam­mel­te sich eine beein­dru­cken­de Men­ge von Akti­ven aus den Wed­din­ger Stadt­teil-Initia­ti­ven gegen hohe Prei­se und den Mie­ten­wahn­sinn sowie für höhe­re Löh­ne, bes­se­re Arbeits­be­din­gun­gen und Soli­da­ri­tät mit den Armuts­be­trof­fe­nen. Denk­wür­dig vor allem des­we­gen, weil nicht das Tren­nen­de, nicht die Unter­schie­de zum Bei­spiel in den lang­fris­ti­gen Zie­len der Grup­pen in den Vor­der­grund gescho­ben wur­den, son­dern die Gemein­sam­kei­ten und die gegen­sei­ti­ge Hilfe.

Das kam auch gleich zu Anfang zum Aus­druck, als der Red­ner der Kiez­kom­mu­ne Wed­ding nicht nur für eine anti­ka­pi­ta­lis­ti­sche Per­spek­ti­ve und grund­le­gen­de Refor­men ein­trat, son­dern auch für Nach­bar­schafts­hil­fe, unter ande­rem für Rentner*innen. „Wir, die Kiez­kom­mu­ne Wed­ding, sind eine Nach­bar­schafts­in­itia­ti­ve, die seit zwei Jah­ren im Wed­ding und ande­ren Bezir­ken aktiv ist. Der­zeit sam­meln wir For­de­run­gen und Geschich­ten von Men­schen, die ganz beson­ders durch das Coro­na-Virus und sei­ne sozia­len wie per­sön­li­chen Fol­gen betrof­fen sind. Auch ver­su­chen wir Men­schen, die zur soge­nann­ten Risi­ko­grup­pe (Rentner*innen, Men­schen mit Vor­er­kran­kun­gen oder Ähn­li­ches) zäh­len, beim Ein­kau­fen oder ande­ren Boten­gän­gen zu unterstützen“.

Ein Mit­be­grün­der der Initia­ti­ve „Wir sind Armuts­be­trof­fe­ne“ trat für ein Pro­gramm der sozia­len Refor­men für die ein­kom­mens­ar­me Bevöl­ke­rung ein und for­der­te statt des 49-Euro-Tickets ein Recht auf Mobi­li­tät für alle.

Nach­dem die „Tafeln Deutsch­land“ sich schon bei den Sozi­al­äm­tern und Job­cen­tern beschwert haben, dass sie Men­schen zu den Tafeln schi­cken, die bereits mehr als über­las­tet sind, wun­dert es nicht, dass die Armuts­be­trof­fe­nen das als siche­res Zei­chen dafür wer­ten, dass gra­vie­ren­de Män­gel auch beim neu­en Bür­ger­geld zu erwar­ten sind, denn es geht ja kaum dar­über hinaus.

Die Beschäf­tig­ten der Kran­ken­haus­be­we­gung, der Ber­li­ner Stadt­rei­ni­gung (BSR) und der Post, die sich aktu­ell in Tarif­aus­ein­an­der­set­zun­gen befin­den, erhiel­ten den meis­ten Bei­fall: Ein­leuch­tend, dass eine gute Gesund­heits­ver­sor­gung nur mit guten Arbeits­be­din­gun­gen, aus­rei­chend Zeit und Per­so­nal mög­lich ist. Die Coro­na-Kri­se hat die Pro­ble­me des Per­so­nal­man­gels in den Kran­ken­häu­sern sicht­ba­rer gemacht als je zuvor. Die ver.di-Gewerkschafterin: Dar­um wur­den Tarif­ver­trä­ge zur Ent­las­tung bei der Cha­ri­té und bei Vivan­tes mit ver­bind­li­chen Vor­ga­ben zur Per­so­nal­be­set­zung und einem Belas­tungs­aus­gleich bei Unter­be­set­zung zur Bedin­gung gemacht. Bei den Vivan­tes-Toch­ter­ge­sell­schaf­ten war nach 50 Streik­ta­gen erreicht wor­den, dass auch für sie künf­tig Tarif­ver­trä­ge gel­ten und die Ent­gel­te stei­gen. Betont wur­de, dass der Tarif­ver­trag im öffent­li­chen Dienst (TVöD) und die Per­so­nal­for­de­run­gen für alle Toch­ter­ge­sell­schaf­ten gül­tig sein müss­ten, nicht nur bei Vivantes.

Die Warn­streiks der Postzusteller*innen waren erst der Anfang, erklär­te eine Kol­le­gin in einer kämp­fe­ri­schen Anspra­che. Eine Lohn­er­hö­hung von 15 Pro­zent soll durch­ge­setzt wer­den, weil die Post in der Zeit der Pan­de­mie mas­si­ve Pro­fi­te gemacht habe. Sie rief alle Anwe­sen­den zur Soli­da­ri­tät auf. Vor­be­rei­te­te Pla­ka­te, die zur Soli­da­ri­tät mit den Postzusteller*innen auf­rie­fen, wur­den hoch­ge­hal­ten, damit Han­dy­fo­tos gemacht wer­den konnten.

Auch die BSR-Beschäf­tig­ten sind in Kampf­stim­mung. Die Tarif­ver­hand­lun­gen könn­ten unge­müt­lich wer­den, wie der Kol­le­ge berich­te­te. Die Gewerk­schaf­ten for­dern sat­te 10,5 Pro­zent mehr Geld und bei der Ber­li­ner Stadt­rei­ni­gung fin­den das vie­le Beschäf­ti­ge mehr als ange­mes­sen. Es bleibt noch viel zu tun.

Der Kampf gegen hohe Mie­ten wur­de beim Kiez­tref­fen von einem Mie­ter der vom Abriss bedroh­ten Häu­ser­zei­le Haber­saat­h­stra­ße 40–48 in einer enga­gier­ten Rede ange­spro­chen. Er ver­wies auch dar­auf, dass die einst kom­mu­na­len Gebäu­de erst 2006 pri­va­ti­siert wur­den. Damals regier­te in Ber­lin eine Koali­ti­on aus SPD und Linke.

Dar­an wur­de die Lan­des­vor­sit­zen­de der Ber­li­ner Lin­ken, Kati­na Schu­bert, nach ihrer kur­zen Rede erin­nert. Die Par­tei gehör­te zu den Mitorganisator*innen der Kon­fe­renz. Schu­bert setz­te sich für die schnel­le Umset­zung des Volks­be­geh­rens für die Ent­eig­nung von Deut­sche Woh­nen ein. Sie beton­te, dass die Ber­li­ner Lin­ke sich als lern­fä­hig erwie­sen habe. Dar­über hin­aus lie­ße sich nicht abstrei­ten, dass das Ber­li­ner Ent­las­tungs­pa­ket mit dem Netz­werk der Wär­me und dem „Här­te­fall­fonds Ener­gie­schul­den“, das Ber­li­ner Sozi­al­ti­cket für 9 Euro, die siche­re Finan­zie­rung von „Housing First“ für woh­nungs­lo­se Men­schen oder die Eck­punk­te für die Aus­bil­dungs­platz­um­la­ge ohne die Lin­ke nicht zustan­de gekom­men wären.

Die Außer­par­la­men­ta­ri­sche Lin­ke wie die Stadt­teil­in­itia­ti­ve „Hän­de weg vom Wed­ding“ unter­stützt bereits seit Jah­ren auch gewerk­schaft­li­che Kämp­fe; Cle­mens berich­te­te über den „Soli­da­ri­täts­treff Sozia­le Arbeit im Kapi­ta­lis­mus“, der sich vor drei Jah­ren grün­de­te. Jeden drit­ten Mitt­woch im Monat tref­fen sich im Kiez­haus Agnes Rein­hold Sozialarbeiter*innen aus ganz Berlin.

Text: Rai­ner Scholz

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